US-Wahl

Obama nimmt Nominierung an Über "härteren Weg" zum "besseren Ort"

Nach der Rede kam Obamas Familie auf die Bühne - hier seine Tochter Malia.

Nach der Rede kam Obamas Familie auf die Bühne - hier seine Tochter Malia.

(Foto: REUTERS)

Barack Obama gibt sich kämpferisch. Zum Abschluss des Parteitags macht er viele Versprechen, bittet die US-Amerikaner aber um Geduld. Eines hat er längst nicht aufgeben: die Hoffnung. Doch seine Wiederwahl ist unsicher. In vielen Bundesstaaten, die Obama 2008 noch gewinnen konnte, ist das Rennen mit Romney offen.

Kraftvoll und ernst: Barack Obama nahm die Nominierung der Demokraten am Donnerstagabend an.

Kraftvoll und ernst: Barack Obama nahm die Nominierung der Demokraten am Donnerstagabend an.

(Foto: AP)

Die Haare sind grauer als noch vor vier Jahren. Aber die Umarmung mit Ehefrau Michelle, das Winken in die Menge, dieses breite Lachen und das Funkeln in seinen Augen: Die Gesten von Barack Obama haben sich nicht verändert. Als der amtierende US-Präsident zum Abschluss des Demokraten-Parteitags vor das Mikro tritt, kommt er nicht zu Wort, so groß ist der Applaus. "Ich nehme eure Nominierung als Präsident der Vereinigten Staaten an", ruft Obama. Sprechchöre, die nach "vier weiteren Jahren" für ihren Präsidenten verlangen, schallen durch die Arena.

Zwei Monate, bevor die US-Amerikaner an die Wahlurne treten, stellt Obama sie vor "eine Wahl zwischen zwei fundamental verschiedenen Wegen für die Zukunft Amerikas". Das strahlende Lachen ist jetzt längst einer ernsten Miene gewichen. In den kommenden Jahren stünden "große Entscheidungen" an, etwa über die Wirtschafts- und Energiepolitik, das Bildungssystem sowie "Krieg und Frieden", so Obama. Es handele sich um eine Schicksalswahl und die klarste Wahl seit Generationen.

Viele Sätze und Worte ähneln sich. Doch die Zeiten sind andere im Jahr 2012. Vor vier Jahren war Obama der große Hoffnungsträger. Der Mann, der von einem besseren Amerika erzählte. Diese Rolle erfüllte er mit viel Verve. Erstmals wählten die US-Amerikaner einen Schwarzen zu ihrem Präsidenten. Ein Land feierte den Aufbruch in eine bessere Zukunft. Doch viel von der Euphorie ist inzwischen verflogen. Heute muss sich Obama an dem messen lassen, was er versprochen hat. Da sind die Erfolge: etwa die Krankenversicherung für 30 Millionen US-Bürger, die Tötung Osama bin Ladens, der Abzug aus dem Irak, das Bekenntnis für die Eheschließung von Homosexuellen. Doch die Misserfolge wiegen schwer. Anders als versprochen hat der 44. US-Präsident das Gefangenenlager Guantanamo nicht geschlossen. Auch im Kampf gegen den Klimawandel ist er nicht vorangekommen. Statt die Staatsschulden zu halbieren, stiegen sie auf ein neues Rekordniveau von über 16 Billionen Dollar, fünf mehr als noch vor vier Jahren. Ohne eine Erhöhung des Schuldenlimits wären die USA längst zahlungsunfähig.

Obamas Pfade sind lang

US-Wahlkampf: So geht es weiter

Nach den Parteitagen der Republikaner und Demokraten liegt das Augenmerk im US-Wahlkampf besonders auf den folgenden Termine:

3. Oktober: Debatte zwischen Präsident Barack Obama und seinem republikanischen Herausforderer Mitt Romney in Denver, Colorado

11. Oktober: Debatte zwischen Vize-Präsident Joe Biden und dem republikanischen Vize-Kandidaten Paul Ryan in Danville, Kentucky

16. Oktober: Debatte zwischen Obama und Romney in Hempstead, New York

22. Oktober: Debatte zwischen Obama und Romney in Boca Raton, Florida

6. November: Präsidenten- und Kongresswahl

Der Mann, der 2009 auszog, um die Vereinigten Staaten von Amerika besser zu machen, bietet viel Angriffsfläche für Herausforderer Mick Romney. Nach der dreitägigen Anklage der Republikaner in der vergangenen Woche gerieten gleich die ersten Akte des Demokraten-Parteitags zu Jubelfeiern. Michelle Obama appellierte an das Herz, Ex-Präsident Bill Clinton an den Verstand der Menschen. Doch bisher wurde nur über Obama geredet. Jetzt gilt es für den Präsidenten: Kann er die Gänsehautmomente seiner Lobesredner toppen? Die US-Amerikaner wollen wissen, was nach "change" und "Yes we can" kommt. Warum sie ihm noch weitere vier Jahre Zeit geben sollen.

Und Barack Obama wirbt vor den Augen von Millionen US-Amerikanern vor allem um mehr Zeit. "Die Wahrheit ist, dass wir mehr als einige wenige Jahre brauchen werden, um die Herausforderungen zu lösen, die sich über Jahrzehnte aufgebaut haben", sagt er mit eindringlicher Geste. Obama stimmt die US-Amerikaner auf einen langen Weg aus der Krise ein. "Ich werde nicht so tun, als ob der Pfad, den ich anbiete, schnell oder einfach ist." Die Lösung der Probleme erfordere "gemeinsame Anstrengungen" und eine "gemeinsame Verantwortung", mahnt er. "Und ich bitte euch, diese Zukunft zu wählen."

Mit Versprechen geizt Obama auch nach seiner ersten Amtszeit nicht. Eine Million neue Arbeitsplätze in der Industrie bis 2016, die Verdoppelung der Exporte bis 2014, die Halbierung der Ölimporte bis 2020, 100.000 zusätzliche Lehrer bis 2024. Und damit nicht genug: Durch Einsparungen, unter anderem bei der Rüstung, soll das Haushaltsdefizit bis 2014 um vier Billionen Dollar reduziert werden. Obama macht sogar ein weiteres Wahlversprechen, das er in seiner ersten Amtszeit nicht halten konnte. "Ich will die Erderwärmung reduzieren. Der Klimawandel ist keine Ente. Er ist eine Bedrohung für die Zukunft unserer Kinder."

Zehntausende mussten zu Hause bleiben

Der Höhepunkt des Demokraten-Parteitags hatte zwar für viele enttäuschend begonnen. Der Auftritt Obamas war wegen schlechten Wetters vom mehr als 70.000 Zuschauer fassenden Bank-of-America-Stadion in die deutlich kleinere Time Warner Cable Arena verlegt worden. Doch die Halle, in der seit Dienstag das Parteitagsprogramm stattfindet, bietet nur 20.000 Menschen Platz. Deshalb mussten zehntausende Anhänger mit Eintrittskarten kurzfristig wieder ausgeladen werden.

Schwärmte von "meinem Freund Obama": Vizepräsident Biden.

Schwärmte von "meinem Freund Obama": Vizepräsident Biden.

(Foto: REUTERS)

Von der geplanten Dramaturgie wichen die Demokraten jedoch nicht ab. Rock- und Popstars wie Mary J. Blige, James Taylor oder die Foo Fighters heizten den Zuschauern in der Basketballarena von Charlotte ein. Die Hollywood-Schauspielerin Scarlett Johansson lobte Obamas Einsatz für Sozialprogramme: "Ich spreche hier nicht als Repräsentantin des jungen Hollywood, sondern als Repräsentantin der vielen Millionen jungen Amerikaner, vor allem junger Frauen, die zum Überleben von öffentlichen Leistungen abhängig sind." Eva Longoria, Darstellerin in der US-Serie "Desperate Housewives", attackierte die Steuerpläne von Herausforderer Mitt Romney. Er "würde die Steuern für Mittelschicht-Familien erhöhen, um seine eigenen - und meine - zu verringern", sagte sie. Das sei falsch. Als sie früher in einem Fast-Food-Restaurant arbeitete, habe sie diese Steuererleichterungen benötigt. "Aber die Eva Longoria, die beim Film arbeitet, tut das nicht", sagte sie.

Joe Biden, der die Nominierung für eine erneute Kandidatur als Vizepräsident annahm, sprach über die enge Zusammenarbeit mit "meinem Freund Barack Obama", einem Mann mit einem "enormen Herzen". So lobte der 60-Jährige dessen Krisenmanagement bei der Rettung der Autoindustrie. Obama habe verstanden, dass es um sehr viel mehr ging als nur um Autos. "Es ging um die Menschen, die dort arbeiten und ihr Schicksal, wenn er nichts unternehmen würde." Damit habe Obama mehr als eine Million Jobs gerettet. Zum Abschluss seiner Rede streckte Biden den Zuschauern zum Ende seinen Zeigefinger entgegen: "Amerika ist nicht in einem Niedergang - ich habe eine Nachricht für Mitt Romney: Es macht keinen Sinn, gegen die US-Amerikaner zu wetten. Unsere besten Tage liegen noch vor uns."

Kennedy, Lincoln und Roosevelt

Obama kann die Lobeshymnen gut gebrauchen. Sein Job steht auf dem Spiel. Eine Niederlage wäre für ihn das Ende einer Karriere, die ihn in raketenartiger Geschwindigkeit vom Lokalpolitiker im Bundesstaat Illinois zum mächtigsten Mann der Welt machte. Zwei Monate vor der Wahl ist die Entscheidung noch völlig offen: Einer am Dienstag veröffentlichten Gallup-Umfrage zufolge kommt Romney auf 46 Prozent Zustimmung, Obama auf 47 Prozent. Noch eine Woche zuvor habe Romney einen hauchdünnen Vorsprung gehabt. Bei einer Umfrage des TV-Senders CNN vom Dienstag lagen beide mit 48 Prozent gleichauf. Auf der Kippe steht die Entscheidung unter anderem in Wisconsin, Ohio, Indiana, Miami, Virginia und North Carolina - Bundesstaaten, die die Demokraten 2008 noch für sich entscheiden konnte.

Obamas Auftritt lebt auch von den Verweisen auf frühere Präsidenten aus seiner Partei. "Amerika - das bedeutet nicht, was kann das Land für uns tun, sondern: Was können wir für dieses Land tun", so klingt seine Version des berühmten Satzes von John F. Kennedy. Wie Lincoln habe er oft erfahren müssen, dass ihn die Aufgaben in die Knie zwingen. "Aber ich habe die Hoffnung, weil es Sie gibt." Auch zieht Obama Parallelen zur Großen Depression der 1930er Jahre und zum damaligen Präsidenten Franklin Roosevelt. Die Lösung der aktuellen Probleme werde "die gleiche Art verwegener und beharrlicher Experimente" erfordern. Roosevelt, der die damalige Krise mit einer "New Deal" genannten Reformpolitik bekämpfte, hatte die Wahl 1932 mit beeindruckenden 89 Prozent aller Wählerstimmen gewonnen.

Ein klein wenig "hope" liegt also auch an diesem Septemberabend in Charlotte in der Luft. "Amerika, ich habe nie gesagt, dass es einfach wird", sagt Obama zum Ende seiner Rede. "Unser Weg ist vielleicht härter, aber er führt an einen besseren Ort. Wir lassen niemanden zurück", verspricht er in einen Jubel hinein, der Erinnerungen weckt. An jene Tage im November 2008. Als Obama zum US-Präsidenten gewählt wurde.

Quelle: ntv.de, mit dpa/AFP

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