Politik

Der Niedergang der FDP Rösler ist nicht das Problem

Die gute Laune von Rainer Brüderle und Philipp Rösler beim Dreikönigsball dürfte gespielt sein.

Die gute Laune von Rainer Brüderle und Philipp Rösler beim Dreikönigsball dürfte gespielt sein.

(Foto: picture alliance / dpa)

Vor ihrem Dreikönigstreffen schießt sich die FDP auf den Vorsitzenden ein und bringt mit Rainer Brüderle schon einen Nachfolger ins Gespräch. Der sich abzeichnende Führungswechsel ist der verzweifelte Versuch, eine Partei zu retten, die kaum zu retten ist. Denn die FDP hat ihr Alleinstellungsmerkmal leichtfertig verspielt.

Das Ende von Philipp Rösler als Parteivorsitzender der FDP erscheint unabwendbar. Die kämpferische Rede, die er für das Dreikönigstreffen in Stuttgart angekündigt hat, dürfte daran nichts ändern; genauso wenig ein Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde bei der Wahl in Niedersachsen Ende Januar. Denn in all ihrer Verzweiflung krallt sich die Partei an die Hoffnung, ihr politisches Überleben mit einem Führungswechsel zu sichern. Seht her, heißt es: Wir erkennen das Problem, und wir lösen es.

Doch Philipp Rösler ist nicht das Problem. Die FDP führt einen Scheinkrieg – sie überspielt, was in der Partei niemand wahr haben will: Sie hat sich überflüssig gemacht.

Es ist nicht lange her, dass sich in der FDP schon einmal die Überzeugung durchsetzte, ein Führungswechsel könnte die Liberalen retten. Nach dem desaströsen Start der Koalition mit der Union musste Guido Westerwelle seinen Posten räumen. Ein junges Team – frisch, unverbraucht und hungrig – sollte die Partei wiederbeleben. Im Mittelpunkt stand: Philipp Rösler. Kaum zwei Jahre sind seither vergangen – und die Mission liberale Boygroup ist kläglich gescheitert.

Brüderle wird wenig ausrichten können

Jetzt sehnt sich die Partei nach einer erfahrenen Größe, einem Mann mit Ansehen in der Wirtschaft, einem Mann, der in Jahrzehnten in der rheinland-pfälzischen Landespolitik gelernt hat, den Eindruck zu erwecken, dass zwischen ihm und dem Wähler auf menschlicher Ebene keine Schluchten klaffen. Die Partei sehnt sich nach Rainer Brüderle, dem Fraktionsvorsitzenden.

Medien und Opposition dürften bei Attacken auf ihn vorsichtiger zu Werke gehen als beim zu jung und zu unerfahren wirkenden Rösler. Früher als Genussmensch (Wein), der sich selbst nicht zu ernst nimmt ("Saufen mit Brüderle" in der Harald-Schmidt-Show) galt er als zu provinziell und leichtgewichtig. Doch als Wirtschaftsminister machte er eine gute Figur und er verteidigte seinen Status in der FDP-Führung erfolgreich. Heute unterschätzt Brüderle niemand mehr. Das ist sein Pluspunkt. Doch auch er wird die FDP nicht aus ihrer misslichen Lage befreien. Bestenfalls kann er die Partei vorübergehend über die Fünf-Prozent-Marke hieven. Denn auch ihm wird es nicht gelingen, darüber hinwegzutäuschen, dass es der Partei schlicht an Substanz fehlt.

Die inhaltliche Verkümmerung lässt sich kaum heilen

Es gab Zeiten, in denen die FDP dafür bekannt war, liberale Akzente von der Außen- bis in die Sozialpolitik zu setzten. Bürgerrechte standen genauso auf ihrem Menü wie die Bildung. Eine mitunter umstrittene, aber seriöse Wirtschafts- und Finanzpolitik war ihr Steckenpferd. Jahrzehnte ist das her. Nach dem Bruch der sozialliberalen Koalition Anfang der 1980er Jahre erlebte die Partei erst einen personellen Exodus, später folgte der inhaltliche. Als Steuersenkungstruppe, als Mövenpick-Partei ist die FDP heute bekannt. Um mit Klientelpolitik zu punkten, opferte sie nach und nach die Themen, für die sie einst stand.

Die Lücken füllten andere: Die Grünen machten sich daran, individuelle Lebensentwürfe in der Gesellschaft zu etablieren und stürzten sich auf die Bürgerrechte. Auch die Piraten nahmen sich dieses Feldes an und sind im Begriff, Themen wie die Freiheit im Internet und Datenschutz für sich zu vereinnahmen. Eine ernsthafte, liberale Wirtschaftspolitik findet der Mittelstand heute eher bei der Union. Ihre inhaltliche Verkümmerung lässt sich darum kaum heilen – egal wer an der Spitze der Partei steht. Denn die Felder, die zugunsten einer Politik für Besserverdienende geräumt wurden, sind mittlerweile wieder besetzt.

Liberalismus ist ein Gut aller Parteien geworden. Die FDP hat ihr Alleinstellungsmerkmal verspielt.

Quelle: ntv.de

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