Politik

"Datenschutz-Codex" im Internet Regierung setzt Wirtschaft Frist

Regierung sucht Ausweg: Verbraucherschutzministerin Aigner, Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger und Innenminister de Maizière beim Datenschutzgipfel.

Regierung sucht Ausweg: Verbraucherschutzministerin Aigner, Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger und Innenminister de Maizière beim Datenschutzgipfel.

(Foto: REUTERS)

Bis zum IT-Gipfel der Bundesregierung im Dezember haben die Unternehmen Zeit, selbst für einen besseren Schutz von Bürgern und Kunden zu sorgen. Ansonsten droht Innenminister de Maizière mit einem Gesetz, das Fälle wie Google Street View regeln soll. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Schaar fordert bei n-tv ein Widerspruchsrecht für jeden Bürger.

Im Streit um Geo-Datendienste wie Google Street View hat die Bundesregierung der Wirtschaft eine Frist gesetzt, um selbst Regeln für den Schutz der Betroffenen vorzulegen. Der "Datenschutz-Codex" soll bis zum IT-Gipfel der Bundesregierung am 7. Dezember 2010 erstellt werden, sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière nach einem Spitzengespräch mit Vertretern der Branche in Berlin. Wichtig sei, dass eine "rote Linie" nicht überschritten werde. Nur besonders schwerwiegende Eingriffe in die Privatsphäre sollen demnach per Gesetz verboten werden.

"Ich erwarte, dass sich die Dienste zu datenschutzfreundlichen Regeln verpflichten", sagte der Innenminister. Widerspruchsmöglichkeiten für die Bürger müssten einfach zu finden sein. "Der Codex kann eine gesetzliche Regelung überflüssig machen", sagte de Maizière. Wenn die Selbstverpflichtung der Wirtschaft nicht ausreiche, werde man das Thema gesetzlich regeln.

"Die freie Nutzung freier Räume müssen wir bewahren", betonte de Maizière. Das Fernsehen müsse auch in der Lage sein, den Karneval in Mainz oder Köln zu übertragen, auch wenn Fassaden zu sehen sind. "Wir brauchen Geo-Dienste für die Verkehrslenkung, für den Katastrophenschutz, für die moderne Landwirtschaft, die Wohnungssuche oder die Vorbereitung eines Urlaubs." Dabei müsse aber sichergestellt werden, dass die Persönlichkeitsrechte geschützt werden.

Branche warnt vor Zensur

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(Foto: picture alliance / dpa)

Der Branchenverband Bitkom hatte im Vorfeld des Spitzengesprächs davor gewarnt, digitale Straßenansichten und Landschaftsbilder vorschnell zu reglementieren. Bitkom-Präsident August-Wilhelm Scheer betonte, Deutschland brauche keine Einzelfallgesetze zu jedem neuen Internet-Dienst, sondern eine strategische Netzpolitik. "Im Vordergrund muss stehen, wie wir die Chancen des technischen Fortschritts gesellschaftlich und wirtschaftlich bestmöglich nutzen." Deutschland dürfe sich nicht durch nationale Gesetze vom technischen Fortschritt abkoppeln. Der Bitkom soll nun die Formulierung der Selbstverpflichtung der Industrie koordinieren.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar hatte zuvor deutlich mehr Rechte der Bürger gegenüber Internetdiensten wie Google Street View gefordert. Jeder müsse das Recht haben, der Veröffentlichung seiner Daten oder seines Hauses im Internet zu widersprechen, sagte Schaar bei n-tv. Bisher handle es sich eher um eine Geste des guten Willens von Google Street View, das nach heftigen Protesten derzeit Widersprüche gegen die Veröffentlichung von Hausfassaden im Internet sammelt. Schaar plädierte für eine Art Robinson-Liste zum Schutz der eigenen Daten. In dieses Widerspruchsregister sollten sich Bürger eintragen können, wenn sie gegen eine Veröffentlichung ihrer Daten seien, aber nicht jedem einzelnen Dienst hinterherlaufen wollten. Das gelte auch für die Daten seines Hauses.

Einsprüche gegen Street View

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger mahnte die Verbraucher zu einem sorgsamen Umgang mit den eigenen Daten. Durch immer mehr Möglichkeiten zur Verknüpfung und Speicherung könnten auch aus isoliert betrachtet wenig sensiblen Sachdaten problematische Bewegungs- oder Persönlichkeitsprofile von hoher datenschutzrechtlichen Sensibilität gewonnen werden.

Hunderttausende Bürger haben einem "Spiegel"-Bericht zufolge bereits Widerspruch gegen die Abbildung ihres Hauses bei Street View eingelegt. Google selbst gehe in einem internen Papier allerdings davon aus, dass der Dienst Street View unter allen Ländern, in denen er noch nicht eingeführt sei, von Deutschland aus am häufigsten genutzt werde. Bisher können die Häuserfassaden aus 23 Ländern bei Street View aufgerufen werden. Der Dienst Google Earth zeigt schon seit Jahren die Erde aus der Satellitenperspektive - und damit mehr Details der Privatsphäre, weil er von oben beispielsweise auch in Gärten hineinschaut, die nicht offen einzusehen sind und für Street View verborgen bleiben.

Quelle: ntv.de, dpa/rts

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