Fünf Jahre bei den Taliban US-Soldat wird in Deutschland behandelt
01.06.2014, 08:12 Uhr
Bergdahl auf einem Taliban-Video aus dem Jahr 2010.
(Foto: dpa)
Fünf Jahre lang ist Bowe Bergdahl in der Hand der Taliban. Nun kann er nach zähen Verhandlungen gegen fünf Guantanamo-Gefangene ausgetauscht werden. Doch Bergdahl steht eine schwierige Zeit der Wiederannäherung an sein altes Leben bevor.
Der im Austausch gegen fünf Guantanamo-Insassen freigelassene US-Soldat befindet sich nach amerikanischen Angaben auf dem Weg von Afghanistan nach Deutschland. Bowe Bergdahl werde im US-Militärkrankenhaus im rheinland-pfälzischen Landstuhl erwartet, sagte ein Vertreter des Verteidigungsministeriums in Washington. Die Klinik ist das größte US-Lazarett außerhalb der Vereinigten Staaten.
Bergdahl war am Samstag nach fast fünf Jahren Gefangenschaft in Afghanistan auf Vermittlung Katars freigekommen und zunächst auf dem US-Stützpunkt Bagram in Afghanistan medizinisch betreut worden. Als Gegenleistung übergaben die USA fünf Taliban-Extremisten an Katar. Nach Angaben eines Vertreters des US-Verteidigungsministeriums befanden sie sich bereits an Bord eines US-Militärflugzeugs auf den Weg in das Golf-Emirat.
Der in Afghanistan stationierte 28-Jährige hatte sich Ende Juni 2009 von seinem Stützpunkt in Afghanistan entfernt. Die Gründe dafür blieben bisher ein Rätsel. CNN zufolge hatte er sich in einer E-Mail, die er kurz vor seinem Verschwinden an seine Eltern verschickte, kritisch über den US-Militäreinsatz in Afghanistan geäußert. Die Taliban teilten dann mit, sie hätten den Soldaten gefangen genommen.
Bewegter Präsident
Präsident Barack Obama selbst hatte am Samstagmorgen (Ortszeit) zunächst die Eltern des US-Soldaten, Robert und Jani Bergdahl, und dann die Öffentlichkeit in einer schriftlichen Erklärung informiert. Darin hieß es unter anderem, die Entwicklung sei eine Erinnerung an "Amerikas unerschütterliche Verpflichtung, keinen Mann oder keine Frau in Uniform auf dem Schlachtfeld zurückzulassen". Ähnlich äußerten sich Außenminister John Kerry und Pentagonchef Chuck Hagel.
Am Abend kam Obama dann mit Bergdahls Eltern in den Rosengarten des Weißen Hauses und bedankte sich erneut bei allen, die an der Freilassung mitgewirkt hätten - insbesondere aber bei der Regierung in Katar, die den Austausch vermittelt hatte, sowie bei der afghanischen Führung. "Bowe ist niemals vergessen worden", sagte Obama. Über den Gesundheitszustand und die psychische Verfassung von Bowe Bergdahl ist bisher nichts bekannt. Robert Bergdahl deutete an, dass sein Sohn kein Englisch mehr verstehen könne. Er sprach ihn daher im afghanischen Dialekt Dari an.
Überraschende Dynamik
Die USA hatten sich seit 2010 in Verhandlungen mit den Taliban um die Freilassung ihres einzigen Kriegsgefangenen bemüht. Die mehrfach unterbrochenen Gespräche gewannen dann in den vergangene Wochen an Schwung, zitierte die "New York Times" US-Regierungsbeamte. Die Übergabe erfolgte nach Angaben des Senders CNN am Samstagabend (Ortszeit) an der östlichen Grenze Afghanistans. Mitglieder eines US-Spezialkommandos hätten eine Gruppe von Taliban getroffen, den Soldaten in Empfang genommen und dann per Helikopter in Sicherheit gebracht.
Die ausgetauschten Taliban-Extremisten befänden sich "im Gewahrsam und unter der Kontrolle" Katars, sagte ein US-Regierungsbeamter. Ihre Bewegungsfreiheit sei eingeschränkt. Auch Obama versicherte, dass Katar die nötigen Maßnahmen treffen werde, damit die Ex-Häftlinge keine Gefahr mehr für die USA darstellen könnten.
Der "New York Times" zufolge zählten die fünf Afghanen zu den ranghöchsten Militanten, die in Guantánamo Bay festgehalten wurden. Sie hätten ohne den "Deal" zu den Letzten gehört, die aus dem Lager transferiert worden wären, hieß es in der Zeitung. So seien drei der Afghanen Kommandeure von Einheiten gewesen, die für den Tod Tausender Schiiten in Afghanistan vor dem Sturz der Taliban verantwortlich gemacht würden.
Prominente Republikaner in Washington warnten denn auch, dass der Gefangenaustausch Folgen für die US-Streitkräfte und alle Amerikaner haben könne. "Unsere terroristischen Gegner haben jetzt einen starken Anreiz, Amerikaner gefangen zu nehmen", hieß es in einer gemeinsamen Erklärung der ranghöchsten Republikaner in den Streitkräfte-Ausschüssen von Senat und Abgeordnetenhaus, James Inhofe und Howard McKeon. Sie beklagten, dass der Kongress erst nach dem erfolgtem Austausch informiert worden sei. Ein Gesetz schreibt vor, dass die zuständigen Ausschüsse jeweils mindestens 30 Tage vor einem Gefangenen-Transfer unterrichtet werden müssen. Ein hochrangiger Regierungsbeamter bestätigte der "Washington Post", dass dies nicht geschehen sei. Die Möglichkeit, Bergdahl freizubekommen, habe sich so plötzlich entwickelt, "dass wir so rasch wie möglich gehandelt haben".
Quelle: ntv.de, sba/dpa/rts