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Söder und Merkel Erst bekämpfte, dann bejubelte er sie - nun kriegt sie einen Orden

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Angela Merkel und Markus Söder mit dem bayerischen Kabinett am 14. Juli 2020 im Schloss Herrenchiemsee.

Angela Merkel und Markus Söder mit dem bayerischen Kabinett am 14. Juli 2020 im Schloss Herrenchiemsee.

(Foto: picture alliance/dpa/dpa/Pool)

Markus Söder und Angela Merkel verbindet eine lange, wechselvolle Geschichte. Heute verleiht der Ministerpräsident der Altkanzlerin den bayerischen Verdienstorden. Dabei hat er sich mal als Gegenmodell zu Merkel inszeniert.

Wenn der bayerische Ministerpräsident der ehemaligen Bundeskanzlerin an diesem Mittwoch den bayerischen Verdienstorden verleiht, dann treffen sich zwei, die eine sehr wechselvolle Geschichte verbindet. Sicher wird Markus Söder bei der Verleihung über die Verdienste von Angela Merkel sprechen - das ist nicht nur so üblich, das macht er schon seit Jahren. 2019 sagte er voraus, nach dem Ende ihrer Amtszeit "werden ihr viele nachtrauern".

Als es dann fast so weit war, sagte Söder, auch wegen der menschlichen Komponente sei er in der Zeit der Corona-Pandemie ein Fan der Kanzlerin geworden. "Den einen oder anderen Rat werde ich mir daher sicher auch in Zukunft noch von ihr holen." Im Dezember 2021 schrieb Söder bei Facebook: "Ihre Erfahrung, ihr Wissen und ihr Rat sind von unschätzbarem Wert. Wir werden sie sehr vermissen!" Merkel sei "eine große Politikerin und eine überragende Persönlichkeit", die Deutschland "erfolgreich durch viele Krisen gesteuert" habe.

Solche Sätze hatten natürlich auch einen taktischen Grund, das verheimlichte Söder auch gar nicht. "Merkel-Stimmen gibt es nur mit Merkel-Politik", verkündete er im Februar 2021 bei einem CSU-Aschermittwoch, bei dem er allein vor einem Körbchen Brezeln saß und in die Kamera sprach. "Wer die Stimmen von Angela Merkel möchte, der muss auch eine Politik machen, so wie sie sie gemacht hat", sagte er später noch einmal bei Markus Lanz.

Der alte Söder klang ganz anders

Das war der neue Söder, der alte hatte komplett anders geklungen. Im Streit zwischen CDU und CSU in der Flüchtlingspolitik, der 2018 fast zum Bruch der gemeinsamen Unionsfraktion führte, gehörte Söder noch zu den Scharfmachern aufseiten der Christsozialen: 2016, als bayerischer Finanzminister, warf er Merkel vor, mit einem "Sonderweg der offenen Grenzen" zur Spaltung Europas beigetragen zu haben. Nach den Terroranschlägen in Paris im November 2015 twitterte er, dieses Attentat ändere alles. "Wir dürfen keine illegale und unkontrollierte Zuwanderung zulassen". Mit solchen Sätzen inszenierte er sich als "Gegenmodell" zur Kanzlerin.

Ministerpräsident wurde Söder im März 2018, nachdem sein Vorgänger und Rivale Horst Seehofer - aus Söders Sicht: endlich - das Feld geräumt hatte. In Umfragen stand die CSU bei 43 Prozent. Aus damaliger Sicht kein guter Wert, denn 2013 hatten die Christsozialen mit 47,7 Prozent noch die absolute Mehrheit im bayerischen Landtag erreicht. Die drohte nun verloren zu gehen: Sieben Monate nach seinem Amtsantritt standen in Bayern Landtagswahlen an.

Für den beginnenden Wahlkampf setzte Söder zunächst auf Mehr vom Alten. Eine seiner ersten Amtshandlungen war der sogenannte Kreuzerlass, mit dem er die Behörden im Freistaat verpflichtete, im Eingangsbereich eines jeden Dienstgebäudes "als Ausdruck der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns gut sichtbar ein Kreuz anzubringen". In seiner ersten Regierungserklärung kündigt er den Aufbau einer "bayerischen Grenzpolizei" an. Den Wahlkampf wollte er ohne Hilfe der Bundeskanzlerin bestreiten. Im Juni wurde folgende Aussage Söders an die Medien durchgereicht: "Zu meiner Abschlusskundgebung kommt keine Bundeskanzlerin, sondern ein Bundeskanzler", also der damalige österreichische Regierungschef Sebastian Kurz.

Kurswechsel kurz vor der Wahl

Irgendwann dämmerte Söder allerdings, dass sein Kurs keinen Erfolg brachte, im Gegenteil: Die Umfragewerte für seine Partei wurden nicht besser, sondern schlechter, im Sommer war der CSU-Chef im RTL/ntv-Trendbarometer der unbeliebteste Ministerpräsident Deutschlands. Für Söder war dies eine politische Nahtoderfahrung. Drei Monate vor der Landtagswahl legte er eine dramatische 180-Grad-Wende hin: Söder entschuldigte sich für den Gebrauch des Wortes "Asyltourismus", das er noch im Juni (erstmals) verwendet hatte, im September verteidigte er gar Merkel gegen Attacken des FDP-Politikers Wolfgang Kubicki.

Merkel tritt während des Wahlkampfes dann doch noch an Söders Seite auf - und wird von ihm ausgerechnet für ihre Politik im europäischen Flüchtlingsstreit gelobt: Lösungsorientiert lasse sich etwas erreichen, "der aggressive Ansatz, da kann man nichts lösen", sagt er.

Später lässt Söder sich noch beim Bäume-Umarmen fotografieren und wirbt für eine schwarz-grüne Bundesregierung. Davon ist er mittlerweile abgekommen, im aktuellen Landtagswahlkampf setzt er auf eine Fortsetzung der Koalition mit den Freien Wählern und verwahrt sich gegen eine von den Grünen angeblich angestrebte "zwanghafte Veganisierung" und ein ebenso vermeintliches "zwanghaftes Gendern".

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Söder ist für sein ungewöhnlich hohes Maß an inhaltlicher Flexibilität bekannt; der Politologe Heinrich Oberreuter sagte einmal, Söder sei bereit, "situations-opportunistisch deutliche Positionen zu beziehen und damit auch bisherige Positionen zu wechseln"; der Kommunikationsberater Johannes Hillje erklärte kürzlich, Söder sei "dafür bekannt, seine Positionen so häufig zu wechseln wie sein Faschingskostüm". Mit Blick auf Merkel hat er seine öffentlich bekundete Meinung aber seit fünf Jahren nicht geändert. 2020 nutzte er die damalige Bundeskanzlerin sogar, um seine Chancen für die Kanzlerkandidatur zu verbessern: Er schipperte mit ihr zum Schloss Herrenchiemsee, wo prachtvolle Bilder von bayerischem Prunk und gesamtdeutscher Harmonie entstanden.

Der bayerische Verdienstorden wird verliehen "als Zeichen ehrender und dankbarer Anerkennung für hervorragende Verdienste um den Freistaat Bayern und das bayerische Volk". Die Kulisse am heutigen Mittwoch wird erneut passend sein, denn schöne Bilder kann man ja immer brauchen, vor allem im Landtagswahlkampf: Söder überreicht den Orden im Antiquarium der Münchner Residenz, einst Sitz der Könige von Bayern. Weitere Jubelarien dürften dort folgen.

Quelle: ntv.de

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