Neuverschuldung sinkt Sparvorschläge für Schäuble
03.06.2010, 08:20 Uhr
Jeden Tag hört Finanzminister Schäuble neue Sparvorschläge.
(Foto: dpa)
Inmitten der Debatte um Einsparmöglichkeiten im Bundeshaushalt zeichnet sich eine um bis zu 15 Milliarden niedrigere Neuverschuldung für dieses Jahr ab. Der Spardruck aber bleibt: Diskutiert werden eine Ausweitung der Lkw-Maut und eine Verkleinerung der Bundeswehr. Die Arbeitgeber fordern, vor allem bei Arbeitslosen und Hartz-IV-Empfängern zu sparen.
Vor der entscheidenden Sparklausur am Wochenende kann sich die schwarz-gelbe Koalition über eine gute Nachricht freuen: Auch dank der guten Entwicklung am Arbeitsmarkt rechnet die Bundesregierung in diesem Jahr mit einer geringeren Neuverschuldung. Sie werde sich auf "70 Milliarden Euro oder weniger" belaufen, berichtet die "Rheinische Post" aus Koalitionskreisen. Insgesamt könne die Nettokreditaufnahme des Bundes sogar um bis zu 15 Milliarden Euro geringer ausfallen als geplant.
Bei der Sparklausur am Sonntag und Montag im Kanzleramt will das Kabinett die Eckpunkte für den Haushalt 2011 und den mittelfristigen Finanzplan festzurren. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat bereits im Vorfeld Bildungsausgaben und auch die Renten für tabu erklärt.
Befürchtungen vor allzu heftigen Einschnitten war Finanzminister Wolfgang Schäuble bereits am Mittwoch entgegengetreten. Es gebe die Hoffnung, dass der Bund in diesem Jahr weniger neue Schulden machen müsse als die geplanten 80 Milliarden Euro. Unterdessen sind immer mehr Minister mit teils radikalen Kürzungsvorschlägen und Ideen für neue Einnahmequellen vorgeprescht.
Lkw-Maut ausweiten?
So soll Schäuble nach einem Bericht der "Financial Times Deutschland" bei einem Treffen mit den Parteichefs der Koalition eine Erhöhung des Solidaritätszuschlags von derzeit 5,5 Prozent auf 8 Prozent vorgeschlagen haben. CDU-Chefin Merkel, Guido Westerwelle (FDP) und Horst Seehofer (CSU) hätten das Vorhaben jedoch abgelehnt. Die 1991 eingeführte Sonderabgabe sollte helfen, die Kosten der deutschen Einheit zu stemmen. Allerdings ist die Verwendung der Mittel, die dem Bundeshaushalt zugute kommen, nicht zweckgebunden.
Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer denkt in seinem Ressort über einen Ausbau der Lkw-Maut nach. "Es gibt Vorschläge im Rahmen der Haushaltsverhandlungen, ob und wie man die Lkw-Maut ausweiten könnte", sagte der CSU-Politiker dem "Hamburger Abendblatt" . Entscheidungen seien aber noch nicht gefallen. Eine Pkw-Maut stehe zudem nicht zur Debatte. Allerdings sei es nötig, angesichts der knappen öffentlichen Kassen neue Finanzierungsquellen zu erschließen. Dabei denke er vor allem an weitere Projekte öffentlich-privater Partnerschaft, mit denen privates Kapital für den Bau und den Betrieb von Autobahnen mobilisiert werden könne.
Experte kritisiert Elterngeld
Die von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg ins Gespräch gebrachten massiven Kürzungen im Wehretat werden von der FDP unterstützt. Der CSU-Politiker liege richtig mit der Überlegung, die Personalstärke der Bundeswehr massiv zu reduzieren und die Wehrpflicht auszusetzen, sagte FDP-Generalsekretär Christian Lindner dem "Hamburger Abendblatt". Die Aussetzung der Wehrpflicht, die derzeit noch bei neun Monaten liegt, wäre nicht nur haushaltspolitisch sinnvoll, sondern auch sicherheitspolitisch richtig. Nach Medienberichten wird eine Reduzierung der Truppenstärke von derzeit 250.000 auf 150.000 Soldaten ausgelotet.
Um den Haushalt zu sanieren, wird vor allem auch über die Streichung von Subventionen nachgedacht. Experten begrüßen das. "Es gibt viele Subventionen, die weder vom Standpunkt der Effizienz noch vom Standpunkt der Gerechtigkeit zu rechtfertigen sind", sagte Finanzwissenschaftler Giacomo Corneo im Interview mit n-tv.de. Ein Beispiel sei das Elterngeld: "Ohne Elterngeld wäre unter sonst gleichen Bedingungen das Inlandsprodukt höher. Die Menschen würden ihre Zeit sinnvoller einteilen."
Hundt will bei Arbeitslosen kürzen
Die Arbeitgeber forderten unterdessen die Bundesregierung auf, die Ausgaben für Arbeitslose zu kürzen. "Auch die Arbeitsmarktpolitik kann und muss einen Beitrag leisten", sagte Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt der "Welt". Mittelfristig könnten mehr als sechs Milliarden Euro eingespart werden, ohne dass die Beschäftigungschancen von Arbeitslosen darunter litten. Sparen solle die Regierung auch bei den Hartz-IV-Empfängern. So solle der Zuschlag beim Übergang vom Arbeitslosengeld I zum Arbeitslosengeld II gestrichen werden.
Auch das höhere Arbeitslosengeld für Arbeitslose mit Kindern müsse gestrichen werden, fordert die BDA. Künftig soll das Arbeitslosengeld generell nur noch 60 Prozent des früheren Nettoeinkommens betragen. Familien bekommen heute 67 Prozent. Kürzen will Hundt auch bei den Arbeitslosen, die sich weiterbilden. Zeiten der Weiterbildung müssten auf das Arbeitslosengeld angerechnet werden. Dies könnte 500 Millionen Euro bringen. "Sinnlose und teure Maßnahmen gehören abgeschafft", sagte Hundt. Dazu zählte er auch Lohnzuschüsse für Arbeitgeber, die ihre Beschäftigten in eine Weiterbildungsmaßnahme schicken.
Der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH), Otto Kentzler, warnte in der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" derweil davor, die Binnenwirtschaft kaputt zu sparen. Die vorerst letzte Rezession am Binnenmarkt habe das Handwerk vor zehn Jahren durchgemacht, "mit hohen Beschäftigungsverlusten", fügte Kentzler hinzu. Zukunftsinvestitionen dürften nicht gekappt werden, auch nicht nach dem "Rasenmäherprinzip". Dazu zählte er Bildung und Forschung, aber auch Klimaschutz oder öffentliche Infrastruktur.
Quelle: ntv.de, tis/dpa