Grüne bekennen sich SPD ist doch keine Stiefschwester
26.04.2013, 21:25 Uhr
Die Spitzenkandidaten der Grünen, Göring-Eckardt und Trittin.
(Foto: dpa)
Zum Beginn ihres Parteitags entgeht die Spitze der Grünen einem peinlichen Rüffel: SPD-Chef Gabriel ist als Gastredner geladen. Der Bundesvorstand setzt offensichtlich auf einen gemeinsamen Wahlkampf mit den Sozialdemokraten und will das auch ins Wahlprogramm schreiben. Doch es liegt ein Gegenantrag vor.
Die grüne Spitze versucht die Delegierten zum Beginn ihres Parteitags in Berlin mit Wortgewalt auf ihren Kurs einzuschwören: "Mit solchen korrupten Amigos wie dem Schmidt von der CSU koalieren wir nicht", sagt Spitzenkandidat Jürgen Trittin und spielt auf den zurückgetretenen bayerischen CSU-Fraktionschef Georg Schmid an, der seiner Frau aus Steuermitteln über Jahre ein reichliches Sekretärinnen-Gehalt gezahlt hat. "Wir sorgen dafür, dass sie abgewählt werden."
Der Spitzenkandidat für die Bundestagswahl macht zudem ganz deutlich, mit wem er nach dem 22. September regieren will - mit der SPD. "Die Menschen erwarten Klarheit von uns, mit wem wir den Grünen Wandel umsetzen", sagt er. Und als wäre das nicht Klarheit genug, untermauert die zweite Spitzenkandidatin, Katrin Göring-Eckardt, diese Worte. "Wenn es um die Inhalte geht, passt es am besten mit der SPD." Basta? Jein.
Der Bundesvorstand der Grünen ist in Berlin zwar einem peinlichen Rüffel entgangen. Die Debatten über Rot-Grün und Schwarz-Grün endgültig im Keim zu ersticken dürfte ihm aber noch nicht gelungen sein.
Ein Änderungsantrag von Realos wie dem bayerischen Landesvorsitzenden Dieter Janecek und dem Bundestagsabgeordneten Tom Koenigs scheiterte trotz einer überraschend hohen Zahl von Zustimmungen. Der Antrag sah vor, aus dem Präambel des Wahlprogramms das Bekenntnis zu streichen, gemeinsam mit der SPD für einen Regierungswechsel zu kämpfen.
Antragsteller Henrik Neumann sagte: "Wir sind nicht die Schwesterpartei der SPD." Er forderte die Delegierten auf, selbstsicher genug zu sein, um nicht bei jeder Gelegenheit die Nähe zur SPD betonen zu müssen. Hätte der Antrag Erfolg gehabt, wäre der geplante Auftritt von SPD-Parteichef Sigmar Gabriel am Samstag wohl in bedrückter Stimmung erfolgt. Doch eine deutliche Mehrheit der Delegierten sah es wie Trittin, Göring-Eckardt und auch Parteichef Cem Özdemir, der sagte, dass nichts falsch daran sei, die inhaltliche Nähe zur SPD auch zu benennen. Einen selbstbewussten eigenständigen Wahlkampf schließe das nicht aus.
Streit um Umverteilung steht noch aus
Im Wahlprogramm wird nun, wie vorgesehen, stehen: "Wir kämpfen in diesem Bundestagswahlkampf für starke Grüne in einer Regierungskoalition mit der SPD, weil wir in diesem Regierungsbündnis die besten Chancen sehen, den Grünen Wandel umzusetzen." Doch wirklich mehr Klarheit herrscht trotz dieser Entscheidung nicht: Es ist seit Monaten der Kurs der grünen Spitze, ihre Nähe zur SPD hervorzuheben und bei der Koalitionsaussage darauf zu beharren, dass die inhaltlichen Schnittmengen am Ende entscheiden. Doch in Umfragen reicht es schlicht nicht für Rot-Grün. Dazu, wozu sie bereit sind, wenn nur eine schwarz-grüne Koalition möglich sein sollte, äußerten sie sich trotz wiederholten Verbalattaken gegen Union und FDP bis heute nicht endgültig. Und das gilt wohl auch für Trittins Absage an Koalitionen mit Amigo-Politikern aus Bayern. Mit Schmid müssen die Grünen nach dessen Rücktritt als Fraktionschef schließlich kaum koalieren. Eine Reihe von Grünen forderte daher schon vor Monaten, auf einem Länderrat vor der Wahl Schwarz-Grün mit einem formellen Beschluss auszuschließen. Die Parteispitze ging noch nicht darauf ein.
Kein Wunder: Schließlich sagten 54 Prozent der Grünen-Wähler in einer Forsa-Umfrage für das Magazin "Stern" und RTL, dass sie im Zweifel ein Bündnis mit der Union befürworten wüden. Angesichts dieser Stimmung dürften in gewohnter Regelmäßigkeit also auch in den nächsten Monaten Realos wie Janecek, der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann oder der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer das Thema Schwarz-Grün wieder anstoßen.
Aber immerhin: Zumindest für diesen Parteitag dürfte hier Ruhe eingekehrt sein. Es gibt schließlich noch genug anderen Konfliktstoff zwischen eher linken Grünen und dem Realo-Flügel.
Bis die Delegierten am Sonntag das Wahlprogramm endgültig beschließen, dürfte noch ein Streit über den Steuerpolitischen Kurs der Partei entbrennen. Der Entwurf der Spitze für das Programm sieht vor, den Spitzensteuersatz ab einem Jahreseinkommen von 80.000 Euro von 42 auf 49 Prozent zu heben. Zudem soll eine auf zehn Jahre befristete Abgabe auf Vermögen ab einer Million Euro von 1,5 Prozent pro Jahr eingeführt werden. Langfristig steht auch eine Vermögenssteuer zur Debatte. Zu viel für Grüne wie Kretschmann. Er forderte in der "Süddeutschen Zeitung", der Wirtschaft "keine unzumutbaren Belastungen" aufzubürden. In einer Wahlperiode könne man nicht mehr als zwei zentrale Steuern erhöhen. "Das ist nicht so leicht umgesetzt wie in ein Parteiprogramm geschrieben". Der bayerische Landeschef Janecek sagte n-tv.de: "Wir legenWert darauf, dass wir den Mittelstand im Auge behalten." Von insgesamt 2600 Änderungsanträgen für das Wahlprogramm widmet sich eine Reihe auch diesen Umverteilungsplänen der Bundesspitze.
Quelle: ntv.de