Zeit läuft gegen Ermittler Separatisten weisen alle Vorwürfe zurück
19.07.2014, 16:24 Uhr
Immer mehr Leichen werden geborgen und in Säcken abtransportiert. Aber wer bestimmt, wohin sie gebracht werden?
(Foto: REUTERS)
Was genau auf dem Trümmerfeld in der Ostukraine gerade passiert, ist kaum zu kontrollieren. Expertenteams müssen sich erst verständigen, während vor Ort munter Leichen abtransportiert werden. OSZE-Mitarbeiter beklagen, sie würden von Separatisten an ihrer Arbeit gehindert. Die verwahren sich gegen die Vorwürfe.
Im Gebiet des Absturzes der Malaysia-Air-Maschine in der Ostukraine sind inzwischen rund zwei Drittel der Toten gefunden. Die Bergung von Leichen und Beweismaterial zu einem möglichen Abschuss der Maschine verläuft Berichten zufolge jedoch nicht besonders geordnet. Den Separatisten, die das Gebiet kontrollieren, wird vonseiten der OSZE und der ukrainischen Regierung vorgeworfen, die Arbeit massiv zu behindern.
Die Separatisten weisen das zurück. "Wir haben der OSZE zugesagt, weder die Flugschreiber zu entfernen noch Leichen abzutransportieren", sagte einer der Sprecher der Aufständischen in Donezk. Die Regierung in Kiew setze offenbar auf eine Verzögerungstaktik. "Die internationalen Experten sollen jetzt doch erst an diesem Sonntag zum Wrack kommen. Wertvolle Zeit geht verloren - Zeit, in der Spuren völlig zerstört sein können".
Auch Separatistenanführer Alexander Boradaj sicherte den Experten eine Zusammenarbeit zu. "Die Flugschreiber können zum Beispiel dem Internationalen Roten Kreuz übergeben werden, kein Problem", sagte Borodaj.
Journalisten wurde der Zugang zu dem weiträumigen Gelände verweigert, auf dem Leichen- und Trümmerteile der Maschine verstreut liegen. Die Berichterstattung ist dadurch erschwert, die Bezichtigungen gegen die Separatisten schwer nachprüfbar.
BKA-Fachleute auf dem Weg nach Kiew
Auch OSZE-Mitarbeiter beklagen, ihnen sei auch am zweiten Tag der Bergungsarbeiten der vollständige Zugang zur Absturzstelle verwehrt worden. Bewaffnete behinderten die Arbeit der etwa 20 OSZE-Vertreter, wie ein Sprecher mitteilte. Die Gruppe habe jedoch zumindest mehr Bewegungsfreiheit als am Vortag bekommen. Die OSZE-Mitarbeiter hätten beobachtet, wie Leichen von Unbekannten in Plastiksäcke gepackt und an den Straßenrand gebracht wurden.
Ein Team des Bundeskriminalamtes ist unterdessen auf dem Weg nach Kiew. Zwei Fachleute sollen bei der Bergung und Identifizierung der Opfer helfen. In Kiew wollen sich die beiden Deutschen mit einem größeren Team von Identifizierungsexperten aus den Niederlanden und voraussichtlich auch aus der Ukraine treffen und die Vorgehensweise besprechen. Die Lage sei recht unübersichtlich. Sowohl der genaue Einsatzort als auch die Führung der Mission müssten noch geklärt werden.
Zur Absturzursache oder zu einem Abschuss gibt es bisher keine neuen Erkenntnisse. Russland kritisierte Berichte über einen angeblichen Abschuss der Maschine als "voreilig". Damit sollten offenbar Ermittler beeinflusst werden, teilte das Außenministerium in Moskau mit.
Hinterbliebene wollen zur Unglücksstelle
Für die Angehörigen der Toten ist indes noch völlig unklar, wo und wann sie diese nach Hause überführen und beerdigen können. Ein Teil der Hinterbliebenen wartet am Flughafen Amsterdam-Schiphol auf den Abflug nach Kiew, um zum Absturzort zu reisen. Es sei aber "unklar", wann die Reise der Hinterbliebenen in das Konfliktgebiet starten könne, sagte eine Sprecherin von Malaysia Airlines. Eine Maschine stehe zum Abflug bereit, aber der Zugang zum Absturzort sei nicht geklärt.
Der Absturzort liege 500 Kilometer von Kiew entfernt, erläuterte die Sprecherin. "Wenn viele Menschen da hin wollen, ist ein großer Organisationsaufwand erforderlich." Eine konkrete Zahl der auf den Flug zum Unglücksort wartenden Hinterbliebenen wollte sie nicht nennen.
Malaysia Air spricht von "inakzeptabler Aggression"
Malaysias Transportminister hat unterdessen Medienberichte zurückgewiesen, das Flugzeug sei womöglich vom Kurs abgewichen. "Die Flugroute war so etwas wie eine Autobahn am Himmel", sagte Liow Toing Lai in Kuala Lumpur. "Es war eine Route, die die internationalen Luftfahrtbehörden festgelegt haben. ... Die Maschine ist nie in gesperrtem Luftraum geflogen", versicherte er. Alle Beteiligten hätten alle Regeln eingehalten. "Aber am Boden sind die Gepflogenheiten der Kriegsführung gebrochen worden. Es sieht so aus, als sei MH17 abgeschossen worden, ein inakzeptabler Akt der Aggression."
Malaysia sei sehr besorgt, weil die Absturzstelle noch nicht gesichert sei, sagte Liow. "Es gibt Anzeichen, dass wichtige Beweisstücke nicht mehr vor Ort sind", sagte er, wahrscheinlich mit Blick auf Medienberichte, dass die Blackbox der Maschine geborgen wurde. Liow sagte weiter, er werde persönlich nach Kiew reisen, um die Ermittlungen vor Ort zu begleiten.
Quelle: ntv.de, nsc/dpa/AFP