CDU nur drittstärkste Kraft, FDP draußen Rot-Grün gewinnt in Bremen deutlich
22.05.2011, 18:12 Uhr
Die Grünen-Spitzenkandidatin Karoline Linnert mit Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD).
(Foto: dpa)
Wie erwartet bleibt Rot-Grün in Bremen an der Macht, Regierungschef Böhrnsen kann sich auf eine weitere Amtszeit einstellen. Die Grünen ziehen mit einem deutlichen Plus an der CDU vorbei, die FDP halbiert ihr Ergebnis von vor vier Jahren und fliegt komplett aus der Bürgerschaft. Für die Christdemokraten ist es eine historische Niederlage.
Bei der Bremer Bürgerschaftswahl zeichnet sich Hochrechnungen zufolge eine klare Mehrheit für die regierende rot-grüne Koalition ab. Die Sozialdemokraten von Bürgermeister Jens Böhrnsen kommen Infratest dimap zufolge auf 37,9 Prozent (Forschungsgruppe Wahlen: 38 Prozent). Die Grünen verbessern sich deutlich auf 22,9 Prozent (22,7) und liegen damit erstmals bei einer Landtagswahl vor der CDU, auf die 20,4 Prozent (21) entfallen – und ihrerseits mehrere Prozentpunkte verliert. Die Linke zieht demnach mit 5,8 Prozent erneut in die Bürgerschaft ein, während die FDP mit 2,8 Prozent (2,9) an der Fünf-Prozent-Hürde scheitert.
Einen Sitz gewinnen dagegen die "Bürger in Wut" (BIW), die in Bremerhaven die Hürde überspringen. In Bremen und Bremerhaven gilt jeweils unabhängig voneinander die Grenze von fünf Prozent der Stimmen, um in die Bürgerschaft einzuziehen. Insgesamt kam die rechtspopulistische Vereinigung auf 3,6 Prozent (3,7). Für die Christdemokraten ist das Ergebnis eine historische Niederlage: Erstmals seit über 60 Jahren ist die CDU in einem westdeutschen Bundesland nur drittstärkste Kraft.

Erstmals in Deutschland durften bei einer Landtagswahl auch 16- und 17-Jährige ihre Stimme abgeben.
(Foto: REUTERS)
Im kleinsten deutschen Bundesland Bremen hatten Jugendliche zuvor erstmals in Deutschland mit über die Zusammensetzung eines Landtags entschieden. Ob sie von ihrem Wahlrecht rege Gebrauch machten, wird sich erst nach Auszählung aller Stimmen zeigen. "Wie groß das Interesse bei den Jungwählern war, können wir noch nicht sagen", erklärte eine Mitarbeiterin der Landeswahlleitung.
Bereits in den Umfragen lag die amtierende rot-grüne Koalition in Bremen klar vorne. Die SPD regiert ununterbrochen seit 1947 im Zwei-Städte-Staat, seit 2005 unter Führung von Regierungschef Jens Böhrnsen.
Grüne in guter Verhandlungsposition
Bei den Koalitionsverhandlungen mit den Grünen soll die Ressortverteilung nach dem Willen Böhrnsens erst spät eine Rolle spielen. "Wir werden uns zunächst über Inhalte verständigen", sagte er angesichts des starken Zugewinns der Grünen. Erst danach solle die Vergabe der Posten geklärt werden. "Erst muss man wissen, wohin man will, und dann mit welcher Zusammensetzung." Aus Respekt vor den Wählern solle mit den Koalitionsverhandlungen gewartet werden, bis das Ergebnis endgültig vorliege. "Aber dann wollen wir sehr schnell erste Gespräche führen." Er rechne damit, dass Ende Juni oder Anfang Juli ein neuer Senat gewählt werden könne.
Grünen-Bundestagsfraktionschef Jürgen Trittin sprach von einer guten Vorlage für die Berliner Spitzenkandidatin Renate Künast, die bei der Landtagswahl in der Bundeshauptstadt im Herbst Bürgermeister Klaus Wowereit von der SPD ablösen will.

Kein gutes Ergebnis: Die Spitzenkandidaten von CDU und FDP, Rita Mohr-Lüllmann und Oliver Möllenstädt
(Foto: dpa)
Die Grünen hätten bei allen Wahlen in den vergangenen Jahren zugelegt, sagte der gebürtige Bremer Trittin. Dies sei eine Steilvorlage für die Auseinandersetzung auch bei der Bundestagswahl in zwei Jahren. Die Zuwächse seien auch Lohn dafür, dass die Grünen im finanzschwachen Bremen ein Risiko eingegangen und das Finanzressort übernommen hätten.
Historisch niedrige Wahlbeteiligung
Das Interesse am Urnengang bei den Wählern war deutlich geringer als noch vor vier Jahren. Die Beteiligung war die historisch niedrigste in Bremen: Nach einer Prognose lag sie bei 53,6 Prozent. Bei der Wahl 2007 waren es noch 57,6 Prozent gewesen. Allerdings war das Interesse an der Briefwahl diesmal deutlich höher als in den Vorjahren. Fast ein Viertel aller gut 500.000 Bremer Wahlberechtigten hatte die Stimmzettel bereits im Vorfeld beantragt, um sich zu Hause zu entscheiden.
Regierungschef Böhrnsen hatte bei seiner Stimmabgabe vor allem an Jugendliche appelliert, sich intensiv an der Wahl zu beteiligen, um ein bundesweites Vorbild zu sein. "Sie sind Pioniere", betonte Böhrnsen. Zu den Erstwählern in Bremen gehörte auch der 16 Jahre alte Julian Burmester, der nach seiner Stimmabgabe sagte: "Es war schon eine Befriedigung, dass man sich beteiligen kann. Ich weiß aber auch von vielen Freunden, die nicht wählen gehen."
Amtliches Ergebnis erst am Mittwoch
Das Auszählen der Stimmen wird Tage in Anspruch nehmen. Ein vorläufiges amtliches Endergebnis wird wegen Änderungen im Wahlrecht nicht vor Mittwoch erwartet.
Heftige Attacken blieben im Wahlkampf in Bremen in den vergangenen Wochen aus. Die Finanzpolitik in dem mit rund 18 Milliarden Euro verschuldeten Bundesland war in der politischen Auseinandersetzung der einzige große Zankapfel.
Quelle: ntv.de, rpe/dpa/AFP