Gemischte Reaktionen zum Koalitionsvertrag "Substanzlos und feige"
27.11.2013, 21:41 Uhr
Von manchen unterstützt, von anderen abgelehnt: Der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD.
(Foto: imago stock&people)
Erwartungsgemäß kontrovers kommentieren Parteien und Verbände das Ergebnis der schwarz-roten Koalitionsverhandlungen. Es hagelt Kritik, gibt aber auch große Zustimmung zu dem Papier. Das erste Echo aus dem Ausland ist zurückhaltend, aber positiv.
Der Koalitionsvertrag ist vorläufig unterschrieben, die schwarz-roten Verhandlungen der sind vorbei. Die Reaktionen sind, wie zu erwarten war, unterschiedlich. Stimmen aus dem Ausland halten sich eher zurück und finden vor allem lobende Worte für das Papier.
Der italienische Regierungschef Enrico Letta äußerte sich zufrieden, vor allem mit Blick auf das nun absehbare Ende der Regierungsbildung: "Die Nachricht zu einem entscheidendenden Schritt vorwärts beim Programm der großen Koalition in Berlin scheint mir positiv, weil schon viel Zeit vergangenen ist und wir sobald wie möglich eine deutsche Regierung brauchen." Ein Sprecher des EU-Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso begrüßte die vereinbarte Koalition von Union und SPD. "Dies ist ein wichtiger Schritt", teilte er mit. Die EU-Behörde zeigte sich zudem erfreut über die "starke pro-europäische Dimension" der Koalitionsvereinbarung.
Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy sagte, das in Berlin erzielte Abkommen verleihe der Europäischen Union mehr Stabilität. Der Koalitionsvertrag sei "gut für Deutschland und gut für Europa", hob der konservative Regierungschef hervor. Er werde zur Bekämpfung der EU-Schuldenkrise und zur Förderung des Wachstums beitragen. "Wenn Europa etwas braucht, dann sind das stabile Regierungen, die für Sicherheit sorgen", fügte Rajoy an.
Frankreichs Präsident François Hollande lobte vor allem die in die Vereinbarung aufgenommenen Forderungen der SPD. Wichtig seien vor allem die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns, "den wir von Deutschland schon länger gefordert hatten", sowie die Leistungsverbesserungen für Rentner, sagte Hollande.
Lob und Kritik von Verbänden
Deutlicher - und kritischer - sind die Reaktionen in Deutschland. Der DGB-Vorsitzende Michael Sommer etwa sieht mit dem Koalitionsvertrag viele Verbesserungen für Arbeitnehmer erreicht. Die Tarifautonomie werde deutlich gestärkt. Bei der Rente gebe es erhebliche Fortschritte. Die Entscheidungen zum Mindestlohn, zur Leiharbeit und zu den Werkverträgen zeigten in die richtige Richtung, so Sommer.
Ulrich Grillo hingegen, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie, nennt den Koalitionsvertrag eine vertane Chance. "Er ist kein Masterplan für unser Land, das Signal ist Stillstand statt Aufbruch." Auch der Präsident des Industrie- und Handelskammertages, Eric Schweitzer, vermisst in dem Papier echte Reformen. "Es fehlt trotz sprudelnder Steuereinnahmen aber an Reformwillen, etwa in Sachen Steuervereinfachungen oder kalter Progression."
"Anschlag auf die Glaubwürdigkeit"
Scharfe Kritik an dem Vertrag zwischen CDU, CSU und SPD kommt aus den Reihen anderer Parteien. Der designierte FDP-Chef Christian Lindner sieht darin einen "Anschlag auf Deutschlands Glaubwürdigkeit in Europa". Von seinen europäischen Partnern erwarte Deutschland Solidität bei den Finanzen, verhalte sich nun aber selbst genau gegenteilig. Katja Kipping, Parteivorsitzende der Linken, spricht von einem "Koalitionsvertrag der unterlassenen Hilfeleistung". Das Papier sei sozialpolitisch substanzlos und gerechtigkeitspolitisch feige.
Die Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt wirft der SPD vor, in den Koalitionsverhandlungen klein beigegeben zu haben. Wo es strukturelle Veränderungen geben müsste, hätten die Sozialdemokraten am Ende den Schwanz eingezogen, sagte sie. Simone Peter, Vorsitzende der Grünen, bezweifelt, dass die schwarz-rote Koalition über die gesamte Legislaturperiode hält. "Beim Klimaschutz rollt die große Koalition die Fahne ein." Statt für kleine Leute etwas zu erreichen, würden große Vermögen gesichert.
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund hingegen zeigt sich zufrieden. Der Koalitionsvertrag greife die zentralen Belange der Kommunen auf, sagt Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg. Ein großer Teil der Vorhaben müsse "allerdings finanziell noch untersetzt werden."
Quelle: ntv.de, fma/dpa