Politik

Die neue Mauer Todesstoß für Schwarz-Grün

Die Kanzlerin hatte während ihrer "Energie-Reise" auch das AKW Lingen besucht.

Die Kanzlerin hatte während ihrer "Energie-Reise" auch das AKW Lingen besucht.

(Foto: picture alliance / dpa)

Hatte es nach einigen kommunalen schwarz-grünen Bündnissen und vor allem nach der Bildung der ersten Landesregierung von CDU und Grünen in Hamburg zarte Hoffnung für ein Zusammengehen auch auf Bundesebene gegeben, so ist sie nun wie eine Seifenblase zerplatzt. Dafür nehmen SPD und Grüne eine mögliche neue Koalition vehement in Angriff; Umfragen geben ihnen Recht.

Durch den Koalitionsbeschluss für längere Atomlaufzeiten ist nach Ansicht führender Grünen-Politiker ein schwarz-grünes Bündnis im Bund in weite Ferne gerückt. "Die CDU entfernt sich mit maximaler Geschwindigkeit von grünen Werten und grünen Grundsätzen", sagte Parteichefin Claudia Roth nach einer Klausurtagung des Parteivorstands in Düsseldorf.

Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Bärbel Höhn, sagte dem Berliner "Tagesspiegel", die Union habe mit dem Beschluss eine Mauer aufgebaut. "Die wussten genau, dass sie Schwarz-Grün bei einer Laufzeitverlängerung nicht kriegen, und haben es trotzdem gemacht. Damit ist ein Bündnis im Bund in ganz weite Ferne gerückt."

"Das wird die Kanzlerin noch bereuen"

Als Bundeskanzlerin und Skelette verkleidete Atomkraftgegner spielen vor dem Atomkraftwerk in Lingen "Atompoker".

Als Bundeskanzlerin und Skelette verkleidete Atomkraftgegner spielen vor dem Atomkraftwerk in Lingen "Atompoker".

(Foto: picture alliance / dpa)

Nach Einschätzung der Grünen-Fraktionschefin Renate Künast hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel "mit der Aufkündigung des Atomausstiegs einen gesellschaftlichen Großkonflikt aufgehalst". Dem "Spiegel" sagte Künast: "Das wird die Kanzlerin noch bereuen." Schwarz-Gelb habe rund um das Energiekonzept ein "Schauspiel" aufgeführt, "so entsteht Politikverdrossenheit. Dieses Land lässt sich nicht veräppeln."

Auch Künast distanzierte sich von der Idee eines schwarz-grünen Bündnisses: "So passen die nicht zu uns", sagte sie mit Blick auf die kommende Bundestagswahl. "Die Union zeigt damit, dass sie eine rückwärtsgewandte Partei ist". Die Fraktionschefin stellte klar: "Der Ausstieg aus der Atomenergie ist immer grüner Kern - das steht bei uns in der Geburtsurkunde." Eine grüne Regierungsbeteiligung 2013 "werde das Ziel haben, diese Atombeschlüsse rückgängig zu machen". Das verankert der Bundesvorstand auch in seiner in Düsseldorf verabschiedeten Erklärung.

Die Bundesregierung verlängere die AKW-Laufzeiten, obwohl es noch kein Endlager für Atommüll gebe. Das niedersächsische Gorleben sei dafür nicht geeignet, sagt Roth. Sie forderte eine unabhängige Suche nach einem möglichst sicheren Ort, um den verstrahlten Müll zu lagern. "Gorleben ist es sicher nicht."

Die Koalition unter Führung von Bundeskanzlerin Angela Merkel verspiele zudem die führende Position Deutschlands in der Nutzung erneuerbarer Energien.

Man sieht sich immer zweimal …

Parteichef Cem Özdemir drohte den großen Stromkonzernen mit zusätzlichen finanziellen Belastungen, falls die Grünen wieder an die Regierung kommen sollten. "Man sieht sich immer zweimal", sagte Özdemir. Eine andere Bundesregierung könnte das Instrument der Brennelementesteuer ausreizen. Auch eine Belastung der bisher steuerfreien Rückstellungen der Atomkonzerne sei möglich.

SPD und Grüne rücken zusammen

Dafür rücken nun SPD und Grüne wieder enger zusammen. Beide Parteien wollen in einer Kommission des Bundestags gemeinsam ein neues Wachstums- und Fortschrittskonzept formulieren. Damit solle ein Fundament geschaffen werden, auf dem künftige Regierungsparteien aufbauen könnten, kündigte SPD- Fraktionsvize Hubertus Heil bei der Vorstellung der Initiative an. "Es ist die Aufgabe der Opposition, sich auf die Regierung vorzubereiten", so Höhn.

Wähler-Umfragen geben ihnen Recht; Union und FDP liegen weit abgeschlagen hinter der Opposition, die mehrmals auf die absolute Mehrheit kam.

Keine "alten Zeiten", sondern "Blick nach vorn"

Beide Seiten betonten, es gehe nicht darum, die unveränderten Unterschiede etwa über die Industriepolitik zu verwischen. Man wolle auch nicht einfach an "alte Zeiten" aus der gemeinsamen rot-grünen Regierung nach 1998 anzuknüpfen. "Es geht um den Blick nach vorn", sagte Heil. Für die SPD bedeute dies "auch ein Stück der Aufarbeitung" ihrer eigenen Vergangenheit aus der Kanzlerzeit von Gerhard Schröder. Der Regierungswechsel 1998 sei nicht ausreichend vorbereitet gewesen. "Das fangen wir diesmal anders an", meinte der SPD-Politiker. Nach den Worten des Grünen-Politikers Fritz Kuhn ist die geplante Enquete-Kommission auch eine Einladung an die anderen Fraktionen, sich an der "Entideologisierung der bisherigen Wachstumspolitik" zu beteiligen.

Ziel der Arbeit sei die Entwicklung eines Leitbildes für neues Wirtschaften, das systematische Fehlentwicklungen verhindert und für breiten gesellschaftlichen Fortschritt sorge, heißt es in dem Einsetzungsbeschluss. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) dürfe nicht mehr wie bisher alleiniger Gradmesser von Wachstum sein.

Das Gremium soll im Herbst die Arbeit aufnehmen. SPD und Grüne können die Einsetzung mit ihren Stimmen im Plenum durchsetzen. Enquete-Kommissionen sind überfraktionelle Arbeitsgruppen, die zusammen mit Fachleuten langfristige Fragen lösen sollen.

Zentraler Protesttag am 18. September

Die Grünen haben auf ihrer Klausur in Düsseldorf zudem beschlossen, mit Massenkundgebungen gegen die Verlängerung der AKW-Laufzeiten anzugehen. Bürgerinitiativen, Verbände und Parteien seien zur Teilnahme an der zentralen Protestkundgebung am 18. September in Berlin und zu Protesten gegen die anstehenden Castor-Transporte aufgerufen, heißt es in einer in Düsseldorf verabschiedeten Erklärung des Grünen-Bundesvorstandes. Mit Protestaktionen und Demonstrationen sowie parlamentarischen und rechtlichen Mitteln solle die Verlängerung der Laufzeiten verhindert werden.

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Teil 1: Die Linke

Teil 2: Die FDP

Teil 3: Die Grünen
 

Quelle: ntv.de, rts/dpa

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