Politik

"Es hat keine Entschuldigung gegeben" Schwarz-Gelb im Streit verhakt

Sind sie sich einmal einig ...

Sind sie sich einmal einig ...

(Foto: dpa)

Nichts geht mehr: Nach dem ergebnislosen Gipfeltreffen und dem Ärger von CSU-Chef Seehofer streitet die schwarz-gelbe Koalition über die Schuld am Kommunikationsdesaster. FDP-Chef Rösler behauptet, Merkel habe sich entschuldigt - die Kanzlerin lässt das umgehend dementieren. Ob und in welchem Maße nun Steuersenkungen kommen, ist wieder völlig offen.

Die schwarz-gelbe Bundesregierung streitet nach ihrem Spitzentreffen am Freitagabend nicht nur weiter heftig über die geplanten Steuersenkungen, sondern auch über den Ablauf des Koalitionsgipfels. In Regierungskreisen wurde entschieden zurückgewiesen, dass sich Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Steuerdebatte bei CSU-Chef Horst Seehofer entschuldigt habe. "Es gab keine Panne, und es gab keine Entschuldigung", hieß es zu Seehofers Kritik am Auftritt von FDP-Chef Philipp Rösler und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, der ohne Rücksprache mit der CSU stattgefunden hat.

In Regierungskreisen wurde der Darstellung widersprochen, die CDU-Vorsitzende habe im Koalitionsausschuss am Freitagabend die Verantwortung für eine Kommunikationspanne übernommen und sich bei Seehofer entschuldigt. "Es hat keine Entschuldigung gegeben", hieß es. Der Auftritt am Donnerstag sei eine ganz bewusste Entscheidung gewesen, zu dem die Kanzlerin stehe. "Dies war der Türöffner für eine breite Diskussion über die gewünschte steuerliche Entlastung der Bürger." Von einer Panne könne also keine Rede sein.

Rösler: Merkel nahm Schuld auf sich

... schießt der Dritte im schwarz-gelben Bunde quer.

... schießt der Dritte im schwarz-gelben Bunde quer.

(Foto: dpa)

CSU-Chef Seehofer hatte sich nach dem Auftritt Röslers und Schäubles massiv verärgert gezeigt und offen für einen anderen Weg der Entlastung plädiert, nämlich eine Senkung des Solidaritätszuschlags. Die Koalition will nun bis zum 6. November verschiedene Modelle zur Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen prüfen und dann nach Absprache mit den Unions-Ministerpräsidenten entscheiden.         

Von einer Entschuldigung Merkels sprach aber auch FDP-Chef Rösler. Der Wirtschaftsminister sagte der "Bild am Sonntag", Merkel habe "das Missverständnis in der Abstimmung mit Horst Seehofer auf ihre Kappe genommen". Das sei sicher mehr gewesen, als notwendig gewesen wäre, und habe die angespannte Situation entkrampft.

Unions-Fraktionsvize Michael Fuchs äußerte Verständnis für die Verärgerung Seehofers. Es sei nicht in Ordnung, wenn Seehofer über die Pläne von CDU und FDP nicht rechtzeitig informiert worden sei, sagte Fuchs im Deutschlandfunk. Zugleich gab er sich zuversichtlich, dass die CSU und ihr Vorsitzender Seehofer den Plänen zustimmen würden. Deutschland habe in diesem Jahr die höchsten Steuereinnahmen in seiner Geschichte gehabt, "da finde ich es angebracht, dass man denjenigen, die das erwirtschaften, auch etwas zurückgibt".

Alle Optionen offen

Bundeskanzlerin Merkel hält sich alle Optionen für die geplante Steuerentlastung offen. "Da ist kein Modell von Tisch, sondern alle liegen auf dem Tisch, inklusive der kalten Progression", sagte die Kanzlerin auf dem Bundesdelegiertentag der Frauen Union der CDU in Wiesbaden. Bei der kalten Progression etwas zu tun, sei ein "richtiger und guter Vorschlag", sagte sie. "Natürlich wollen wir, dass das, was wir wollen zum Schluss auch bei den Leuten ankommt", sagte Merkel. Deshalb müsse mit den Ministerpräsidenten gesprochen werden. Das sei am Freitag verabredet worden.

Die Zustimmung der Länder hat auch Seehofer zu Bedingung gemacht. "Mit mir wird es nur eine Steuerreform geben, die am Ende auch im Gesetzblatt stehen kann", sagte Seehofer nach Angaben von Teilnehmern. Damit dürften die Pläne von Rösler und Schäuble vom Tisch sein, weil für ihre Durchsetzung eine Zustimmung des Bundesrates nötig wäre. Dort haben Union und FDP keine Mehrheit mehr.           

Es wurde spät im Kanzleramt, einig wurde man sich nicht.

Es wurde spät im Kanzleramt, einig wurde man sich nicht.

(Foto: dpa)

Nach einem Bericht der "Wirtschaftswoche" lässt Schäuble daher eine Entlastung beim Solidaritätszuschlag um drei bis vier Milliarden Euro durchrechnen. Zwar solle der Steuersatz von 5,5 Prozent gleich bleiben, aber es solle die Freigrenze angehoben werden, ab der der Zuschlag erhoben wird. Dadurch würde die Entlastung allein niedrigen Einkommensbeziehern zugutekommen.

FDP-Chef Rösler bekräftigte noch einmal seine Forderung nach Entlastung der unteren und mittleren Einkommen. "Wir wollen vor allem, dass eine Entlastung in das Bundesgesetzblatt kommt, deswegen die Gespräche mit den Bundesländern", sagte der Wirtschaftsminister beim Bundeskongress der FDP-Nachwuchsorganisation Junge Liberale in Oldenburg. Er bewertete das Treffen der Koalitionsspitzen trotz der Missverständnisse positiv. "Die Stimmung war gut, wie man so sagt, freundschaftlich." Nachdem Bundeskanzlerin Merkel klargestellt habe, "dass das eine oder andere an Kommunikationsschwäche auf Seiten der Union zu finden ist", habe man zu den Sachfragen übergehen können.

Streit um Maut und Pflege

Auf dem Gipfel am Freitagabend standen neben den Steuersenkungen mit der Pflegereform und der Pkw-Maut noch zwei weitere Streitpunkte auf der Agenda. Zur Stärkung des Wachstums in Deutschland will die Koalition zusätzliche Investitionen in die Infrastruktur im Umfang von rund einer Milliarde Euro ermöglichen. Das Geld aus dem Bundeshaushalt soll etwa für den Straßenbau ausgegeben werden. Von Seiten der CSU seien eine Reihe von Pkw-Mautmodellen präsentiert worden, die aber erst ab 2014 oder 2015 greifen sollten. Dies sei aber sowohl in CDU und FDP auf Skepsis gestoßen, hieß es in Teilnehmerkreisen. Auch soll der Breitbandausbau in ländlichen Gebieten beschleunigt werden. Allerdings werde bei allen Maßnahmen darauf geachtet, dass die Schuldenbremse eingehalten werde.

Anders als von Fachpolitikern erhofft kam die Spitzenrunde auch bei der Pflegereform nicht voran. Streitpunkt zwischen den Parteien ist vor allem, wie die geplante Finanzrücklage aufgebaut werden soll. Einigkeit habe aber darüber geherrscht, dass die Leistungen der Pflegeversicherung - etwa für Demenzkranke - ausgeweitet werden sollten. Die Pflegereform gilt als ein wichtiges Projekt in der zweiten Hälfte der Wahlperiode. Auch im Streit über das von der CSU geforderte Betreuungsgeld für Eltern, die ihre Kinder zu Hause erziehen, kamen sich die Koalitionsspitzen nicht näher.     

SPD und Grüne kritisierten angesichts des andauernden Streits den Ausgang des Koalitionstreffens scharf. Dass der erste Koalitionsgipfel nach fast fünf Monaten ohne jedes Ergebnis geblieben sei, zeige, dass die Regierung nicht mehr regierungsfähig sei, erklärte SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sprach von einem Trauerspiel. "Schwarz-Gelb wurschtelt weiter vor sich hin, ohne Richtung, ohne Ziel, ohne Ergebnis", sagte Künast.

Quelle: ntv.de, dpa/rts/AFP

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