18 Monate für Systemwandel in Libyen Rebellen versprechen Demokratie
02.09.2011, 19:17 Uhr
Libyen soll mit der Hilfe der internationalen Gemeinschaft zu einem demokratischen Land werden.
(Foto: AP)
Innerhalb von 18 Monaten soll in Libyen ein demokratisches System entstehen. Die Aufständischen wollen nach ihrem Sieg über das Regime Gaddafi eine neue Verfassung ausarbeiten und spätestens im Frühjahr 2013 Wahlen abhalten. Doch noch immer ist nicht das gesamte Land unter der Kontrolle der Rebellen.
Die Aufständischen wollen in Libyen binnen 18 Monaten einen demokratischen Wandel vollziehen. Spätestens im Frühjahr 2013 sollen ein Präsident und ein Parlament gewählt werden, erklärte der nationale Übergangsrat laut einem Bericht des britischen Senders BBC.
Darüber hinaus soll binnen acht Monaten eine demokratisch gewählte Kommission damit beginnen, eine neue Verfassung auszuarbeiten. Bisher waren Wahlen binnen acht Monaten angedacht. Die Schulen sollen schon Mitte am 17. September wieder öffnen. "Wir haben alle Gaddafi-Themen aus dem Lehrplan gestrichen", sagte der Schulverantwortliche des Übergangsrates, Soliman al-Sahli. Gaddafis politische Theorien würden nicht mehr gelehrt und es solle mehr Englisch und Französisch unterrichtet werden.
Verhandlungen um Sirte
Die Aufständischen versuchen weiterhin, mit Verhandlungen die letzten verbliebenen Hochburgen Gaddafis zur friedlichen Aufgabe zu bewegen. Den Einwohnern von Sirte, der Geburtsstadt Gaddafis, sei beispielsweise versichert worden, dass die Rebellen die Stadt nicht plündern würden, berichtete der arabische Nachrichtensender Al-Dschasira.
Im Fall der 150 Kilometer südlich von Tripolis gelegenen Stadt Bani Walid stehen die Zeichen offenbar auf Blutvergießen. Gaddafi-treue Anhänger wollten die Wüstenstadt gegen die Rebellen verteidigen, berichtete Al-Dschasira. In Bani Walid vermuten die Aufständischen auch den untergetauchten Ex-Machthaber Muammar al-Gaddafi sowie dessen Sohn Saif al-Islam. Sie sollen dort den Schutz des größten Stammes in Libyen, der Warfalla, gesucht haben.
Beim Bemühen, die letzten Hochburgen Gaddafis zu erobern, unterstützt das britische Militär die Rebellen. Ein Zerstörer habe Leuchtraketen auf Stellungen Gaddafi-treuer Anhänger nahe Sirte abgefeuert, teilte das Verteidigungsministerium mit. Denjenigen, die den Konflikt verlängerten, solle demonstriert werden, dass ihre Aufenthaltsorte bekannt seien und angegriffen werden könnten. Wie es weiter hieß, zerstörte die britische Luftwaffe nahe Bani Walid eine militärische Installation, ein Fahrzeug mit Raketen und einem Raketenhalter sowie sechs Gebäude, die von Gaddafi-Anhängern genutzt worden seien.
AU bleibt skeptisch
Die Afrikanische Union (AU) will den Nationalen Übergangsrat der Rebellen vorerst noch nicht als neue libysche Führung anerkennen. Die Führung der Aufständischen habe zwar zugesichert, afrikanische Arbeiter in dem Land von Repressalien zu verschonen, sagte AU-Kommissionspräsident Jean Ping nach der Libyen-Konferenz in Paris. Die Einhaltung dieses Versprechens solle zunächst abgewartet werden. Die Bekenntnisse des Übergangsrats, den Weg der Versöhnung einschlagen zu wollen, seien aber "ermutigend", ergänzte AU-Sprecher Noureddine Mezni.
Problematisch ist die Lage von Angehörigen anderer afrikanischer Staaten in Libyen vor allem wegen des Einsatzes von ausländischen Söldnern im Dienste Gaddafis. Laut Mezni sicherte der Übergangsrat auf der Pariser Konferenz aber zu, die afrikanischen Arbeiter zu schützen, die fälschlicherweise für Söldner gehalten werden könnten.
Viele Länder der internationalen Gemeinschaft haben den Übergangsrat der Rebellen bereits als legitimen Vertreter des libyschen Volkes anerkannt. Darunter sind auch 18 der 54 Mitgliedsstaaten der Afrikanischen Union. Allerdings hat der Staatenbund als Ganzes die Aufständischen bisher noch nicht anerkannt.
Hilfsgelder fließen
Der neue Staat Libyen kann jedoch auf breite finanzielle Unterstützung der Weltgemeinschaft setzen. Vertreter von rund 60 Staaten und internationalen Organisationen versprachen den neuen Machthabern am Donnerstagabend in Paris des Landes. Eingefrorene Gelder des Regimes von Diktator Muammar al-Gaddafi sollen rasch bereitgestellt werden.
Deutschland wird der neuen libyschen Führung eine Milliarde Euro aus bislang eingefrorenen Geldern des alten Regimes zur Verfügung stellen. Die Vereinten Nationen hätten die Gelder freigegeben, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel nach der Libyen-Konferenz in Paris. Nach Angaben des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy, der zusammen mit dem britischen Premier David Cameron zu der Konferenz im Élysée-Palast eingeladen hatte, sind mittlerweile insgesamt rund 15 Milliarden Dollar - umgerechnet ca. 10 Milliarden Euro - libyscher Gelder freigegeben.
Der Gaddafi-Clan verfügte bis zum Bürgerkrieg über ein riesiges Vermögen im Ausland. Allein in Deutschland wurden nach der Verhängung der UN-Sanktionen rund 7,3 Milliarden Euro eingefroren. Weltweit sind es schätzungsweise mehrere Dutzend Milliarden Euro.
Merkel sprach sich dafür aus, die Sanktionen gegen Libyen schnell aufzuheben. "Ich habe das unterstützt", sagte die Kanzlerin. Man müsse wieder eng und ganz normal zusammenarbeiten können. Die Kanzlerin sagte den Libyern zu, bei der Ausarbeitung einer Verfassung zu helfen. "Ich habe angeboten, dass wir mit unserer Erfahrung einer deutschen Diktatur auch helfen können, Vergangenheit friedlich aufzuarbeiten", erklärte Merkel.
Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel lehnte allerdings Gelder der Entwicklungshilfe für Libyen ab. Das nordafrikanische Land sei " ", sagte der FDP-Politiker. Er habe für die unmittelbare Versorgung der Bevölkerung bereits im Juni sieben Millionen Euro Nothilfe zugesagt. "Darüber hinaus wird es keine bilaterale Entwicklungszusammenarbeit geben", betonte der Minister Libyen sei ein reiches Land, das sich technische Unterstützung einkaufen könne - "sehr gerne bei uns", sagte Niebel.
Ban will UN-Präsenz
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sprach sich in Paris für eine UN-Präsenz in Libyen aus. "Ich werde eng mit dem Sicherheitsrat zusammenarbeiten, um ein Mandat für eine UN-Mission zu entwerfen. Der Einsatz sollte so bald wie möglich beginnen", sagte Ban laut Redemanuskript.
NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen unterstrich, dass das Militärbündnis entschlossen sei, den Libyen-Einsatz fortzuführen, solange es dort Angriffe und Bedrohungen gebe, "jedoch keinen Tag länger als nötig". Er unterstrich die erfolgreiche Umsetzung des UN-Mandats. "Gleich von Beginn an hat unser Einsatz das libysche Volk geschützt", sagte Rasmussen. "Wir haben es geschafft, ein Massaker zu verhindern, und zahllose Leben wurden gerettet."
Quelle: ntv.de, dpa/AFP/rts