Schleppende Gegenoffensive US-Beamte raten Kiews Militärs zu Taktikänderung
23.08.2023, 08:59 Uhr Artikel anhören
Walerij Saluschnyj (M.) ist Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte.
(Foto: IMAGO/ZUMA Wire)
Die ukrainische Gegenoffensive kommt nur schleppend voran. US-Beamte machen Kiews Militärführung Vorwürfe und glauben, einen Rückfall in alte Muster zu erkennen. Die Ukraine solle sich voll auf die Front im Süden konzentrieren, so der einhellige Ratschlag der Experten.
Einem Medienbericht zufolge empfehlen US-amerikanische und andere westliche Beamte der Ukraine wegen der schleppenden Gegenoffensive eine Änderung der Taktik. Das berichtet die "New York Times" unter Berufung auf mehrere anonyme Quellen.
Das Hauptziel der Gegenoffensive bestehe darin, die russischen Versorgungslinien in der Südukraine zu unterbrechen, indem die Landbrücke zwischen Russland und der besetzten Krim durchtrennt werde, sagten US-Beamte gegenüber dem Blatt. Aber anstatt sich darauf zu konzentrieren, hätte das ukrainische Oberkommando Truppen und Feuerkraft gleichmäßig auf den Osten und Süden verteilt.
Amerikanische Militärplaner haben dem Bericht zufolge Kiew deshalb geraten, sich auf die Südfront in Richtung Melitopol zu konzentrieren und die russischen Minenfelder und Verteidigungsstellungen zu durchbrechen, selbst wenn die Ukraine dabei mehr Soldaten und Ausrüstung verlieren sollte. Nur mit einer Änderung der Taktik könne die Gegenoffensive an Tempo gewinnen, so ein US-Beamter. Ein anderer Beamter sagte der Zeitung, die ukrainischen Verbände seien zu weit verstreut und sollten ihre Kampfkraft auf ein Gebiet konzentrieren.
Bei einer Videokonferenz am 10. August habe US-Generalstabschef Mark Milley dem ukrainischen Oberbefehlshaber Walerij Saluschnyj nahegelegt, sich während der Gegenoffensive auf eine Front zu konzentrieren. Dem Bericht zufolge stimmte Saluschnyj dem Vorschlag zu. Es gebe bereits Anzeichen dafür, dass die Ukraine begonnen habe, einige erfahrenere Einheiten vom Osten in den Süden zu verlegen, so die Quellen. Allerdings hätten diese Truppen bereits schwere Verluste erlitten und seien geschwächt.
Die US-Militärdoktrin zielt laut "New York Times" darauf ab, das Maximum an Kräften für einen ausgewählten Frontbereich bereitzustellen. Die Ukraine und Russland kämpfen demnach jedoch nach dem alten sowjetischen Muster, das darauf abzielt, Rivalitäten zwischen den einzelnen Kommandos zu minimieren, indem alle Befehlshaber die gleiche Menge an Personal und Ausrüstung zur Verfügung gestellt bekommen. Dadurch hätten es Moskau und Kiew versäumt, Schwerpunkte für ihre wichtigsten Ziele zu setzen.
Die Konzentration der Ukraine auf Bachmut hat die US-Geheimdienste verwirrt, schreibt die Zeitung. Kiew habe enorme Ressourcen in die Verteidigung investiert und Präsident Wolodymyr Selenskyj erwecke nicht den Eindruck, als würde er den Versuch, verlorenes Gebiet rund um die Stadt zurückzuerobern, aufgeben. Allerdings meinen US-Beamte dem Blatt zufolge, dass die Schlacht um Bachmut zumindest vorübergehend in den Hintergrund treten müsse. Die Militärexperten gehen davon aus, dass die Ukraine noch vier bis sechs Wochen Zeit hat, bevor die Regenzeit eine Kampfpause erzwingt.
Quelle: ntv.de, jpe