Delegation reist in Dagestans Hauptstadt US-Ermittler vernehmen Zarnajews Eltern
24.04.2013, 13:26 Uhr
Diese Aufnahme zeigt die Zarnajew-Brüder etwa 15 Minuten vor dem Anschlag.
(Foto: AP)
Auf der Suche nach den Hintergründen der Bomben von Boston gehen die US-Ermittler an die Wurzeln der mutmaßlichen Täter: Eine Delegation ist ins ferne Machatschkala gereist, um die Eltern der Zarnajew-Brüder zu vernehmen. Dass die Kriege der USA der Grund für die Attentate waren, bestätigt sich derweil zunächst nicht.
Eine Delegation der US-Botschaft in Moskau ist in die Kaukasusrepublik Dagestan gereist, um dort die Eltern der beiden mutmaßlichen Attentäter von Boston, Ansor und Subeidat Zarnajew, zu vernehmen. Die Eltern leben Medien zufolge in der Hauptstadt Machatschkala. Bei den Ermittlungen kooperiere die russische Regierung mit der US-Bundespolizei FBI, sagte ein Botschaftsmitarbeiter.
Dschochar Zarnajew und sein älterer Bruder Tamerlan werden der Anschläge auf den Boston Marathon in der vergangenen Woche beschuldigt, bei dem drei Menschen getötet und mehr als 260 weitere verletzt worden waren. Der 26 Jahre alte Tamerlan Zarnajew wurde in der Nacht zum Freitag bei einer Verfolgungsjagd mit der Polizei getötet, sein 19-jähriger Bruder später schwer verletzt gefasst. Gegen Dschochar Zar najew wurde inzwischen ein Strafverfahren eröffnet, ihm droht die Todesstrafe oder eine lange, möglicherweise sogar lebenslängliche Haftstrafe.
Tamerlan Zarnajew war 2011 auf Bitten Russlands von der US-Bundespolizei FBI befragt worden, wobei keine Hinweise auf terroristische Aktivitäten gefunden wurden. 2012 reiste er nach Russland und besuchte während seines sechsmonatigen Aufenthalts auch Dagestan und Tschetschenien, wo einige islamistische Gruppen aktiv sind.
Kongress nimmt FBI in die Mangel
Bei dieser Reise soll er laut russischen Behörden aber keinen Kontakt zum islamistischen Untergrund gehabt haben. Er habe den Aufenthalt in der Heimat dazu genutzt, seinen Pass zu erneuern. Das sagte der dagestanische Innenminister Abduraschid Magomedow der Agentur Interfax. Es gebe keine Hinweise, dass Zarnajew während seines Aufenthaltes mit radikalen Gruppierungen oder Terroristen in Verbindung gestanden habe, sagte der Minister.
Die Terrortat von Boston bringt nun auch das FBI in Erklärungsnöte. FBI-Vertreter mussten in Washington hinter verschlossenen Türen Kongressabgeordneten Rede und Antwort stehen. Dabei ging es insbesondere um die Frage, wie das FBI Tamerlan Zarnajew, den es vor zwei Jahren bereits wegen mutmaßlicher islamistischer Überzeugungen im Visier hatte, wieder aus dem Blick verlor. Senatoren sagten nach der Unterrichtung durch FBI-Vizedirektor Sean Joyce und andere Behördenvertreter, sie hätten diesen unbequeme Fragen gestellt. Dabei sei es insbesondere um den Informationsfluss zwischen Polizei und Geheimdiensten gegangen.
Ehefrau von Tamarlan Zarnajew spricht
Senator Saxby Chambliss aus Georgia äußerte allerdings: "Ich kann nicht sagen, dass das FBI im entscheidenden Moment versagt hat. Ich sehe jetzt noch keinen, der im entscheidenden Moment versagt hat." Die Parlamentarier ergänzten, sie könnten einen NBC-Bericht nicht bestätigen, wonach die US-Kriege in Afghanistan und im Irak das Motiv für das Attentat waren und die Sprengsätze mit Hilfe von Feuerwerkskörpern gebaut wurden.
Derweil hat sich ein Nachbar von Tamerlan Zarnajew zu Wort gemeldet. Der Deutsche Albrecht Ammon beschreibt ihn als "nicht aggressiv, aber stur". Besonders leidenschaftlich soll er über Religionsfragen diskutiert haben, sagte Ammon dem "Stern". "Wir trafen uns in einer Pizzeria", schilderte der 18-Jährige ein Zusammentreffen mit Tamerlan Zarnajew. "Er hielt mir einen Vortrag über die Kolonialmacht USA, dass sie Unschuldige im Irak und Afghanistan umbringen. Dann hielt er mir noch einen Vortrag über den Koran und die Bibel." Auch über islamistische Selbstmordattentäter hätten die Nachbarn geredet, schreibt das Magazin. Der Islam habe nichts mit Terrorismus am Hut, soll Zarnajew gesagt haben.
Zuvor hatte bereits die Ehefrau von Tamerlan Zarnajew ihr Schweigen gebrochen. Katherine Russel sicherte den Ermittlern ihre Mithilfe zu. Sie ließ eine Erklärung verlesen, in der sie sich erschüttert über den Anschlag zeigte: "Das war ein vollkommener Schock." Die 24-Jährige hatte Tamerlan Zarnajew 2010 geheiratet. Das Paar hat eine dreijährige Tochter. US-Medien zufolge war Russel zum Islam konvertiert, nachdem sie ihren Mann kennengelernt hatte.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP/rts