Amerikas Elite-Idioten TV nimmt US-Politik aufs Korn
24.04.2012, 00:35 Uhr
Das Comeback von Seinfeld-Star Julia Louis-Dreyfus: Als "Vize" in der TV-Serie "Veep".
(Foto: REUTERS)
Was macht eigentlich die Nummer 2 im US-amerikanischen Staat? In der neuen Fernsehserie "Veep" vor allem: Chaos anrichten. Es ist bereits die zweite politisch inspirierte Produktion des Senders HBO im laufenden Wahljahr - und wieder eine besonders gelungene.
"Hat der Präsident angerufen?" Um diese Frage dreht sich eigentlich alles im Leben von Selena Meyers. Und um es gleich vorwegzunehmen: Nein, hat er nicht. Er ruft eigentlich nie an. Das wäre nicht weiter tragisch, wenn auf Meyers' Tür nicht diese verflixte Jobbezeichnung stehen würde: Vizepräsidentin der USA. "Ich habe sogar meine eigene Flagge", begrüßt sie jeden Gast. Allein, ihr heißer Draht zum Weißen Haus bleibt eiskalt.
Es ist diese kurze, wiederkehrende Szene aus der neuen Fernsehserie "Veep", mit der eigentlich alles über das wirkliche Verhältnis zwischen der Nummer 1 der US-Regierung und seiner Nummer 2 gesagt ist: Einer regiert, einer wartet. Doch "Veep" (eine Kurzform für "Vizepräsident") erzählt viel mehr als das. Der Bezahlsender HBO zeichnet darin ein bezaubernd zynisches Sittengemälde des US-amerikanischen Politikbetriebes, nur wenige Monate vor der realen Präsidentschaftswahl.
Seinfeld-Star feiert TV-Comeback

Ex-Kinderstar Anna Chlumsky ("My Girl - Meine erste Liebe") spielt die rechte Hand von Vizepräsidentin Meyers.
(Foto: REUTERS)
Doppelzüngige Berater, ahnungslose Mitarbeiter, anstandslose Interessenvertreter: "Veep" lässt kein gutes Haar an den Mächtigen in der US-Hauptstadt. Hier kocht jeder sein eigenes Süppchen, echte Loyalität ist selten. Es wird bestochen, betrogen, gelogen und erpresst, was das Zeug hält - und fast immer geht alles schief. Die älteste der modernen Demokratien in der Hand von selbstverliebten Schwachköpfen - ein Schelm, wer dabei an die reale Politik denkt.
Mittendrin die impulsive Ersatz-Chefin, gespielt von der wunderbaren Julia Louis-Dreyfus. Viele deutsche Fernsehzuschauer dürften sie noch als Elaine aus "Seinfeld" kennen. 180 Episoden lang wirbelte die heute 51-Jährige durch die preisgekrönte TV-Serie. Danach wurde es still um die Tochter des französisch-stämmigen Milliardärs William Louis-Dreyfus. Einen Emmy gab es noch, für ihre Rolle in der Serie "The New Adventures of Old Christine", daneben viele Gastauftritte, aber den Erfolg von "Seinfeld" konnte sie bisher nicht wiederholen.
Selbstverliebt und liebenswert zugleich
Nun ist sie wieder da, in einer Rolle, die wie für sie gemacht zu sein scheint. Selena Meyers sei "außergewöhnlich frustriert und außergewöhnlich ambitioniert", sagt Louis-Dreyfus, eine "politische Bestie", so wie sie selbst eine "schauspielerische Bestie" sei. Ihre Vorwahlniederlage gegen den späteren Präsidenten hat die eitle Meyers nie ganz verwunden. Der Hut sei schuld gewesen, analysiert ihr spektakulär unfähiger Assistent Gary Walsh.
Kaum im Amt, legt sie sich mit der Ölindustrie an, weil sie Besteck aus Plastik aus den Regierungskantinen verbannen will. Dann beleidigt Meyers im Vorbeigehen noch schnell geistig behinderte Menschen und lässt schließlich ihre Unterschrift auf einer Beileidskarte fälschen. Eine Kaskade menschlicher Aussetzer, die jedoch kaum echten Schaden anrichtet, schließlich ist niemand so unwichtig wie die Frau in der zweiten Reihe. "Es ist die Rolle meines Lebens", schwärmt Louis-Dreyfus.
Kein Anti-Palin-Streifen
Eine Parodie auf Ex-Gouverneurin und Ex-Vizepräsidentschaftskandidatin Sarah Palin ist "Veep" nicht. Zwar hat sich Louis-Dreyfus, die im richtigen Leben eine überzeugte Demokratin und Obama-Wählerin ist, offenbar von der erzkonservativen Politikerin inspirieren lassen. Vor allem die übertriebene Sorge um das eigene Image erinnert an die Selbstvermarktungsexpertin aus Alaska. Darum aber kümmert sich eher der ebenfalls von HBO produzierte Fernsehfilm "Game Change", der im März für Furore sorgte.
"Veep" ist dagegen lockere Polit-Satire, keine Rache der liberalen Fernsehelite an den ungeliebten Republikanern. "Es wird nie klar, in welcher Partei sie ist", so Louis-Dreyfus. Genauso klar wie die Einsicht, dass der Anruf von ganz oben nicht kommen wird. "Den Präsidenten wird man nie sehen."
Quelle: ntv.de