Politik

Kiew beschließt Teilmobilmachung Rotes Kreuz spricht von "Krieg" in der Ukraine

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Prorussische Rebellen mit einem Panzer aus ukrainischen Armeebeständen in der Nähe von Donezk.

(Foto: AP)

41.000 Mann sowie Hunderte Panzer und Artilleriegeschütze soll Moskau an der russisch-ukrainischen Grenze stationiert haben. Kiew antwortet mit einer Masseneinberufung von Männern im wehrdienstfähigen Alter und Reservisten. Für das Rote Kreuz ist der Ukraine-Konflikt zum Krieg geworden.

Das Rote Kreuz hat in einer vertraulichen juristischen Einschätzung die Auseinandersetzungen in der Ukraine als "Krieg" eingestuft. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) habe keine öffentliche Erklärung dazu abgegeben, um einen Affront gegen die Ukraine und Russland zu vermeiden, hieß es in Kreisen der Organisation in Genf. Es sei ihnen aber auf anderen Kanälen übermittelt worden. "Wir diskutieren das nicht öffentlich", sagte IKRK-Sprecherin Anastasia Isyuk.

Das IKRK wacht über die Einhaltung der Genfer Konventionen und die damit verbundenen rechtlichen Regeln bei kriegerischen Auseinandersetzungen. Seine Einschätzungen werden auch von den Vereinten Nationen für die Bewertung gewaltsamer Konflikte zugrunde gelegt.

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Poroschenko: Es geht um die Zukunft der Ukraine.

(Foto: AP)

Nach Angaben der Regierung in Kiew soll Russland mittlerweile fast 41.000 Soldaten entlang der russisch-ukrainischen Grenze zusammengezogen haben. Nahe Donezk seien im Laufe der vergangenen Woche zudem 550 Panzer und gepanzerte Fahrzeuge sowie 500 Artilleriegeschütze in Stellung gebracht worden. Darauf müsse das Parlament in Kiew reagieren und habe eine weitere Teilmobilmachung der Streitkräfte ausgerufen - die mittlerweile dritte seit März. Das Parlament hatte einen entsprechenden Erlass des ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko bestätigt. Die Teilmobilmachung bedeutet die Masseneinberufung von Männern im wehrdienstfähigen Alter sowie von Reservisten.

Die ukrainische Armee steht im Ruf, extrem schlecht mit Personal, Nahrung und Technik ausgestattet zu sein. Mit den zusätzlichen Kräften sowie weiterer Ausrüstung will Poroschenko noch härter gegen die prorussischen Separatisten in der Ostukraine vorgehen. Poroschenko begründete den Schritt mit einer Sicherung der nationalen Unabhängigkeit der Ukraine. Die prorussischen Kräfte in der Ostukraine wollen eine Abspaltung der Gebiete Donezk und Lugansk von Kiew erreichen.

In der russischen Hauptstadt Moskau kommt am Nachmittag der nationale Sicherheitsrat unter Führung von Präsident Wladimir Putin zusammen. Dabei geht es vor allem um die Lage in der Ostukraine.

Wrackteil weist auf Raketentreffer hin

Nach einem Bericht der "New York Times", weist ein durchlöchertes Wrackteil der abgestürzten Boeing auf einen Raketentreffer hin. Schrapnell-Spuren seien ein Hinweis darauf, dass das Flugzeug durch eine Rakete mit Überschallgeschwindigkeit zerstört wurde, sagten Experten des Verteidigungs-Fachverlags IHS Jane's nach Auswertung eines von einem NYT-Fotografen aufgenommenen Trümmerteils. Unter anderem wurde der abgeplatzte Lack an der Außenseite des vom Flugzeugrumpf stammenden Wrackteils als ein Beleg angeführt.

Die Experten vermuten, dass das Flugzeug der Malaysia Airlines mit 298 Menschen an Bord am Donnerstag durch die Rakete eines russischen "Buk"-Flugabwehrsystems getroffen wurde. Die USA verdächtigen prorussische Separatisten, die Zivilmaschine mit einer Boden-Luft-Rakete abgeschossen zu haben.

Niederlande fliegen die Toten aus

Am Mittag traf der Zug mit den sterblichen Überresten von 251 Passagieren und Crew-Mitgliedern der abgestürzten Linienmaschine MH17 in der ostukrainischen Stadt Charkiw ein.

Entgegen bisheriger Pläne wollen die niederländischen Spezialisten die Absturzopfer nicht in der Ukraine identifizieren. Alle bislang geborgenen Leichen sollen deshalb umgehend ausgeflogen werden. "Die Identifizierung geht in den Niederlanden viel schneller", erklärt Ministerpräsident Mark Rutte vor dem Parlament in Den Haag. Ein Militärflieger vom Typ Hercules stehe schon bereit. Die Leichen sollen ab Mittwoch nach Eindhoven unweit der deutschen Grenze ausgeflogen werden.

Bei dem Absturz der Boeing der Malaysia Airlines waren am Donnerstag 298 Menschen ums Leben gekommen, darunter 193 Niederländer. Der Zug war am Vortag von der etwa 300 Kilometer entfernten Stadt Tores losgefahren. Die Stadt bei Donezk wird von prorussischen Separatisten kontrolliert.

Rebellen übergeben Flugschreiber

In der Nacht zum Dienstag hatte Rebellenführer Alexander Borodei die Flugschreiber und den Stimmrekorder des Unglücksflugzeugs an Vertreter Malaysias übergeben und angeordnet, dass die Leichen der Opfer in die Niederlande überführt werden. Außerdem verhängte Borodei - ebenso wie der ukrainische Präsident Petro Poroschenko - eine einseitige Waffenruhe am Absturzort, damit niederländische Sicherheitskräfte und andere ausländische Wachleute die internationalen Absturzermittler bei der Spurensuche unterstützen können.

Am Abend hatte der UN-Sicherheitsrat in einer Resolution den Abschuss des Passagierflugzeugs "auf das Schärfste" verurteilt. In dem Text werden die Separatisten aufgefordert, den Ermittlern freien Zugang zur Absturzstelle zu gewähren und deren "Integrität" zu bewahren. Auch Russland hatte für diese Resolution gestimmt.

Putin kündigt Einflussnahme auf Rebellen an

Auf einer Sitzung des Nationalen Sicherheitsrats in Moskau sagte Staatschef Wladimir Putin zu, seinen Einfluss auf die prorussischen Rebellen im Osten der Ukraine zur Aufklärung des Absturzes der Boeing zu nutzen. "Wir werden aufgefordert, Einfluss auf die Kämpfer im Südosten auszuüben, wir werden alles in unserer Macht Stehende tun", so Putin bei dem Treffen. Russland werde alles für "eine vollständige, umfassende, gründliche und transparente Untersuchung" des Falls tun.

Zuvor hatte US-Präsident Barack Obama Russland direkt beschuldigt, die Rebellen mit Flugabwehr-Waffen und anderer militärischer Ausrüstung versorgt zu haben. Weiter sagte Obama, Putin habe eine "direkte Verantwortung", die Separatisten zur Kooperation zu bewegen. Russland müsse nun dafür sorgen, dass die Separatisten aufhören, die Beweislage zu verfälschen.

Russland selbst hat inzwischen seine eigene Version der Geschehnisse veröffentlicht, wonach ein ukrainischer Kampfjet den Flugzeugabsturz verursacht haben soll. Allerdings erhob Russland keine Vorwürfe und veröffentlichte stattdessen Satellitenfotos, die diese These nicht stützen. Die Ukraine wiederum bestreitet, jemals während des Krieges Boden-Luft-Raketen benutzt zu haben, und beschuldigt Russland, einen Krieg innerhalb der ukrainischen Grenzen zu schüren.

Quelle: ntv.de, ppo/AFP/dpa/rts

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