Harte Worte auf idyllischer Insel Schwedendemokraten heizen Stimmung an
14.05.2016, 18:28 Uhr
Mattias Karlsson ist Fraktionschef der Schwedendemokraten im Stockholmer Parlament.
(Foto: AP)
Schwedens Rechtspopulisten laden zum Frühlingstreffen. Neben Kuchen, Kaffee und Eis gibt es schwerverdauliche politische Kost. Aber viele Menschen langen trotzdem ordentlich zu.
Die kleine Stockholmer Insel Lângholmen ist eigentlich ein beschaulicher Ort: Viele Hauptstädter haben dort ihre Boote liegen, andere führen ihre Hunde aus, Familien genießen das Wochenende. Doch an diesem Samstag herrscht Unruhe in der Idylle - die Schwedendemokraten (SD) haben zum Vârtal (Frühlingsgespräch) geladen. Die Staatsmacht ist präsent, Polizisten sichern die Veranstaltung in einem Freilufttheater. Die Rechtspopulisten finden großen Anklang: Das rund 3500 Menschen fassende Theater ist fast bis auf den letzten Platz gefüllt. Viele halten Luftballons mit der blau-gelben Blume in der Hand.
Viele ältere Menschen sind zu sehen, auch Jugendliche befinden sich im "Friluftsteater". Ein ungefähr zwei Meter großer, sehr schlanker Endzwanziger mit streng gescheiteltem blondem Haar und hellbraunem Anzug ist mit seiner Frau - blond und mit Haardutt - gekommen. Er beklatscht jede Äußerung, die von der Bühne kommt. Auch an die Kinder ist gedacht: Es gibt an Ständen Eis und Süßigkeiten. Zudem gibt es Kaffee und Kuchen sowie Mineralwasser zu kaufen. Alkohol wird nicht gereicht.
Die derzeit drittstärkste Partei im schwedischen Reichstag bietet ihre Prominenz auf. Nur etwa drei Kilometer vom Globen entfernt, wo der Eurovision Song Contest (ESC) unter der Losung "Come Together" stattfindet, wird auf Lângholmen harte politische Kost serviert, die auf Spaltung setzt. Die Einwanderungs- und Migrantenproblematik steht ganz oben auf der Agenda des Treffens. Es fällt auch der Satz: "Das schwedische Boot ist voll."
Starker Beifall für rechte Parolen
Wie kann es sein, dass Menschen, die um ihr Leben bangen, von Deutschland oder Dänemark nach Schweden kommen, heizt der SD-Fraktionschef im Reichstag, Mattias Karlsson, die Stimmung an. Sie sollten gefälligst in anderen europäischen Staaten bleiben oder - wenn sie nicht aus Bürgerkriegsländern kommen - auf schnellstem Wege abgeschoben werden. Karlsson, der seinen Wahlkreis im südschwedischen Schonen hat, wo die Schwedendemokraten besonders stark sind, erntet kräftigen Beifall.
Auch SD-Generalsekretär Richard Jomshof spielt auf dieser Klaviatur. Die rechte Hand von Parteichef Jimmie Âkesson attackiert den politischen Stillstand in Schweden. Die rot-grüne Minderheitsregierung von Ministerpräsident Stefan Löfven betreibe eine bürgerferne Politik. Die Wirklichkeit in Schweden sei eine andere, so der sehr eloquente Jomshof. Die starke Einwanderungsquote belaste das Sozial- und Schulsystem, so der 46-Jährige, der ein Kind finnischer Einwanderer ist und früher den Nachnamen Lohikoski trug. Auch er bekommt starken Beifall, Jomshof hat die Zuschauer im Griff.
"Moderatorin" dieser Veranstaltung ist Paula Bieler. Die 28-Jährige hat polnische Wurzeln und ist Chefredakteurin des Parteiblatts "SD Kuriren". Sie lässt zeitweise ihre Moderatorenrolle beiseite und wirft sich gemeinsam mit Karlsson und Jomshof die Bälle zu. "Wir sind in den vergangenen Jahren sehr stark gewachsen", sagt Bieler: "Und wir werden weiter zulegen."
Blick auf Finnland und Norwegen
Eine Partei wird bei der Veranstaltung besonders attackiert, aber auch umworben: die konservativen Moderaterna (Moderaten). Vor allem Jomshof legt sich ins Zeug und arbeitet Gemeinsamkeiten von Moderaten und Schwedendemokraten heraus. Allerdings müsse sich Moderaten-Chefin Anna Kinberg Batra auf die SD zubewegen. Jomshof verweist darauf, dass die der SD nahestehenden Parteien in Finnland und Norwegen "erfolgreich" Regierungspolitik betrieben.
Die Rechtspopulisten sind in der komfortablen Lage, derzeit keine politische Verantwortung tragen zu müssen. Ihre derzeitigen Umfragewerte liegen weit über den 12,9 Prozent, die die Schwedendemokraten bei der Reichstagswahl 2014 erzielt hatten. Sie sind in einigen Umfragen sogar stärkste politische Kraft. Die SD tut vor allem den Moderaten weh, die viele Stimmen an die Âkesson-Truppe verloren hat.
Die beiden etablierten politischen Lager Schwedens, Rot-Grün auf der einen und bürgerliche Alliansen auf der anderen Seite, lehnen eine Zusammenarbeit mit der SD ab, die ihre politischen Wurzeln in der rechtsextremistischen und rassistischen Bewegung "Bewahrt Schweden schwedisch" hat. Zu Recht, denn Rudimente dieses Ungeistes sind auch auf Lângholmen zu spüren.
Dennoch werden die Schwedendemokraten ein wichtiger Faktor in der Politik des wichtigsten nordeuropäischen Landes bleiben. Âkesson und seine Mitstreiter wissen das und arbeiten hartnäckig für eine spätere Regierungsbeteiligung.
Quelle: ntv.de