Marionette im NSU-Prozess? Rechtsanwalt Grasel sorgt für Verwirrung
10.11.2015, 17:02 Uhr
Im vergangenen Juli wurde der 31-jährige Grasel zum vierten Pflichtverteidiger berufen.
(Foto: dpa)
Erst seit 2013 ist er Fachanwalt für Strafrecht. Der jüngste Pflichtverteidiger von Beate Zschäpe, Mathias Grasel, könnte nun dafür sorgen, dass einer der wichtigsten Prozesse hierzulande im Chaos endet.
Eigentlich sollte Mathias Grasel am Mittwoch seine große Stunde haben: Dann sollte er für Beate Zschäpe im NSU-Prozess deren mit Spannung erwartete Erklärung verlesen. Doch nach heftigen Turbulenzen ist der Termin vorerst vertagt - und nicht zuletzt Grasels Rolle in dem Verfahren hat daran ihren Anteil. Es gibt nämlich Hinweise, dass er womöglich nicht viel mehr als eine Marionette ist.
Schon als der erst 31 Jahre alte Grasel im Juli zum vierten Pflichtverteidiger berufen wurde, verbanden viele NSU-Opfer damit die Hoffnung, dass die konsequent schweigende Zschäpe sich doch noch zur Mord- und Terrorserie des Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) äußern wird. Gegenüber dem Gerichtspsychiater hatte sie darüber geklagt, dass sie unter dem Schweigen leide, zu dem ihr die bisherigen drei Verteidiger geraten hatten. Das Verhältnis Zschäpes zu dem Trio ist erkennbar zerrüttet - mit dem schneidigen Grasel an ihrer Seite hellte sich die Laune Zschäpes merklich auf.
Was sind Borcherts Motive?
Einen erkennbaren schnellen Kurswechsel vollzog Grasel zwar nicht. Allerdings muss er von Anfang an mit an der Kehrtwende gearbeitet haben - oder aber er wurde von Anfang an dazu gedrängt. Denn der Vorsitzende Richter des Prozesses, Manfred Götzl, veröffentlichte am Dienstag in einer Erklärung Details, die Grasels Rolle als die eines Handlangers erscheinen lassen.
Götzl erzählte, dass ihn schon am 31. August ein Anruf erreichte, Zschäpe wolle sich schriftlich einlassen. Der Anruf kam aber nicht von Grasel oder den ursprünglichen drei Zschäpe-Verteidigern - er kam vom Münchner Rechtsanwalt Hermann Borchert, dem Inhaber der Kanzlei, in der Grasel sein Büro hat. Von Borchert ist bekannt, dass dieser schon länger zu Zschäpe im Gefängnis Kontakt hält und dass Grasel erst später dazu stieß.
Aus welchen Motiven Borchert aktiv ist und warum er bisher nicht selbst am Verfahren teilnimmt, ist allerdings nicht bekannt. Angeblich meldete sich Borchert am Dienstag als weiterer Zschäpe-Verteidiger an - dies berichtete zumindest die zum ursprünglichen Verteidiger-Trio zählende Rechtsanwältin Anja Sturm.
Von Anfang an ohne Absprache

Die ursprünglichen Verteidiger von Beate Zschäpe verlangen ihre sofortige Entlassung.
(Foto: imago/Sebastian Widmann)
Außerdem verriet Götzls Schilderung, wer in dem Verhältnis der Rechtsanwälte das letzte Wort hat. Denn der Richter schilderte, dass er der Kanzlei mitgeteilt habe, die anderen Prozessbeteiligten über Zschäpes Aussagebereitschaft informieren zu wollen. Grasel teilte Götzl daraufhin am 28. Oktober mit, dass er dies nicht notwendig finde - doch keine zwei Wochen später rief Borchert erneut persönlich bei Götzl an und sagte, er habe nichts gegen die Information. Diese ging daraufhin an die Prozessbeteiligten.
Wer also bestimmt die neue Strategie im NSU-Prozess? Sein eigenes Verständnis seiner Rolle in der Zschäpe-Verteidigung hat Grasel jedenfalls schon lange aufgegeben: Noch im Juli hatte er ausdrücklich betont, Teil eines Verteidiger-Teams sein zu wollen, kein Erster unter Gleichen. "Ich sehe das nicht als eine 3+1-Konstellation. Ich maße mir nicht an, den Rahmen zu sprengen", sagte er damals.
Doch tatsächlich arbeitete Grasel von Anfang an ohne Absprache mit dem ursprünglichen Verteidiger-Trio. Dieses sieht sich inzwischen nur noch als "Fassade". Als Folge könnte nun der am Bodensee aufgewachsene Jurist, der erst seit 2013 Fachanwalt für Strafrecht ist, womöglich sogar den NSU-Prozess sprengen.
Denn nach der Ankündigung der Zschäpe-Erklärung verlangen die ursprünglichen Verteidiger ihre sofortige Entlassung. Und außerdem gibt es einen Befangenheitsantrag gegen das Gericht. Wird einem der beiden Anträge stattgegeben, müsste wohl der ganze Prozess neu aufgerollt werden. Doch selbst wenn die Anträge abgelehnt werden, ist nun offen, wann Grasel seinen großen Auftritt bekommt.
Quelle: ntv.de, Ralf Isermann, AFP