Vize Biden kämpferisch in TV-Debatte Der Angriff der Grinsekatze
12.10.2012, 10:21 Uhr
Er soll die Parteibasis motivieren, Obamas Ausrutscher vergessen machen und sich möglichst nicht verplappern: Vizepräsident Biden hat klare Aufgaben für das Rededuell, und die erfüllt er. In einer inhaltlich dichten TV-Debatte geht Obamas Stellvertreter hart mit Republikaner Ryan ins Gericht. Nicht immer ist er dabei sympathisch.
Einige von Joe Bidens Freunden werden ihre Beziehung zu dem aktuellen Vizepräsidenten jetzt wohl überdenken müssen. Schließlich steht nach seiner gestrigen TV-Debatte mit dem republikanischen Vize-Kandidaten Paul Ryan fest: Wenn der 69-Jährige "mein Freund" sagt, kann das durchaus als Kampfansage verstanden werden.
Genau die aber sollte Biden auch abliefern. Nach Präsident Barack Obamas schwachem Auftritt vergangene Woche war es nun an dessen Nummer zwei, seine einzige TV-Debatte in diesem Wahlkampf zur Schadensbegrenzung zu nutzen. Romneys überzeugender Sieg hat das Rennen um die Präsidentschaft wieder spannend gemacht, Obamas Vorsprung in den Umfragen ist geschmolzen. Dessen Kampagnenteam stürzte sich zunächst nur auf Romneys Aversion gegen Bibo aus der Sesamstraße, erst spät gestand sich Obama sein Versagen ein.
Nicht nett, aber effektiv
Nun sollte ausgerechnet der Mann, dessen Hang zu verbalen Fehlschüssen ihn mehr als einmal in Schwierigkeiten gebracht hatte, die Kohlen aus dem Feuer holen. Biden tat, wie ihm geheißen und drängte Ryan in die Defensive - auf Kosten der eigenen Sympathiewerte.
Denn so ausgesprochen unfreundlich hatte sich Biden im bisherigen Wahlkampf kaum gezeigt. Immer wieder fiel er Ryan ins Wort, beschwerte sich über mangelnde Redezeit und setzte ein abschätziges Grinsen auf, während sein Kontrahent sprach. "Was für ein Haufen Schwachsinn", polterte Biden gleich zu Beginn los, nachdem Ryan die Reaktion der US-Regierung auf die Angriffe im libyschen Bengasi kritisiert hatte.
Die, so Ryan, seien fälschlicherweise als Reaktion auf das Mohammed-Video dargestellt worden. Man habe sich auf die Informationen der Geheimdienste verlassen, schoss Biden zurück. Außerdem hatte Romney selbst schon zur Pressekonferenz geladen, bevor das Schicksal des getöteten Botschafters bekannt war. Auch den Vorwurf, Washington habe die Bitte um mehr Schutz für die Botschaft abgelehnt, wies Biden zurück. Schließlich habe doch Ryan selbst im Kongress gegen die Aufstockung des Botschaftsbudgets gestimmt. "So viel zum Thema Sicherheit."
Biden stark bei Außenpolitik
"Joe muss einfach nur Joe sein", hatte der Präsident noch vor der Debatte seines Parteifreundes in einem Interview gesagt. Und dieser Joe hatte sich offenbar bewusst gegen seine einfühlsame Seite entschieden, mit der er zuletzt auf dem Parteitag der Demokraten überzeugte. Es war eher der krawallige Slogan-Schmied Biden, der zuletzt durch Sklaverei-Vorwürfe gegen die Republikaner auf sich aufmerksam gemacht hatte. Doch genau den brauchte Obama nun als Motivator für die eigene Parteibasis.
Dabei kam Biden zugute, dass die Moderatorin mit der Außenpolitik begann, ein Bereich, in dem sich der langjährige Senator deutlich besser auskennt als Ryan. Der kam zwar gut vorbereitet, litt aber bei entscheidenden Fragen sichtlich unter den vagen Vorstellungen Romneys. "Wollt ihr Krieg führen", fragte Biden direkt, nachdem Ryan Obama Versagen im Umgang mit dem iranischen Regime vorwarf, und erhielt das erhofft unkonkrete Jein. Beim Thema Afghanistan reichte es Biden, immer wieder das Abzugsdatum zu nennen. "2014 werden wir gehen", so der Vizepräsident gebetsmühlenartig, während Ryan zaghaft vor "ermutigten Feinden" warnte. Bei kriegsmüden Wählern dürfte Biden damit gepunktet haben.
Aber auch bei Fragen zur Steuer- und Haushaltspolitik, eigentlich Ryans stärkste Themen, hielt Biden inhaltlich dagegen. Für jede Rechnung, die der Abgeordnete aus Wisconsin aufstellte, holte Biden eine eigene heraus. Er pochte erneut auf die von Obama vorgeschlagenen Steuerkürzungen für Einkommen unter einer Viertelmillion und die Steuererhöhung für Spitzenverdiener. Ryan hielt mit 20 Prozent weniger Steuern und 1 Billion Mehreinnahmen durch die Schließung von Steuerschlupflöchern dagegen. Die großen Beträge flogen hin und her, wirklich hängen geblieben sein dürfte bei den meisten Zuschauern davon kaum etwas.
Schiff auf Kurs gebracht
Eher noch die "47 Prozent" der Sozialschmarotzer, die Romney einst vor reichen Wahlkampfspendern in Florida bemängelte, und die Obama bei seiner ersten Debatte mit dem Ex-Gouverneur aus unerklärlichen Gründen nicht erwähnte. Nicht so Biden. "Er redet da von den Menschen, die dieses Land aufgebaut haben und nun eine faire Chance warten." Doch Ryan war darauf vorbereitet: "Ich glaube, der Vizepräsident weiß sehr gut wie das ist, wenn einem die Worte nicht besonders gut aus dem Mund kommen." Da konnte sich selbst das sonst so disziplinierte Publikum nicht zurückhalten, und auch Biden lachte mit.
Einen klaren Gewinner hatte der Abend nicht. So angriffslustig Biden auch war, Ryan hielt stand, auch wenn ihm der Ärger gelegentlich anzusehen war. Auf die Provokationen des teilweise herablassenden Gegenübers ging er nicht ein, was ihm hinterher gute Noten in den Blitzumfragen einbrachte. 48 Prozent der vom Nachrichtensender CNN befragten Zuschauer sahen ihn am Ende vorn, Biden kam auf 44 Prozent. Seine Aufgabe, "das Schiff wieder auf Kurs zu bringen", habe er jedoch erfüllt, sagte CNN-Journalistin Gloria Borger. Dass Biden die Debatte gewinnen würde, hatten ohnehin nur wenige Kommentatoren erwartet, und dass das Duell der beiden Vize-Kandidaten große Auswirkungen auf die Wählerentscheidung haben wird, ist ebenfalls unwahrscheinlich.
Diese Aufgabe bleibt allein den beiden Hauptkonkurrenten Obama und Romney überlassen. Die treffen sich kommende Woche in New York zur zweiten TV-Debatte. Eine Videoanalyse von Bidens Auftritt könnte Obama bis dahin sicher nicht schaden. Denn wie man um sein Amt kämpft, hat dieser schon mal vorgemacht.
Quelle: ntv.de