Politik

Riesige Rede in New York Sanders feuert volle Breitseite auf Hillary

Fast 30.000 Menschen strömten zum Washington Square Park im Greenwich Village.

Fast 30.000 Menschen strömten zum Washington Square Park im Greenwich Village.

(Foto: AP)

Kaum jemand glaubt noch, dass Bernie Sanders Hillary Clinton im US-Vorwahlkampf schlagen kann. Doch der 74-Jährige kämpft unverdrossen weiter. In New York wollen ihn fast 30.000 Menschen sehen. Er verspricht eine Revolution.

Bernie Sanders lässt auf sich warten. Rund 27.000 Menschen sind am Mittwochabend zum Washington Square Park in New York gekommen, um den 74-Jährigen reden zu hören. Um den Platz herum stehen sie stundenlang vor Absperrgittern Schlange. "Donald Trump, he smells like a dump", krakeelt ein kleiner Junge und bringt damit die Umstehenden zum Lachen. Darauf können sich alle einigen: Der verhasste Führende bei den Republikanern riecht nach Müll.

Kostenlose Bildung, Krankenversicherung für alle, faire Löhne - Sanders' Programm klingt europäisch.

Kostenlose Bildung, Krankenversicherung für alle, faire Löhne - Sanders' Programm klingt europäisch.

(Foto: dpa)

90 Prozent der Leute, die Sanders sehen wollen, sind jung, unter 30, sogenannte "Millennials". Sie tragen T-Shirts mit "Feel the Bern"- oder "Bern, baby, Bern"-Aufschrift, viele haben sich Bernie-Sticker und Bernie-Buttons angeheftet. Am frühen Abend taucht die Sonne die Gebäude rings herum in ein warmes Licht, auf den Dächern haben Sicherheitsleute Stellung bezogen. Hubschrauber kreisen über den Platz mit dem charakteristischen Triumphbogen. Direkt darunter soll Bernie Sanders sprechen.

Für den Senator aus Vermont und gebürtigen New Yorker ist diese Rede im Vorwahlkampf der Demokraten besonders wichtig. Am kommenden Dienstag wird in der größten Stadt der USA gewählt - verliert Sanders gegen Hillary Clinton, hat er kaum noch eine Chance, Kandidat der Partei zu werden. Schon jetzt sieht es schlecht für ihn aus, da die einstige Außenministerin klar in Führung liegt.

Sanders hat allerdings die letzten sieben Vorwahlen gewonnen. Vielleicht verschafft ihm das auch den nötigen Schwung für New York. Und wenn Hillary dort verliert, wäre das symbolisch ein Desaster. Schließlich war die einstige First Lady dort acht Jahre Senatorin und hat den Bundesstaat zu ihrer Basis erklärt. Der Ort ist gut gewählt. Dort hielt ein gewisser Barack Obama 2007 eine Rede, in der er gegen seine Gegnerin, ebenfalls Hillary Clinton, entscheidend punktete.

Marihuana-Geruch und Pop-Songs

Vor allem junge Leute folgen Bernie Sanders.

Vor allem junge Leute folgen Bernie Sanders.

(Foto: AP)

Als schließlich die Absperrgitter geöffnet werden, erhebt sich Jubel, endlich geht es los. Auf dem Platz ist die Stimmung ausgelassen, eher wie vor einem Rock-Konzert als vor einer politischen Rede. Passend dazu spielt die Band Vampire Weekend ein paar Songs, Marihuana-Geruch liegt in der Luft, die Leute jubeln auch, als nacheinander mehrere Vorredner ihre Ansprachen halten - darunter Promis wie der Schauspieler Tim Robbins und der Filmregisseur Spike Lee.

Um 20:21 Uhr ist es dann endlich so weit. Der Bruce-Springsteen-Song "We take care of our own" erklingt, Bernie Sanders tritt ans Rednerpult. Die meisten können ihn gar nicht sehen. Eine Tribüne versperrt die Sicht, doch als sie die Reibeisenstimme des grauhaarigen Mannes hören, bricht abermals Jubel aus. Sie zeigt diese Sturheit des Mannes, den seine Anhänger dafür lieben, dass er seit 50 Jahren das Gleiche sagt. Glaubwürdigkeit ist ein hohes Gut in Zeiten, in denen viele US-Amerikaner ein tiefes Misstrauen gegen ihre Politiker in Washington hegen. Viele haben das Gefühl, der amerikanische Traum ist ausgeträumt. Hart arbeiten und dann wird man es schon schaffen? Daran glaubt kaum noch jemand.

"Es geht hier nicht darum, einen Präsidenten zu wählen", sagt Sanders. "Es geht um eine Revolution!" Damit meint er aber keinen Umsturz, sondern vielmehr einen Richtungswechsel der US-amerikanischen Politik. Und der hört sich an wie das Programm einer sozialdemokratischen Partei in Europa. "Die Regierung muss für alle einen vernünftigen Lebensstandard sicherstellen", fordert er und zitiert seine Lieblingsstatistik. Die obersten 0,1 Prozent der US-Amerikaner besäßen fast genauso viel wie die unteren 90 Prozent. Er greift die Familie Walton heraus, die den Walmart-Konzern besitzt, eine große Kaufhauskette. "Sie besitzen ebenso viel wie 40 Prozent der Amerikaner, zahlen aber so geringe Löhne, dass viele ihrer Arbeiter auf Lebensmittelmarken angewiesen sind!" Buh-Rufe erheben sich im Publikum. Sanders verspricht, den Mindestlohn auf 15 Dollar anzuheben. "Wir lassen nicht zu, dass der amerikanische Traum stirbt!"

Investitionen für eine Billion Dollar

New York ist für Sanders ein Heimspiel, für Hillary Clinton allerdings auch.

New York ist für Sanders ein Heimspiel, für Hillary Clinton allerdings auch.

(Foto: dpa)

Vom Geld ist es nicht weit zur Wahlkampffinanzierung - dem Feld, auf dem er Hillary Clinton besonders vehement attackiert. Sie habe allein von der Wall Street 15 Millionen Dollar erhalten, schimpft der Senator aus Vermont. Er dagegen habe sieben Millionen Spenden in durchschnittlicher Höhe von 27 Dollar eingenommen. Dann attackiert er seine Konkurrentin für hochdotierte Reden, die sie etwa bei Goldman Sachs gehalten hat. 225.000 Dollar soll sie dafür jeweils kassiert haben. "Das müssen ja Reden in Shakespeare-Prosa gewesen sein", ätzt Sanders. "Reden, die alle Probleme der Welt lösen, wenn sie so viel wert sind." Allerdings sind die Manuskripte unter Verschluss - Sanders fordert Clinton auf, sie zu veröffentlichen.

Dann wirft er ihr vor, für alle Freihandelsabkommen gestimmt zu haben - während er stets dagegen war. "Man muss kein Raketenwissenschaftler sein, um zu wissen, was die großen Konzerne, Corporate America, damit erreichen wollten: Jobs ins billigere Ausland verlegen und die dort hergestellten Produkte zurück in die USA liefern!" In diesem Punkt liegt Sanders gar nicht so weit weg von den Tiraden eines Donald Trump, der den Freihandel ebenfalls als Jobvernichter geißelt. Die "New York Times", die offiziell Hillary Clinton unterstützt, hielt dagegen, dass dieser auch dazu führe, dass Produkte für die US-Konsumenten billiger werden.

Eine weitere verbale Ohrfeige verpasst Sanders seiner Konkurrentin beim Irak-Krieg. Sie war dafür, er dagegen. "Ich habe damals genau zugehört, was Präsident Bush und Vizepräsident Cheney sagten", so Sanders. "Und ich kam zu dem Schluss, dass sie nicht die Wahrheit sagen." Clinton wiederum habe den Angriff auf Saddam Hussein unterstützt. Viel mehr sagt er zur Außenpolitik nicht - bislang blieb er bei diesem Thema eher vage. Kein Wunder - was Sanders seit Jahrzehnten antreibt, sind die Verhältnisse im Inland.

Eine Spekulationssteuer für die Wall Street

Daher verspricht er lieber ein gigantisches Investitionsprogramm. "Statt den Irak und Afghanistan sollten wir lieber unsere verfallenden Innenstädte wieder aufbauen", ruft er den jubelnden Leuten zu. Mit der gigantischen Summe von 1000 Milliarden, einer Billion Dollar, will er die Infrastruktur des Landes wieder instandsetzen, die tatsächlich oft marode ist. 13 Millionen gut bezahlte Jobs entstünden so, sagt er. Finanzieren solle das die Wall Street mit einer Spekulations-Steuer.

Schließlich macht er eine Schmusetour für links schlagende Herzen. Öffentliche Unis und Colleges sollen gebührenfrei werden; Schwule, Lesben, Bisexuelle und Transgender-Leute sollten die gleichen Rechte wie Heterosexuelle bekommen; der Klimawandel müsse gestoppt, Drogensüchtige sollen behandelt und nicht kriminalisiert werden; Krankenversicherung sei ein Recht und kein Privileg.

Es ist kalt und dunkel geworden, als Sanders seine Rede beendet. Zum Abschluss ertönt der Song "Starman" des kürzlich verstorbenen David Bowie über die Lautsprecher. Es hieß, der Washington Square Park sei sein Lieblingsort in New York gewesen. Gewinnt Sanders am Dienstag wider Erwarten, dürfte er das bald ähnlich sehen.

Quelle: ntv.de

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