
Plasbergs Gäste, von links nach rechts: Norbert Walter-Borjans, Norbert Röttgen, Melanie Amann, Katrin Göring-Eckardt und Andreas Rödder.
Kurz vor der imaginären Halbzeitpause steht es schlecht um die Große Koalition: Die Bürger sind unzufrieden mit ihrer Arbeit, von außen wird heftig an ihrem Ende gebaggert - und von innen ist kaum Widerstand spürbar. Stürzt die GroKo nun über die Grundrente?
"Grottenschlecht" findet Friedrich Merz die Arbeit der aktuellen Bundesregierung. Der frühere Unionsfraktionschef sagte das in der vergangenen Woche zwar vor allem, um kurz vor dem Bundesparteitag der CDU den internen Machtkampf innerhalb der Partei wieder anzuheizen - seine Worte fallen aber auf fruchtbaren Boden: Zur imaginären Halbzeitpause der Großen Koalition ist das Regierungsbündnis aus Union und SPD so unbeliebt wie selten zuvor, die Fortsetzung bis zum Ende der Legislaturperiode alles andere als sicher. Bei "Hart aber fair" will Frank Plasberg deshalb wissen: "Grottenschlecht oder besser als ihr Ruf? Was taugt die GroKo wirklich?"
Zu Gast sind am Montagabend der Ex-NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD), die "Spiegel"-Journalistin Melanie Amann, die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt, der Geschichtsprofessor Andreas Rödder sowie Norbert Röttgen (CDU), der dem Auswärtigen Ausschuss des Bundestags vorsitzt.
"Rekordverdächtige Halbzeitbilanz"
Der CDU-Politiker war bislang nicht unbedingt als Merkel-Kritiker bekannt, zog aber kurz nach dem Vorstoß seines Parteikollegen Merz in der "New York Times" heftig nach: "Deutschland ist derzeit ein Totalausfall. Ich kann keine Europa-Politik erkennen, der Außenminister ist ein Ausfall, die Kanzlerin weiß das alles, aber unternimmt nichts. Es gibt keine Kompetenz und Energie mehr." Im deutschen Fernsehen schaltet Röttgen allerdings gleich wieder mehrere Gänge runter und erklärt wortreich und nicht unbedingt textsicher, warum seine Aussage ganz anders zu verstehen sei als die von Merz, dessen Negativ-Ton das Vertrauen in die Politik weiter schwäche. Und trotzdem: "Die GroKo erfüllt in wichtigen Bereichen ihre Aufgabe nicht."
Das sieht Norbert Walter-Borjans ähnlich, auch wenn der SPD-Politiker ausdrücklich nicht die Koalitionsarbeit an sich meint: "Wir haben 206 Maßnahmen umgesetzt, aber die Erwartungen sind nicht erfüllt." Insgesamt 296 Punkte umfasst die Liste der Wahlversprechen, auf die sich die GroKo Anfang 2018 im Koalitionsvertrag verständigte - 18 Monate später wurden also bereits zwei Drittel der Versprechen eingelöst, was laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung eine "rekordverdächtige Halbzeitbilanz" ist. Und trotzdem sind nur 32 Prozent der Bevölkerung mit der Arbeit der GroKo zufrieden.
"Die CDU hat sich einem dominanten rot-grünen Mainstream angepasst", sagt Andreas Rödder. Für den Historiker ist die gefühlte Austauschbarkeit der beiden Parteien einer der Hauptgründe für die anhaltende Unbeliebtheit. "Die Menschen wollen sehen, dass das Ganze wirklich einem Zukunftsentwurf entspricht, und das sehen sie gerade nicht", erklärt dagegen Walter-Borjans die Situation aus seiner Perspektive. Es werde zwar eine Aufgabe nach der anderen abgehakt, aber "aus den einzelnen Häkchen ergibt sich kein Gesamtbild." Trotzdem ist der 67-Jährige, der sich aus dem politischen Ruhestand heraus zusammen mit Saskia Esken um den SPD-Parteivorsitz bewirbt, nicht grundsätzlich für ein Ende der Großen Koalition.
Ist die GroKo noch zu kleben?
Das allerdings könnte nach Meinung von Melanie Amann kurz bevorstehen. Die Leiterin des Hauptstadtbüros des "Spiegel" hat ein ungewöhnliches, aber eindrückliches Bild für die Arbeit der GroKo parat: "Das Klimapaket war so etwas wie der letzte Rest Klebstoff, der aus der Tube kam." Irgendwann brauche es ganz einfach eine neue Tube. Falls der Bundesregierung bereits jetzt der Klebstoff ausgegangen sein sollte, käme das zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt: Die vereinbarte Grundrente ist ohnehin schon längst als mögliche Sollbruchstelle identifiziert worden, der aktuelle Streit um eine mögliche Bedürftigkeitsprüfung könnte der GroKo den Hals brechen.
"Eine Einigung in der Frage ist das Mindeste, was man von der Politik verlangen kann", findet Katrin Göring-Eckardt, die sich, wenn es um die Misere der beiden strauchelnden Volksparteien geht, ein süffisantes Lächeln nicht verkneifen kann. Der Grünen-Politikerin käme ein Fall der GroKo gar nicht so ungelegen, schließlich steht ihre Partei gerade bei über 20 Prozent. Für den Fall, dass sich SPD und Union mit der Grundrente nicht einigen können, glaubt Göring-Eckardt deshalb auch an Neuwahlen. Bis Weihnachten werden wir voraussichtlich wissen, wohin die Reise geht.
Quelle: ntv.de