Neuausrichtung gefordert Saleh: "Die SPD muss wieder träumen lernen"
09.05.2016, 11:37 Uhr
Raed Saleh mit der SPD-Generalsekretärin Katarina Barley, dem Regierunden Bürgermeister, Michael Müller und dem Ex-Landesvorsitzender, Jan Stöß.
(Foto: imago/Jens Jeske)
Miese Umfragewerte und eine aus dubioser Quelle vom Zaun gebrochene Debatte um den Parteivorsitz: Die SPD ist gerade mitten in den Chaostagen. Das ist in der Regel die Zeit der Positionspapiere. Nach Hamburg legt nun auch Berlin eines vor.
Die Berliner SPD fordert einen Kurswechsel der Sozialdemokratie. "Die SPD muss wieder lernen, zu träumen, damit sie wirklich etwas verändern kann", schreibt Fraktionschef Raed Saleh im "Tagesspiegel". Gehe die Partei nicht das Risiko ein, "dass man unsere Ideen für allzu visionär hält, dann gehen wir das Risiko ein, bedeutungslos zu werden". Dazu zählt für ihn, dass die SPD wieder die Anliegen der "kleinen Leute" vertritt.
Dem 38-Jährigen zufolge haben die etablierten Parteien ein Vermittlungsproblem. Es sei für die Menschen keine Selbstverständlichkeit mehr, sich mit ihren Sorgen und Anliegen an die Politik zu wenden. "Sie glauben uns nicht, dass wir ihnen zuhören, dass wir sie ernst nehmen, dass wir etwas ändern wollen und können. Das ist bitter für mich, für meine Partei."
Mit Blick auf das Erstarken rechter Kräfte in vielen Ländern Europas spricht Saleh von einem Scheideweg der Geschichte. Die aufgeklärten Gesellschaften müssten ihren Standort neu bestimmen. Seiner Erfahrung herrscht über "alle Lager, Schichten und Altersgruppen hinweg das Gefühl vor, dass die Mitte der Gesellschaft betrogen wird".
Erstmals seit Ende des Zweiten Weltkrieges sei der Glaube verloren gegangen, dass es der kommenden Generation - und damit den Kindern - einmal besser gehen werde. es sei das Gefühl entstanden, dass die "eigene Gesellschaft verletzlich durch die Konflikte und Widersprüche der Welt ist – aber zugleich der Einfluss und die Möglichkeiten zur Gestaltung sinken". Als einen der Gründe macht Saleh die Finanzkrise aus. Durch sie habe der neoliberale, globale Kapitalismus "seine Legitimität verloren und ist als Integrationsmodell gescheitert".
Saleh fordert Versöhnung
Als Lösung schlägt Saleh der SPD eine Politik vor, die auf die Versöhnung und das Miteinander der Gesellschaft setzt. "Dafür muss sie jenseits neoliberaler Logik und traditioneller Sachzwänge denken." Konkrete Themenfelder sind für ihn unter anderem eine gerechte Erbschaftssteuer, ein neuer Anlauf zur Bürgerversicherung, eine Pflegereform; die Rekommunalisierung der Daseinsvorsorge sowie eine faire Rente.
Saleh führt seit 2011 die Berliner SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus. 2012 hatte er zusammen mit Jan Stöß den damaligen Berliner SPD-Chef Michael Müller gestürzt. Alle drei hatten sich zudem um die Nachfolge von Klaus Wowereit als Regierunden Bürgermeister beworben. Müller setzte sich bei den Mitgliedern durch und regiert seitdem in der Hauptstadt. Erst vor wenigen Tagen holte sich Müller den Chefsessel der Berliner Sozialdemokraten zurück. Allerdings erhielt er nur knapp 82 Prozent der Stimmen.
Quelle: ntv.de, jwu