Politik

"Überlassen Sie den Rest mir" Trump wollte Justizministerium zum Lügen zwingen

Zugeschaltet war Trump nicht bei der Sitzung des Untersuchungsausschusses zum Kapitolsturm, vor Ort ebensowenig. Gezeigt wurden aber Ausschnitte aus Reden und Gesprächen.

Zugeschaltet war Trump nicht bei der Sitzung des Untersuchungsausschusses zum Kapitolsturm, vor Ort ebensowenig. Gezeigt wurden aber Ausschnitte aus Reden und Gesprächen.

(Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS)

Die Anhörungen zum Sturm auf das Kapitol sind für diesen Monat beendet. Nach fünf Sitzungen des Untersuchungsausschusses ist klar: Trump hat alles probiert, um an der Macht zu bleiben. Ein Zwischenfazit nach fünf Sitzungen.

Ein bisschen Hollywood-Flair liegt über dieser Veranstaltung im US-Repräsentantenhaus. Sogar der Schauspieler Sean Penn ist gekommen. Er will nur beobachten, sagt er den Journalisten im Vorbeigehen. Seinen Platz findet er neben Michael Fanone, einem der Polizisten, die beim Angriff auf das Kapitol in Washington am 6. Januar 2022 verletzt wurden und die - anders als Penn - bei jeder Sitzung des Untersuchungsausschusses als Gäste dabei sind. Im Verlauf der zweieinhalbstündigen Sitzung schüttelt Penn mehrfach den Kopf. Eine andere Reaktion lassen die Zeugenaussagen auch nicht zu - sie sind auch an diesem Tag entlarvend.

Im Fokus dieses Mal: Das Justizministerium. Donald Trump wollte es zu seinen Gunsten missbrauchen. Ein Stichwortzettel und die Schilderungen von Richard Donoghue, dem damaligen Vize-Justizminister, machen klar, was der Präsident vom Ministerium wollte: "Sagen Sie, die Wahl war korrupt und überlassen Sie den Rest mir und den republikanischen Kongressabgeordneten."

Eine andere Idee Trumps, die an diesem Tag öffentlich wird: Das Ministerium solle einen Brief an Regierungsbeamte des Bundesstaates Georgia verschicken, in dem auf angebliche Belege für Wahlbetrug hingewiesen und die Wahl dort zugunsten von Donald Trump erklärt wird. Joe Biden hatte diesen Bundesstaat mit nur ein paar Tausend Stimmen gewonnen.

"Bullshit"

Doch diejenigen, die damals im Justizministerium Verantwortung trugen, wollten all das nicht tun. Deswegen drohte Trump ihnen bei einer dramatischen Sitzung am 3. Januar 2021 im Weißen Haus, die komplette Führungsebene rauszuwerfen - nach nur wenigen Wochen im Amt. Denn all die Personen, die ihm an jenem Tag im Oval Office gegenübersaßen, waren nur dort, weil sein Justizminister William Barr kurz nach der Wahl hingeschmissen hatte. Weswegen? Er wollte Trumps Ideen vom Wahlbetrug nicht mittragen, bezeichnete sie als "Bullshit". Ein Video von der Befragung Barrs, das in einer der vorherigen Sitzungen gezeigt wurde, macht das deutlich.

Trump habe das Justizministerium unter Druck gesetzt, "als Arm seiner Wiederwahlkampagne zu agieren", sagte der Ausschussvorsitzende Bennie Thompson, ein Demokrat. "Er hoffte, dass die Strafverfolgungsbehörden seinen Lügen Legitimität verleihen würden, damit er und seine Verbündeten einen Anschein von Glaubwürdigkeit haben, wenn sie dem Land erzählen, dass die Wahl gestohlen wurde."

Selbst Ivanka Trump geht auf Distanz

Im gleichen Video wie Barr kommt Trumps Tochter Ivanka zu Wort, die sich klar von ihrem Vater distanziert. Sie glaube William Barr, dass es keine Belege für einen Wahlbetrug gibt, so ihre Zeugenaussage. Zu einem anderen Zeitpunkt der Sitzungsreihe wurde deutlich, dass Trump auch seinen eigenen Vizepräsidenten Mike Pence massiv unter Druck setzte. Er forderte den Republikaner auf, ihn zum Sieger der Wahl zu erklären.

Trump versuchte offenkundig alles, um im Amt zu bleiben. Engste Berater, Familienmitglieder - viele sagten ihm, es gibt keine Belege für Wahlbetrug. Er hörte nicht auf sie. Sogar Italien wollte Trump die Schuld an seiner Wahlschlappe geben. Dort seien per Satellit die Wahlcomputer so manipuliert worden, dass Trump-Stimmen für Biden gewertet worden seien. Ein hochrangiger Beamter aus dem Verteidigungsministerium musste in Rom anrufen und dieser Verschwörungstheorie nachgehen. Es ist einer der Momente, in denen bei der Anhörung am Donnerstag kurzes Gelächter im Saal ausbricht.

"Trump war bereit, unsere Republik zu opfern"

Allerdings ist ganz und gar nicht zum Lachen, was der Untersuchungsausschuss der amerikanischen Öffentlichkeit bisher präsentiert hat. Zeugenaussagen, Videobelege und E-Mails zeigen, dass Donald Trump mit der Macht des Präsidentenamtes Druck ausgeübt hat - auf Regierungsmitarbeiter und Ministerien, selbst vor Wahlhelfern schreckte der 45. Präsident der Vereinigten Staaten nicht zurück. Ruby Freeman aus Georgia ist eine solche Wahlhelferin. Trump machte sie persönlich für die "gestohlene Wahl" mitverantwortlich, sie wurde zum Sündenbock und schwer angefeindet von Trump-Anhängern. Seither fühle sie sich nirgendwo mehr sicher, sagte sie vor dem Ausschuss.

Nach den bisherigen Erkenntnissen des Ausschusses und den Aussagen der Zeugen wusste Trump, dass all seine Theorien über Wahlbetrug nichts als Lügen sind. "Er war bereit, unsere Republik zu opfern, um seine Präsidentschaft zu verlängern", sagte der republikanische Abgeordnete Adam Kinzinger, der die Befragung am Donnerstag leitete. Der Ausschuss kündigte an, dass die Untersuchung weitergehen wird, es gebe noch mehr Material. Mitte Juli soll es so weit sein.

Doch die wichtigste Frage bleibt offen: Was kann dieser Untersuchungsausschuss ändern? Gerade erst hat die Führung der republikanischen Partei in Texas erklärt, dass sie die Wahl von Joe Biden als illegitim ansieht, in Washington ist ein Mann wie Kinzinger in seiner eigenen Partei isoliert. Nach einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov für den "Economist" glauben nur 25 Prozent der republikanischen Anhänger, dass Biden rechtmäßig im Amt ist. Trumps Lüge, ihm sei die Wahl "gestohlen" worden, hängen noch viele Millionen Amerikaner an.

Im November stehen Kongresswahlen an. Es ist die erste landesweite Abstimmung in den USA nach dem 6. Januar 2021, dem Sturm auf das Kapitol in Washington.

Quelle: ntv.de

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