Politik

Obama entscheidet im Fall Bin Laden Leichenfotos bleiben geheim

Das US-Kabinett.

Das US-Kabinett.

(Foto: dpa)

Das Weiße Haus wird keine Fotos des getöteten Terroristenchefs Osama bin Laden veröffentlichen. Die Regierung hatte tagelang beraten, ob sie die Aufnahmen freigeben soll, um eine endgültigen Beweis für den Tod Bin Ladens zu liefern. Skeptiker gaben zu bedenken, dass die Bilder "zu grauenhaft" seien, um sie zu zeigen. Derweil rechtfertigt das US-Justizministerium die Tötung Bin Ladens als einen "Akt der nationalen Selbstverteidigung".

US-Präsident Barack Obama hat die Veröffentlichung von Bildern der Leiche des getöteten Al-Kaida-Chefs Osama bin Laden abgelehnt. Obama wolle die Aufnahmen nicht freigeben, sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Jay Carney, in Washington. Die Fotos würden ein "Risiko für die nationale Sicherheit" bedeuten. Seit Bekanntgabe der Tötung Bin Ladens hatten sich zahlreiche US-Politiker für eine Veröffentlichung der Bilder ausgesprochen. Zuletzt hatte auch CIA-Chef Leon Panetta angesichts der Spekulationen um den Tod von Bin Laden dafür plädiert, die Aufnahmen an die Medien zu geben. Carney hatte die Aufnahmen jedoch stets als "grauenvoll" beschrieben.

Obama im berühmten Oval Office. Ein typisches Foto vor wichtigen Entscheidungen.

Obama im berühmten Oval Office. Ein typisches Foto vor wichtigen Entscheidungen.

(Foto: dpa)

"Es ist sehr wichtig zu verhindern, dass fotografische Beweise als Mittel der Anstachelung (zu Gewalt) oder der Propaganda genutzt werden", sagte Obama laut Carney in einem Interview für CBS, das erst am Sonntag ausgestrahlt werden soll. "Das ist nicht unsere Art. Wir protzen nicht mit so etwas wie mit einer Trophäe", sagte Obama demnach. "Es besteht kein Zweifel daran, dass Osama tot ist. Es gibt sicher Zweifel unter Mitgliedern von Al-Kaida, dass er tot ist. Aber wir denken nicht, dass ein Foto daran etwas ändern würde." Eine Veröffentlichung der Fotos sei nicht im Interesse der nationalen Sicherheit, da diese als Ikonen für den Kampf gegen die USA verwendet werden könnten, zitierte der Sprecher weiter.

Auch eine der bekanntesten deutschen Islamwissenschaftlerinnen, Gudrun Krämer, warnte die US-Regierung vor der Veröffentlichung der  Bilder. Zweifler würden damit nicht überzeugt, und die Taliban bräuchten keine Bilder, die hätten andere Informationsquellen. Nach Einschätzung der Professorin würden sich die USA damit nur schaden, weil viele Muslime die Bilder als weiteren Beweis dafür werten würden, dass der Westen den Islam missachtet.

Auch Sicht des US-Justizministeriums war die Tötung Bin Ladens ein "Akt der nationalen Selbstverteidigung" und damit gerechtfertigt. Der Drahtzieher der Anschläge vom 11. September 2001 in den USA sei ein legitimes militärisches Ziel gewesen, sagte Justizminister Eric Holder vor dem Rechtsausschuss des Senats. Bei dem Kommandounternehmen am Sonntagabend in Pakistan habe es keinerlei Anzeichen dafür gegeben, dass sich der Islamistenführer habe ergeben wollen. Wenn bin Laden aufgegeben oder die Bereitschaft dazu gezeigt hätte, wäre das akzeptiert worden, beteuerte Holder.

Sawahiri rückt in Fahndungsliste auf

Sawahiri gilt schon länger als heimlicher Führer von Al-Kaida.

Sawahiri gilt schon länger als heimlicher Führer von Al-Kaida.

(Foto: dpa)

Panetta geht davon aus, das der Nachfolger Bin Ladens an der Spitze der Al-Kaida auch der neue Staatsfeind Nummer eins der USA sein wird. "Ich kann Ihnen versichern, dass wer auch immer seinen Platz einnimmt, auf unserer Liste die Nummer eins sein wird." Zu Bin Ladens , der als möglicher neuer Anführer der Al-Kaida gilt, sagte er: "Er rückt in unserer Liste (der Staatsfeinde) sehr schnell nach oben." Die noch ungeklärte Nachfolge gebe den USA nun aber noch Zeit, das Terrornetzwerk "im Durcheinander und in der Debatte" um seine neue Führung weiter anzugreifen.

Viele Daten aufgefunden

Bei der Kommandoaktion im pakistanischen Abbottabad hatten die US-Soldaten große Datenmengen aus dem gestürmten Anwesen mitgenommen. Laut CNN stellte das Sonderkommando zehn Festplatten, fünf Computer und mehr als hundert Speichermedien sicher. Von der Datenauswertung erhoffen sich die Geheimdienste Hinweise auf weitere hochrangige Mitglieder des Terrornetzwerks Al-Kaida sowie mögliche Anschlagspläne.

Das Gelände in Abbottabad entwickelt sich zur neuen Attraktion.

Das Gelände in Abbottabad entwickelt sich zur neuen Attraktion.

(Foto: AP)

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) geht davon aus, dass die Auswertung des sichergestellten Materials auch Deutschland bei der Terrorbekämpfung zugutekommen wird. "Keine Frage, dass wir davon profitieren werden", sagte Friedrich kurz vor Abschluss eines dreitägigen Besuches in Washington. Der Minister war in der US-Bundeshauptstadt mit einer Reihe führender Regierungspolitiker zusammengetroffen.

Die Stimmung in den USA nach dem Tod von Bin Laden beschrieb er als erleichtert, aber nicht euphorisch, wie es teils im Ausland rüberkomme. Friedrich sprach in diesem Zusammenhang von einer verzerrten Wahrnehmung. In den USA herrsche große Erleichterung, dass nun ein Kapitel abgeschlossen sei und dadurch zugleich der Blick für andere Bereiche der Politik frei werde.

Obama nicht live dabei

Im Fernsehsender PBS sagte Panetta, Obama habe die tödlichen Schüsse auf Bin Laden nicht live verfolgen können. Während der entscheidenden 20 bis 25 Minuten sei die Übertragung ins Lagezentrum des Weißen Hauses unterbrochen gewesen. Den Beginn der Kommandoaktion habe Obama in Echtzeit verfolgen können. Als die Spezialkräfte aber in das Anwesen eingedrungen seien, "wussten wir nicht wirklich, was passiert", sagte Panetta.

US-Vizepräsident Joe Biden zufolge waren 16 Kongressabgeordnete in das Wissen über den Aufenthaltsort Bin Ladens eingeweiht. Dennoch habe es nicht ein einziges Leck gegeben, sagte er vor Vertretern der Denkfabrik Atlantic Council. "Es gab den so überwältigenden Wunsch, die Mission zu vollenden."

USA über Sicherheit kurzfristig besorgt

Szene aus Indonesien.

Szene aus Indonesien.

(Foto: dpa)

Holder warnte vor terroristischen Gegenschlägen. Die Sicherheit der USA werde sich zwar auf lange Sicht verbessern, sagte er vor Abgeordneten des Senats. "Kurzfristig sind wir aber sehr besorgt", fügte er hinzu. Mit den obersten Sicherheitsbehörden habe er persönlich besprochen, welche Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit ergriffen werden sollten.

Pakistan wehrte sich derweil gegen Vorwürfe, es habe Bin Laden Unterschlupf gewährt. Sein Land trage nicht allein die Schuld an der jahrelangen vergeblichen Suche, sagte Regierungschef Yousuf Raza Gilani. NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen forderte von Pakistan mehr Anstrengungen im Kampf gegen den Terror.

Quelle: ntv.de, dpa

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