Politik

Geht Merkel das Risiko ein? Schavan spielt "alles oder nichts"

Lässt sich Merkel auf Schavans riskante Strategie ein?

Lässt sich Merkel auf Schavans riskante Strategie ein?

(Foto: picture alliance / dpa)

In ihrer Not verbindet Annette Schavan ihre politische Zukunft mit dem Urteil eines Gerichts. Dabei wirft sie ihr größtes Kapital in die Waagschale: Sie hofft, so beliebt zu sein, dass sie den Rücktrittsforderungen wird standhalten können. Wird die Kanzlerin sich darauf einlassen? Das Risiko ist hoch.

Annette Schavan ist eine Politikerin des angenehmeren Typs – nicht vorpreschend, sondern ruhig, sachorientiert und freundlich. Ihre Arbeit als Ministerin für Bildung und Forschung verrichtete sie bislang weitgehend geräuschlos und ohne Attitüde. Ihr bescheidenes Auftreten bildet einen wohltuenden Kontrast zum krawalligen Berliner Politikbetrieb. Darum schwingt auch etwas Mitleid mit, wenn die Spitzen der Opposition nun den Rücktritt der Ministerin fordern. Auch wird berücksichtigt, dass die Entscheidung über die Aberkennung ihres Titels nicht unumstritten ist. Dass sie nun in einer Reihe mit dem dreisten Plagiator Karl-Theodor zu Guttenberg steht, wirkt etwas übertrieben.

Als erfahrene Politikerin weiß Schavan um ihre Beliebtheit und glaubt nun, mit dem Spiel auf Zeit bis zur Bundestagwahl retten zu können. Gelingt es ihr, das angestrebte Gerichtsverfahren bis zur Wahl zu strecken, hat die Regierung ihr Gesicht gewahrt: Schavan würde nicht wieder für einen Regierungsposten nominiert und das Urteil wäre nur noch eine Randnotiz. Mit dieser Hängepartie würde Schavan ihrer Partei weniger schaden, als Guttenberg und Christian Wulff dies taten: Im Wahlkampf könnte die CDU immer darauf verweisen, dass in der Sache ja noch nicht das letzte Wort gesprochen sei. Über ein schwebendes Verfahren wird sich nicht geäußert – das ist schon jetzt die Sprachregelung, die sich in der Union durchgesetzt hat. Die Rücktrittsforderungen von Politikern, Wählern und Medien dürften gedämpft bleiben. Eine neue Ebene, eine Verschärfung des Skandals ist nicht zu erwarten.

Erfolg der Klage nicht zu erwarten

Und doch ist diese Strategie mit einem hohen Risiko behaftet: Denn fällt das Urteil nicht kurz nach, sondern kurz vor der Bundestagswahl, öffnet die Koalition eine Angriffsfläche zum ungünstigsten Zeitpunkt. In der heißen Wahlkampfphase würden die Herausforderer der Kanzlerin zu Recht vorwerfen können, vor einem klaren Schnitt zurückgeschreckt zu sein. In den letzten Wochen vor der Wahl würde auch ihre Beliebtheit Schavan nicht mehr schützen.

Dass die Ministerin vor Gericht mit ihrer Klage durchkommt, ist indes kaum zu erwarten. Der Präsident des Deutschen Hochschulverbandes, Bernhard Kempen, bescheinigt der Uni Düsseldorf, "sehr sorgfältig und außerordentlich korrekt" gearbeitet zu haben. Noch nie machte ein Gericht in Deutschland den Entzug eines Doktortitels rückgängig. Und selbst, wenn es dieses Mal anders käme: Beschädigt wäre Schavan auch nach einem gewonnenen Verfahren – denn dass ihre Arbeit höchst unsauber ist, bestreitet niemand.

"Volles Vertrauen" zu Jung, Guttenberg und Wulff

Wird Merkel das Risiko also eingehen und an Schavan festhalten? Ihr Sprecher sagt, Kanzlerin Angela Merkel habe "volles Vertrauen" in ihre Ministerin. Viel bedeutet das allerdings nicht. Auch Guttenberg stützte sie noch nach Bekanntwerden der massiven Plagiate. Dem damaligen Verteidigungsminister Franz-Josef Jung sprach sie noch einen Tag vor seinem Rücktritt ihr Vertrauen aus. Und auch hinter Wulff stellte sie sich, als schon vielen klar war, dass er als Bundespräsident kaum zu halten sein würde. Ob Annette Schavan nun wirklich Ministerin bleiben und vielleicht sogar bei der Wahl wieder antreten darf, ist darum noch längst nicht entschieden.

Zwar ist Merkel mit Schavan befreundet. Doch es sei immer die Strategie der Kanzlerin gewesen, im Wahlkampfjahr alle möglichen Angriffsflächen für die Opposition zu beseitigen, sagt der Politologe Gerd Langguth. Gemeint seien inhaltliche Angriffsflächen genauso wie personelle.

Quelle: ntv.de

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