Affären bei der Bundeswehr Staatsanwalt: Kadettin nicht gezwungen
21.01.2011, 20:27 Uhr
Am Bug der Gorch Fock: ein gefährlicher Job.
(Foto: REUTERS)
Im Fall der tödlich verunglückten Gorch-Fock-Kadettin stellt die Staatsanwaltschaft klar, dass es keine Erkentnisse zu einer Zwangssituation gebe. Die Soldatin sei wohl nicht genötigt worden, in die Masten zu klettern. Verteidigungsminister Guttenberg verspricht dennoch weitere Aufklärung. Auch in den anderen Affären, bei denen ihm Verschleierung vorgeworfen wird.
Die auf dem Segelschulschiff "Gorch Fock" tödlich verunglückte Soldatin ist nach dem bisherigen Stand der Ermittlungen nicht unter Druck gesetzt worden. Der Kieler Oberstaatsanwalt Bernd Winterfeldt sagte im ZDF, die junge Frau sei keine Soldatin gewesen, die Druck benötigte, um in die Takelage zu klettern. "Wir haben nichts Derartiges festgestellt", sagte er.
Das Gegenteil sei der Fall, so der Oberstaatsanwalt: "Sie war eine hochmotivierte Offiziersanwärterin und eine erfahrene Marinesoldatin, schließlich hatte sie als Quereinsteigerin bereits eine Unteroffizierskarriere bei der Marine hinter sich und war bereits auf einer Fregatte zur See gefahren." Es liege der Staatsanwaltschaft kein Hinweis auf eine strafrechtliche Nötigungshandlung vor. Nach bisherigem Stand habe die Soldatin beim Runterklettern den Halt verloren, sagte Winterfeldt.
Die 25-jährige Marine-Soldatin war im November vergangenen Jahres aus der Takelage des Schiffes auf das Deck gestürzt. Sie starb kurz darauf an den Folgen des Unfalls. Bundeswehrsoldaten warfen den Ausbildern auf der "Gorch Fock" daraufhin massiven Druck bis hin zur Nötigung vor, wie aus einem Brief des Wehrbeauftragten Hellmut Königshaus (FDP) an den Verteidigungsausschuss des Bundestags hervorgeht. Nach dem Vorfall kam es zu Spannungen zwischen der Crew und der Schiffsführung, die vier der Offiziersanwärter der Meuterei beschuldigte. Die Eltern der Kadettin fordern nun eine erneute Untersuchung des Vorfalls.
Merkel unterstützt ihren Minister
Bundeskanzlerin Angela Merkel stellte sich derweil im Streit über die Informationspolitik der Bundeswehr demonstrativ vor ihren Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg. Die Verteidigungsexperten von Opposition und Koalition halten dagegen ihre Kritik aufrecht, Guttenberg habe das Parlament unzureichend etwa über den Tod eines Soldaten in Afghanistan und die anderen Vorfälle informiert. Der CSU-Politiker selbst wies jeden Vorwurf zurück, er oder die Bundeswehr hätten etwas vertuschen wollen.
Merkel sprach Guttenberg das Vertrauen aus. "Sie ist ganz sicher, dass dieser ausgezeichnete Verteidigungsminister, der seine Verantwortung gegenüber seinen Soldatinnen und Soldaten genauso ernst nimmt wie seine Verantwortung gegenüber dem Parlament und der Öffentlichkeit, genau diese Aufgabe auch erfüllt", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Merkel unterstütze Guttenberg bei der Aufklärung der Fälle.
Der SPD-Verteidigungspolitiker Rainer Arnold kritisierte nach einer Anhörung Guttenbergs durch die Obleute des Verteidigungsausschusses, der Minister habe die unzureichende Information des Bundestages über den Tod eines Soldaten in Afghanistan durch den Schuss aus der Waffe eines Kameraden gerechtfertigt. In der Unterrichtung für das Parlament habe es lediglich geheißen, der Soldat sei tot aufgefunden worden. "Der Minister ist der Meinung, 'aufgefunden' kann auch bedeuten, von einem Kamerad getötet worden zu sein", sagte Arnold. Dabei sei zunächst der Eindruck entstanden, an dem Tod des 21-Jährigen seien keine anderen Menschen beteiligt gewesen.

Wehrbeauftragter Königshaus: Er erfährt meistens als erster von den Problemen in der Truppe.
(Foto: dpa)
Auch der Grünen-Politiker Omid Nouripour warf Guttenberg eine zumindest verharmlosende Darstellung vor. "Der Mann entzieht sich komplett seiner politischen Führungsverantwortung." Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hellmut Königshaus (FDP), stellte infrage, ob die Detailinformationen über den Tod des Soldaten frühzeitig bekannt waren. Vor allem Oppositionspolitiker warfen Guttenberg vor, sein Ministerium nicht im Griff zu haben.
Guttenberg sagte im Bundestag, er verwahre sich gegen Vorwürfe, er habe das Parlament vorsätzlich getäuscht. "Solche Verdächtigungen sind infam." In Interviews erklärte der Minister, das Parlament sei frühzeitig darüber informiert worden, dass der Soldat durch die Waffe eines Kameraden starb. Er sicherte für alle Vorfälle eine lückenlose Aufklärung und gegebenenfalls auch harte Konsequenzen zu.
Guttenberg steht auch in der Kritik wegen der ungeklärten Öffnung von Feldpostbriefen. Auch hier werfen SPD und Grüne dem Minister vor, den Bundestag gar nicht oder nur schleppend zu informieren. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums sind bislang 20 Briefe bekannt, die geöffnet wurden. Betroffen davon seien 15 Soldaten. Der Sprecher wies darauf hin, dass die Post von einem afghanischen Unternehmen transportiert worden sei.
Quelle: ntv.de, rts/dpa/AFP