Politik

SPD-Kandidat in der "Wahlarena" Schulz verspricht Neustart in der Pflege

In der "Wahlarena" stellte sich Schulz den Bürgerfragen.

In der "Wahlarena" stellte sich Schulz den Bürgerfragen.

(Foto: dpa)

Zum zweiten Mal innerhalb von einer Woche stellt sich Martin Schulz den Fragen der Bürger. Anders als bei "Klartext" versucht es der Kanzlerkandidat aber diesmal mit etwas mehr Distanz - und fordert eine monatliche Bürgersprechstunde für Kanzler.

Man weiß in diesen Tagen kurz vor der Wahl manchmal nicht so genau, ob die Zeit für oder gegen Martin Schulz arbeitet. Auf der einen Seite scheint die SPD mit jeder veröffentlichten Umfrage in ein neues Umfragetief zu stürzen, auf der anderen weiß fast die Hälfte der Wahlberechtigten immer noch nicht, welche Partei sie wählen soll - man sollte also meinen, dass es auf jeden der verbleibenden Tage bis zum 24. September ankommt, um noch so viele Menschen wie möglich für das Wahlprogramm der Sozialdemokraten zu begeistern. In der ARD-"Wahlarena" gibt der Kanzlerkandidat sein Bestes.

Natürlich sind die Themenfelder, die Schulz beackert, mittlerweile wie gute alte Bekannte: Jeder, der eine der vielen Wahlsendungen gesehen hat oder zumindest lose die Berichterstattung darüber verfolgt, weiß, wie der Kanzlerkandidat zu sozialer Gerechtigkeit, Integration und dem Dieselskandal steht - trotzdem wäre ein Fazit á la "Kennste eine, kennste alle" verkürzt. Gerade im direkten Kontakt mit den Bürgern ist es spannend zu sehen, wie Schulz sich schlägt. Und, so viel vorweg: Seine Vorstellung in der "Wahlarena" ist deutlich überzeugender als noch eine knappe Woche zuvor bei "Klartext, Herr Schulz!".

In der ähnlich aufgebauten ZDF-Sendung fiel der Kanzlerkandidat der SPD weniger durch inhaltliche Überzeugungsarbeit als vielmehr durch seine anbiedernde Art auf: Schulz rückte den Fragestellern eng auf die Pelle und versuchte, Bürgernähe durch persönliche Anekdoten oder örtliche Verbundenheit ("Stadt XY kenne ich sehr gut, da war ich letztens erst") aufzubauen. Das kam nicht gut an, weswegen sich der SPD-Politiker damit an diesem Abend weitgehend zurückhält - und nach einiger Zeit sogar ganz damit aufhört, als eine Frau ihm seine berüchtigte Einleitung vorweg nimmt: "Ich komme aus Solingen, da kennen Sie sich ja sicher gut aus."

Schulz will "Hunderte von Milliarden" in Nahverkehr investieren

Ebenjene Frau möchte von Schulz im Anschluss daran wissen, ob und wie der Kanzlerkandidat eine Verkehrswende weg vom Auto einläuten will. "Wer zum Beispiel in Würselen wohnt und in Köln zur Arbeit geht, der muss über die A4 und braucht dafür viel Zeit. Im Personennahverkehr mit der Bahn müssen wir deshalb deutlich stärker werden, weswegen wir in diesem Sektor viel investieren werden", antwortet Schulz. Eine genaue Zahl kann er nicht nennen, weil von den Kommunen über die Länder bis hin zum Bund alle beteiligt sind, aber: "Das sind sicher Hunderte von Milliarden in den nächsten Jahren." Eine enorm hohe Zahl, bei der man sich eine Nachfrage der Moderatoren wünschen würde - immerhin stellen bereits die 7,5 Milliarden Euro, welche die Deutsche Bahn im Jahr 2017 investiert, eine Rekordsumme dar.

Dafür ist allerdings keine Zeit, die Moderatoren reiten zusammen mit Schulz und den Zuschauern innerhalb von 75 Minuten mit Ausnahme der inneren Sicherheit durch so gut wie alle aktuellen Themen. Einer Mutter von sechs Kindern, die am Ende ihres Arbeitslebens mit 603 Euro auskommen müsse, verspricht Schulz: "Ein entscheidender Unterschied zwischen Angela Merkel und mir: Sie sagt Menschen wie ihnen, bei der Rente gibt es keinen Handlungsbedarf. Wir dagegen wollen ihren Rentenbescheid ändern." Der Kanzlerkandidat rechnet der Frau vor, dass die SPD bei einer erfolgreichen Wahl die Rente so reformieren würde, dass ihr statt 603 Euro 880 Euro blieben.

Besonders wichtig sind Schulz auch die Entwicklungen auf dem Immobilienmarkt: "In Städten wie Frankfurt, Köln, Berlin und Hamburg wohnen sich die Menschen arm. Wir wollen die Mietpreisbremse verschärfen, was übrigens von der Kanzlerin blockiert wurde. Eine schwarz-gelbe Koalition würde die Bremse sogar komplett abschaffen." Der Kanzlerkandidat verspricht im späteren Verlauf der Sendung außerdem eine umfassende Pflegereform: "Von Debatte zu Debatte wird die Diskussion um die Pflege immer intensiver. Das freut mich, denn seit sechs Monaten rede ich davon, dass sich Pflege wieder mehr lohnen muss. Ich werde als Kanzler einen Neustart in der Pflege beginnen: eine um 30 Prozent bessere Bezahlung, mehr Pflegeplätze und vor allem mehr Personal."

"Sowas müssten Bundeskanzler einmal im Monat machen"

All diese Forderungen bringt Schulz authentisch rüber, man glaubt dem Mann, dass er sich für die Menschen und ihre Probleme interessiert. Einer Frau, deren Mann wegen einer mittlerweile überwundenen Darmkrebserkrankung fast erwerbsunfähig wurde und der im Fall der Fälle mit einer absurd niedrigen Erwerbsminderungsrente abgespeist worden wäre, hat der Kanzlerkandidat zwar keine direkte Lösung anzubieten, verspricht aber, sich des Problems anzunehmen: "Wenn Sie sagen, den Politikern sind die Menschen egal: Mir sind Sie nicht egal." Die zuvor so ablehnende Frau lächelt, zumindest sie hat er für sich gewonnen - so einfach kann es manchmal sein.

Das Format macht Martin Schulz an diesem Abend sichtlich Spaß, am Ende der Sendung angelangt hat man das Gefühl, er könnte noch stundenlang weiter Fragen beantworten. Ein letzter Satz ist ihm deswegen auch besonders wichtig: "Sowas wie hier müssten Bundeskanzler einmal im Monat machen: Sich hinstellen und sich die Sorgen und Probleme der Menschen anhören." Auf Twitter wiederholt Schulz dann noch einmal, sich als Kanzler einmal pro Monat einer Bürgersprechstunde stellen zu wollen. Ob es dazu kommt, ist zwar weiterhin fraglich, um es mal vorsichtig zu formulieren - aber geschadet hat Schulz der Auftritt an diesem Abend bei der Verfolgung seines großen Zieles sicherlich nicht.

Quelle: ntv.de

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