Politik

"FryTheRice" für 2024 Trumps Rachefeldzug fordert erstes Opfer

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"Die rachsüchtigste Person, die ich kenne", sagt Tom Rice über Ex-US-Präsident Donald Trump.

(Foto: REUTERS)

Zehn Abgeordnete aus den eigenen Reihen stimmten für ein Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump. Nun bekommt einer von ihnen die Rache des Ex-US-Präsidenten zu spüren: Er wird sein Mandat abgeben müssen. Aber es geht um viel mehr.

Es dauerte fast eineinhalb Jahre, aber einen kleinen Teil seiner Rache hat er bekommen. Ex-Präsident Donald Trump sägte vor wenigen Tagen einen seiner größten parteiinternen Kritiker ab. Der Republikaner Tom Rice sitzt als Abgeordneter für seinen Wahlkreis in South Carolina im Repräsentantenhaus. Noch. Er müsste sich bei den midterm elections im November zur Wiederwahl stellen, wie die weiteren 434 Abgeordneten alle zwei Jahre. Fünfmal in Folge gewann Rice. Nun verlor er seine Vorwahl gegen einen von Trump unterstützten Kandidaten, Russell Fry aus dem rechten Parteiflügel.

Wegen Anstachelung zum Aufstand des 6. Januar 2021 hatte eine Mehrheit im Repräsentantenhaus für die Eröffnung eines Amtsenthebungsverfahrens gegen Trump gestimmt. Darunter waren auch zehn Republikaner. Tom Rice war einer von ihnen, und vielleicht der überraschendste. Der inzwischen 64-Jährige hatte sich zuvor nicht als Kritiker Trumps hervorgetan, sondern konsequent für alle Projekte des Präsidenten gestimmt. Nach dem Kapitolsturm war es mit seiner Treue vorbei. "Ich würde es morgen wieder tun", sagte Rice etwa über seine Stimme gegen Trump. Es gehe um die Verfassung, auf die er geschworen habe.

Rice ist bereits der dritte Abtrünnige, den der Ex-Präsident loswerden wird. Anthony Gonzalez aus Ohio und Adam Kinzinger aus Illinois treten ebenfalls nicht wieder an. Kinzinger ist in seiner sechsten Wahlperiode, sitzt auch im Untersuchungsausschuss zum 6. Januar und wird von Republikanern und sogar eigenen Verwandten angefeindet. "Zwei erledigt, fehlen noch acht!", freute sich Trump nach den entsprechenden Ankündigungen.

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Einer der zehn abtrünnigen Republikaner im Repräsentantenhaus: Tom Rice.

(Foto: AP)

Es geht aber nicht allein um lauwarme Wahlkampfsprüche und Rache unter Republikanern. Sondern auch darum, wie 2024 der nächste Präsident gewählt werden wird. Sehr vieles deutet darauf hin, dass sich Trump erneut um die Kandidatur für die Republikaner bewirbt. Eine Vorstufe dafür sind die nahenden Kongresswahlen im November. Dabei werden die Republikaner den Demokraten aller Voraussicht nach die Mehrheit in mindestens einer Parlamentskammer abnehmen.

Um dafür die Kandidaten festzulegen, finden derzeit die Vorwahlen in den Bundesstaaten statt, etwa die Hälfte davon sind absolviert. Ebenfalls bestimmt werden dabei Kandidaten für 39 Gouverneursposten, was in etwa den deutschen Ministerpräsidenten der Bundesländer entspricht, und auch die von Staatssekretären und Oberstaatsanwälten. Und die entscheiden unter anderem mit, wie in ihren Bundesstaaten Wahlen abgehalten und zertifiziert werden.

Auch in umkämpften Bundesstaaten, sogenannte battlegrounds wie Michigan, Pennsylvania und Nevada, werden solche Ämter neu vergeben. Dutzende Kandidaten haben ihren Wahlkampf damit bestritten, dass sie den Sieg von Präsident Joe Biden 2020 öffentlich anzweifeln. Je mehr Politiker aus dem Trump-treuen rechten Parteiflügel in Ämter kommen, desto wahrscheinlicher werden auch weitere Entwicklungen in dessen Sinne.

Der Supreme Court in Washington könnte den kommenden Amtsinhabern sogar noch weitere Macht zugestehen. Derzeit erwägt der konservativ dominierte Oberste Gerichtshof, ob er einen Fall verhandelt, der mit einem Präzedenzurteil für Präsidentschafts- und Kongresswahlen enden könnte. Es geht darum, wer welche Regeln dafür bestimmen darf, wie Wahlen durchgeführt werden. Die jeweilige Regierung oder die Justiz? "Der 800-Pfund-Gorrilla der Wahlrechtsfälle", nennt ihn ein Rechtswissenschaftler der Universität von Kalifornien laut "New York Times".

Im extremsten Fall könnten nicht nur alle Bundesstaaten die Wahlen nach dem Gusto ihrer jeweiligen Regierung durchführen lassen. Darüber hinaus könnte der Supreme Court sich sogar selbst die Kompetenz zusprechen, eine Wahl für ungültig zu erklären, sollte der Wählerschutz über den von der Verfassung garantierten hinausgehen.

Mängelbehaftetes Wahlrecht

Der Wahlrechtsschutz wird seit Jahren löchriger. Den vorläufig entscheidenden Streich führte der Supreme Court im Jahr 2013, als er den "Voting Rights Act" zähmte. Darauf hingearbeitet hatten die Republikaner. Seit der Bürgerrechtsbewegung 1965 galt in den USA auf der Basis dieses Gesetzes jahrzehntelang, dass Wahlrechtsänderungen in einer festgelegten Liste von Bundesstaaten und Wahlkreisen vom Justizministerium in Washington abgesegnet werden mussten. So sollte Diskriminierung bestimmter Wählergruppen - vor allem Schwarzer - verhindert werden.

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Trumps Gegenkandidat Russell Fry

(Foto: AP)

Dazu gehörten insbesondere südliche Bundesstaaten, wo der schwarze Bevölkerungsanteil besonders auf rassistisch motivierte Wahlunterdrückung zurückblickt: Alabama, Georgia, Louisiana, Mississippi, South Carolina. Auch Arizona stand auf der Liste. Das Gesetz verbot Diskriminierung bei Wahlen im Allgemeinen und ist weiterhin in Kraft. Doch der Oberste Gerichtshof strich die Liste der Staaten und Wahlkreise. Die müssen seither Änderungen nicht mehr genehmigen lassen. Sie können Wahlrechtsänderungen wie jedes andere Gesetz verabschieden. Bis mögliche Beanstandungen auf dem juristischen Weg zu einem Urteil führen.

Seither sind vor allem in von Republikanern regierten Bundesstaaten neue Einschränkungen eingeführt worden. Die sind vielfältig und kreativ, reichen je nach Bundesstaat von neuen Auflagen für die Briefwahl, weniger Wahllokalen in Gegenden mit vielen registrierten Wählern der Demokraten, über Öffnungszeiten zur Kernarbeitszeit bis hin zu einem Verbot, Wasser unter teils mehrere Stunden anstehenden Wählern zu verteilen. Ziehen Wahlrechtsaktivisten dagegen vor Gericht, können sie am Ende vor dem Supreme Court landen. Viel Mut dürfte ihnen das nicht machen: Der Oberste Gerichtshof wies etwa im vergangenen Jahr eine entsprechende Klage aus Arizona ab.

Als Kandidaten für den Staatssekretärsposten in Nevada haben die Republikaner etwa Jim Marchant nominiert, ein Wahlergebnisleugner und Organisator einer Trump-treuen Koalition verschiedener Kandidaten. "Eure Stimme ist seit Jahrzehnten nicht gezählt worden", hat er der "New York Times" zufolge vor ein paar Monaten zu Wählern gesagt. Gouverneur des Bundesstaates Pennsylvania soll nach dem Willen der dortigen Republikaner Doug Mastriano werden. Mastriano hatte sich für die Annullierung der Präsidentschaftswahlergebnisse 2020 eingesetzt.

Im Repräsentantenhaus votierten im Januar 2021 sogar 139 der 221 Republikaner dafür, im Senat 8 von 51. Von jenen 139 Abgeordneten und Senatoren sind bereits mindestens 72 wieder für die Wahl im November nominiert. Auf der niedrigeren Bundesstaatsebene ist Trumps Flügel ebenfalls präsent: In Georgia, Pennsylvania, North Carolina und Texas werden insgesamt 157 Politiker auf den Wahlzetteln stehen, die etwas gegen das Wahlergebnis von 2020 unternahmen. Dies heißt weder zwingend, dass sie Erfolg haben werden, noch, dass sie danach ihre Finger ans Wahlrecht legen. Aber die Zahlen zeigen, inwieweit Trump die Partei im Griff hatte und hat. Rice' Vorwahlniederlage in South Carolina nach fünf Wahlsiegen in Folge ist ein weiterer Beleg.

Als "Verräter" beschimpft

Laut eigener Aussage kann der Noch-Abgeordnete den 6. Januar schlicht nicht vergessen. Als die Demonstranten das Gebäude stürmten, befand Rice sich im Plenarsaal, in den die Menge versuchte, einzudringen. Die Politiker wurden weggebracht, auf dem Weg sah er blutbefleckte Sicherheitskräfte, erzählte er "Politico". Statt etwas dagegen zu tun, habe Trump die Gewalt und Plünderung genossen und sich daran ergötzt, weil er in den Eindringlingen nur seine fanatischen Anhänger sah. "Das hat alles verändert", wird Rice zitiert: "So etwas macht ein Diktator."

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Rice hatte einen 17-monatigen Spießrutenlauf in seiner Heimat hinter sich. Aus Menschenmengen oder dem Auto heraus beschimpften ihn Wähler im Wahlbezirk unter anderem als "Verräter". Den Abgeordneten erreichten so viele schriftliche Todesdrohungen, dass sein Büroleiter vorsortierte, welche davon so ernstzunehmen seien, um sie direkt an die Polizei weiterzugeben. Rice' Frau hatte nach der Abstimmung im Kongress zeitweise Angst, einkaufen zu gehen. Das Duell von Rice und Fry wurde von US-Medien auch zum Gradmesser dafür gemacht, wie groß Trumps Einfluss auf die Partei ist. Der Slogan des Trump-Kandidaten? "#FryTheRice", frittiere den Reis, oder auch: Macht Rice alle.

Nach der Kongresswahl im November wird Rice nicht mehr im Repräsentantenhaus sitzen, so viel ist sicher. Der Abgeordnete hatte im Laufe des Vorwahlkampfs fünf Gegenbewerber - und alle ritten auf Rice' Abstimmung herum. "Trump säubert", sagte der wenige Tage vor seiner Niederlage zu "Politico": "Er versucht die Republikaner zu einer Partei der loyalen Ja-Sager zu machen. (...) Trump ist die boshafteste, kleinlichste und rachsüchtigste Person, die ich je kennengelernt habe." Er selbst ist ein Beleg dafür, denn Rice' politische Karriere könnte bald vorbei sein.

(Dieser Artikel wurde am Samstag, 18. Juni 2022 erstmals veröffentlicht.)

Quelle: ntv.de

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