Erinnerungen an 2005 Schröder wollte sich nicht blutig reiten lassen
18.05.2015, 10:25 Uhr
(Foto: picture alliance / dpa)
Vor zehn Jahren tritt Kanzler Schröder vor die Presse und kündigt Neuwahlen an. Heute verteidigt er seine damalige Entscheidung – und gibt der SPD Tipps für den Aufschwung.
Gerhard Schröder macht es so öffentlichkeitswirksam, wie es eben geht: Um 20 Uhr, pünktlich zur Tagesschau, tritt der damalige Bundeskanzler an diesem 22. Mai 2005 vor die Presse. Die Sätze, die er vorträgt, treffen die Republik mit voller Wucht – weil niemand mit ihnen rechnet. Nach der heftigen Niederlage von Schröders SPD in Nordrhein-Westfalen sieht Schröder keine Grundlage mehr für die Fortsetzung seiner rot-grünen Bundesregierung. Er will Neuwahlen. Es ist der Anfang vom Ende seiner Kanzlerschaft.
Heute erinnert sich Schröder an die Ereignisse vor zehn Jahren. Er hält seine Entscheidung nach wie vor für richtig. "Hätten wir einfach weitergemacht, wäre das ohne maßgebliche Veränderungen an der Agenda 2010 nicht möglich gewesen", sagt er der "Bild"-Zeitung. Er habe die Agenda aber nicht ändern wollen. "So haben wir entschieden: Wenn wir weitermachen wollen, brauchen wir ein neues Mandat des Volkes. Wir wollten nicht in die Situation kommen, wo wir unter dem Sattel blutig geritten worden wären. Deswegen war der einzig vernünftige politische Ausweg, zu sagen: Dann kämpfen wir."
Schröder spricht auch über die damalige Nervosität in Partei und Fraktion, über die aufgebrauchten Gemeinsamkeiten zwischen SPD und Grünen. Ob es das wert war, wegen der Agenda 2010 abgewählt zu werden? "Das war es wert", sagt er. "Politische Führung heißt, dass man in bestimmten Situationen, wenn es das Interesse des Landes erfordert, mindestens das Risiko eingeht, auch Wahlen zu verlieren." Dieses Risiko sei er eingegangen, weil er gewusst habe, dass die Agenda 2010 im Interesse Deutschlands sei. Sein Fazit: "Das wäre ja nun auch fast gelungen, das kann man ja nicht ernsthaft bestreiten."
Schröder: SPD darf nicht Betriebsrat der Nation sein
Bei den vorgezogenen Neuwahlen im September 2005 erhielt die SPD 34,2 Prozent und damit knapp einen Prozentpunkt weniger als die Union. Die Sozialdemokraten konnten als Juniorpartner zwar weiter regieren, aber Schröder musste aus dem Kanzleramt ausziehen. Angela Merkel übernahm.
Zehn Jahre später steht die SPD weit schlechter da. Die Umfragen seien unbefriedigend und müssten besser werden, meint Schröder zu den Aussichten für die Wahl 2017. Sein Rat: Die Werte würden dann wieder besser, "wenn die SPD realisiert, dass sie nicht nur der Betriebsrat der Nation sein kann". Die Partei dürfe nicht nur in Verteilungskategorien denken, sondern müsste sich auch ökonomische Kompetenz aneignen, "die wir hatten und die sich mit der Agenda verbindet".
Das Interview mit dem Altkanzler führten die "Bild"-Journalisten Bela Anda und Rolf Kleine. Kleine war 2013 Sprecher des SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück, Anda war zwischen 2002 und 2005 Regierungssprecher von Schröder. Der ZDF-Moderator Thomas Walde twitterte dazu: "Treffen sich ein ehemaliger Kanzlersprecher, ein Kanzlerkandidatensprecher und ein Ex-Kanzler und spielen Interview."
Quelle: ntv.de, cro