De Maizière und die Hamsterkäufe Schlechtes Timing plagt den Innenminister
24.08.2016, 17:13 Uhr
De Maizière stellte sein Zivilschutzkonzept in einem Wasserwerk in Berlin vor.
(Foto: REUTERS)
Die Neuauflage des Zivilschutzkonzeptes ist nach den üblichen Verfahrenswegen verlaufen. Um den Vorwurf der Panikmache zu entkräften, reicht es für Innenminister de Maizière aber nicht, wenn er darauf verweist, dass alles war wie immer.
Der Innenminister ist um Sachlichkeit bemüht. Wenn alle sein neues 70-seitiges Konzept zur zivilen Verteidigung mit "klarem Blick" lesen würde, würden sie die "aufgeregte Debatte" der vergangenen Tage sicher schnell bereuen, sagt Thomas de Maizière bei der Präsentation des Papieres.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière sieht einen großangelegten Angriff auf die Stromversorgung in Deutschland als eine reale Gefahr an. Er könne sich vorstellen, dass es Gruppen, Staaten oder beides zusammen gebe, die angesichts der enormen Abhängigkeit von der Energieversorgung testen wollten, wie anpassungsfähig die deutsche Gesellschaft sei, sagte de Maizière. Auch der Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz, Christoph Unger, sagte: "Der langanhaltende, flächendeckende Stromausfall ist für uns die zentrale Herausforderung, der wir uns gegenübersehen."
In gewissem Maße hat er Recht. Über empfohlene Notrationen, die sich jeder für den Fall einer Katastrophe anlegen sollte, wurde in den sozialen Netzwerken unter dem Schlagwort "Hamsterkäufe" kräftig gewitzelt. Dabei sind die entsprechenden Empfehlungen in dem Papier weder neu noch sonderlich ausgefallen. Das Konzept sieht vor allem eine Aktualisierung längst bestehender Mechanismen und Handlungsanweisungen für den Fall der Fälle vor.
Ein Kritikpunkt dürfte vielleicht trotzdem haften bleiben. De Maizière stellt das Papier nach einer Serie von Anschlägen in Deutschland vor, zwei Wochen, nachdem er bereits ein Sicherheitskonzept präsentiert hat, und eine Woche, nachdem die Landesinnenminister es mit umstrittenen Forderungen wie einem Mini-Burka-Verbot ausgebaut haben.
Studien zufolge sind die Deutschen derzeit so verunsichert wie lange nicht. In dieser Stimmung auch noch ein neues Zivilschutzkonzept nachzulegen, dass zwar angesichts neuer infrastruktureller Schwachstellen wie moderner IT-Technik notwendig ist, das zugleich aber Maßnahmen für extrem abstrakt wirkende Bedrohungen liefert, wurde ihm als Panikmache ausgelegt. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sprach von einem völlig verfehlten Timing.
Eine Lose-Lose-Situation
De Maizière versucht sichtlich, die Vorwürfe zu entkräften: Völlig zu Recht sagt er, dass die Arbeit an der Aktualisierung des Zivilschutzes schon seit geraumer Zeit läuft, weil das alte Konzept bereits Mitte der 1990er Jahre entstanden ist, dass das Papier schon vor der Sommerpause und damit den jüngsten Anschlägen in Deutschland in die Ressortabstimmung gegangen ist. Es handele sich "mitnichten um die Reaktion auf irgendeine Bedrohungslage", so der Minister. Das Papier sei nun mal fertig und bereit für einen Kabinettsbeschluss gewesen.
Die Frage eines Journalisten, ob der Koalitionspartner die Ressortabstimmung angesichts der Bedenken zum Zeitpunkt der Präsentation nicht genutzt hätte, um auf eine Verschiebung zu drängen, scheint de Maizière für seine Beweisführung ziemlich gelegen zu kommen. "Nein", sagt der CDU-Politiker. "Das war eine ganz normale Ressortabstimmung."
Wirklich überzeugend ist das trotzdem nicht. Denn einen Profipolitiker sollte es nicht wundern, dass die SPD nicht eingeschritten ist. Es ist längst Wahlkampfzeit, und die Sozialdemokraten dürften sich geradezu darauf gefreut haben, den Innenminister wegen Panikmache an den Pranger stellen zu können.
De Maizière hätte das ahnen und die Veröffentlichung verschieben können. Dass er das nicht getan hat, hat vielleicht vor allem einen Grund. Innenminister sind oft in einer Situation, in der sie nur verlieren können. Hätte de Maizière den Kabinettsbeschluss des Papiers herausgezögert, und es wäre etwas passiert, hätte er das politisch wohl kaum überlebt. Ob ihm diese Gewissheit nach diversen früheren Kommunikationspannen ("Ein Teil dieser Antwort würde die Bevölkerung verunsichern") vor weiterem Imageschaden bewahrt, ist dennoch ungewiss.
Quelle: ntv.de