Politik

Radikalisierung in Italien Straßenschlachten bestimmen Wahlkampf

Eine Kundgebung der Lega am Mailänder Domplatz

Eine Kundgebung der Lega am Mailänder Domplatz

(Foto: Andrea Affaticati)

Am 4. März wählen die Italiener ein neues Parlament. Das politische Klima ist angespannt. Fast täglich kommt es zu gewaltsamen Zusammenstößen von radikalen Gruppen. Die Parteien sind daran nicht ganz schuldlos.

Letztlich ging am Samstag noch einmal alles glimpflich aus. Mehr als 50.000 Menschen versammelten sich auf dem Mailänder Domplatz zu einer Wahlkundgebung von Matteo Salvini, dem Vorsitzenden der populistischen Lega. Keine 500 Meter weiter, vor dem Stadtschloss Castello Sforzesco, kamen die Rechtsextremen von Casa Pound zusammen. Und wieder ein paar Kilometer weiter demonstrierten ein paar hundert Jugendliche und Ältere, kommunistische Fahne schwenkend, gegen die Faschisten von Casa Pound. Die Sicherheitskräfte der lombardischen Metropole rückten in kompletter Kampfausrüstung aus.

Auch die Linken demonstrierten am Samstag in Mailand.

Auch die Linken demonstrierten am Samstag in Mailand.

(Foto: Andrea Affaticati)

Am Tag zuvor hatten bereits Linksradikale bei einer Kundgebung von Salvini in Pisa die Polizeikräfte mit Steinen, Flaschen und Holzstäben attackiert. Und da dieser Angriff nur einer von vielen landesweit gewesen war, befürchtete man, dies könne sich auch in Mailand wiederholen.

Tatsächlich versuchte am Samstag in Mailand eine Gruppe von Radikalen, die Polizeiblockade zu stürmen, um sich Richtung Zentrum zu bewegen. Dabei wurden auch ein paar Papierbomben gezündet. Der Versuch schlug jedoch fehl, und eine halbe Stunde später hatten sich die Gemüter wieder beruhigt.

In Palermo und Rom fanden am Samstag ebenfalls Großdemonstrationen statt und riefen die Sicherheitskräfte auf den Plan. In Rom waren insgesamt 5.350 Sicherheitskräfte von früh morgens im Einsatz, über der Ewigen Stadt kreisten die Hubschrauber. Sowohl in Rom wie auch in Palermo verlief aber alles friedlich.

Wie in den Bleiernen Jahren

Demonstranten protestieren in Rom gegen Ausbeutung und Rassismus.

Demonstranten protestieren in Rom gegen Ausbeutung und Rassismus.

(Foto: imago/Pacific Press Agency)

In Italien finden genau in einer Woche, am 4. März, Parlamentswahlen statt. Und der landesweit friedliche Verlauf der Demonstrationen am Samstag kann nicht über ein Klima hinwegtäuschen, das in den letzten Wochen immer angespannter geworden ist. Fast tagtäglich gibt es gewaltsame Zusammenstöße zwischen neofaschistischen und antifaschistischen Gruppierungen. Seit Anfang des Jahres wurden mehr als 70 Fälle gezählt. Zu den rabiatesten zählen in erster Linie die Linksextremen der Centri sociali und die Rechtsextremen von Casa Pound und Forza Nuova. Letztere haben sich nie vom Faschismus distanziert, im Gegenteil. Nichtsdestotrotz treten sie mit Kandidaten zu den Wahlen an.

So mancher Kommentator vergleicht das Klima dieser Tage im Land mit dem der "Anni di piombo", der "Bleiernen Jahre", als politische Gewalttaten zum Alltag gehörten. Nicht alle teilen diesen Vergleich, denn damals, in den 70er Jahren, war der Staat mit Links- und Rechtsterror konfrontiert. Tatsache ist aber, dass eine gefährliche politische Radikalisierung im Gang ist.

Vor einer Woche schlugen Linksextreme den Vorsitzenden von Forza Nuova in der sizilianischen Hauptstadt Palermo krankenhausreif. Am Tag darauf verletzten Neofaschisten einen Vertreter der linksradikalen Gruppe Potere al popolo mit einem Messer. In Rom wurde der Grabstein des 1978 von den Roten Brigaden ermordeten christdemokratischen Vorsitzenden Aldo Moro mit Hakenkreuzen geschändet. In Turin randalierten vor ein paar Tagen Linksextreme, um eine Demonstration von Casa Pound zu verhindern.

Faschisten gegen Antifa

Die einen verstehen ihre Gewalttaten als Kampf gegen die unkontrollierte Einwanderung. Die anderen sehen sich wiederum als Bollwerk gegen den "Polizeistaat", gegen die Einwanderungspolitik der Regierung.

Und die Parteien haben nur wenig zur Entspannung der Lage beigetragen. Bisher waren sie eher darauf aus, sich gegenseitig als Erzfeind darzustellen, anstatt mit konkret umsetzbaren Programmen den Wahlkampf zu bestimmen. Die einen verurteilen den aufkeimenden Faschismus, für die anderen ist der Faschismus seit Kriegsende mausetot.

Innenminister Marco Minniti, der sowohl den Rechts- wie auch den Linksextremen ein Dorn im Auge ist, hat die Sicherheitskräfte angewiesen, sofort und schonungslos einzugreifen. In der Tat fanden in den letzten Wochen zunehmend Festnahmen statt. Mag sein, dass deswegen am Samstag die Demonstrationen friedlich verlaufen sind. Ob das auch zu einer wirklichen Entspannung führen kann, darf aber bezweifelt werden.

Quelle: ntv.de

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