Politik

Was macht Putin, wenn es brennt? Unbequeme Fragen, ruhiger Präsident

In der überlangen Talkshow mit dem russischen Präsidenten geht es um die Ukraine, um den Iran und um Milch. Die schönste Geschichte, die Putin zu erzählen hat, handelt aber von einem deutschen Bundeskanzler in einer russischen Sauna.

Gerhard Schröder ist zu Besuch auf dem Landsitz Wladimir Putins. Gemeinsam sitzen sie in der Sauna und trinken Bier. Da bekommt der russische Präsident die Nachricht, etwas an der Sauna habe Feuer gefangen. "Wir müssen hier raus", sagt er. "Nönö", sagt der deutsche Bundeskanzler. "Ich trinke noch mein Bier aus." Jetzt, Jahre später, erzählt Putin diese Geschichte in einer vierstündigen TV-Sendung und er ist immer noch voller Respekt für Schröder, der, wenn die Sauna brennt, sie einfach brennen lässt. "So ein Mann ist er", sagt Putin. Ob er auch mal einen anderen westlichen Staatschef in einen Spa einladen sollte? Er sei sich nicht so sicher, sagt Putin, ob das eine gute Idee wäre. Das soll wohl heißen: Männer wie Schröder, mit denen man Bier in der Sauna trinken kann, gibt es in der europäischen Politik nicht mehr.

Putin dagegen strahlt große Ruhe aus, auch wenn sein Land in Flammen steht. Die Notenbank schätzt, dass die Wirtschaft 2015 um 3,5 Prozent schrumpft. Die Sanktionen und der niedrige Ölpreis hinterlassen ihre Spuren. Steuereinnahmen brechen ein, die Rücklagen könnten bis Ende des Jahres zu drei Vierteln aufgebraucht sein. Trotzdem setzt er sich selbstbewusst in die Talkshow "Der direkte Draht", die ganz auf ihn zugeschnitten ist. Er selbst in der Mitte, ihm gegenüber zwei Moderatoren, drum herum etwas Publikum und ein Callcenter, das Fragen aus dem ganzen Land durchstellt.

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(Foto: imago/ITAR-TASS)

Das Thema Milch spielt dabei eine große Rolle. Landwirte klagen darüber, dass sie keine Kredite bekommen und die Händler mehr an ihren Produkten verdienen als die Bauern. Einer hofft, dass der Präsident ihm hilft, einen Direktvertrieb aufzubauen. Die Milchbauern sind ein Beispiel für die Kleinunternehmer und Mittelständler, die ein hartes Leben führen. Einer sagt, dass er seine Kühe verkaufen müsse. "Ihre Statistiken sagen, dass alles gut ist", meint er. Aber so sei es nicht. "Vertrauen Sie den Statistiken noch, die Sie bekommen?"

"Was passiert mit unserer Heimat?"

Der Präsident hat auf alles eine Antwort. Den Statistiken könne man trauen, wegen des Direktvertriebs wird er die regionalen Behörden ansprechen und allgemein müssten die Milchbauern mehr unterstützt werden. Zum Beispiel durch Sanktionen. Den Einfuhrstopp für europäische Lebensmittel verkauft Putin tatsächlich als Konjunktur- und Innovationsprogramm für die heimische Wirtschaft. Die Bauern, live übertragen von ihrem Hof im Osten des Landes, nicken anerkennend.

Aus verschiedenen Regionen werden Menschen zugeschaltet und sprechen in die Mikrofone von Reportern. Die Fragestunde wird damit zum Blick in das große Russland. Man sieht Soldaten, die eine Parade für den "Tag des Sieges" proben, man trifft Unternehmer auf der annektierten Krim, man sieht den Weltraumbahnhof, auf dem es schon Nacht ist, und man bekommt einen Einblick in ein Hotel in Gukowo. Dort, direkt an der ukrainischen Grenze, sind Flüchtlinge untergekommen, die aus dem Donbass stammen, der umkämpften Region in der Ostukraine. Ein vierjähriger Junge erzählt, dass das Haus bombardiert wurde, in dem er lebte. "Was wird mit unserer Heimat passieren?", fragt ein anderer Flüchtling. Putin spricht davon, dass er die Lage beruhigen will. Die Menschen im Donbass hätten das Recht, über sich selbst zu entscheiden und müssten nicht auf Kiew hören. Russland tue alles dafür, das Minsk-Abkommen umzusetzen, nur zögen andere Staaten nicht mit. Russische Truppen gebe es in der Ukraine nicht.

"Wie viel schlafen Sie?"

Putin beantwortet alle Fragen offensiv, lässt trotz des desolaten Zustandes seines Landes keine Selbstzweifel durchblicken. Am Verkauf von Luftabwehrraketen an den Iran kann er nichts Falsches sehen. Als US-Vasall tauge sein Land nicht. Und die in Frankreich bestellten Hubschrauberträger habe er nur bestellt, weil die französischen Werften nicht ausgelastet gewesen seien.

Der Fernsehsender Russland 1 erlaubt es Putin, sich als großer Staatsmann und Kümmerer zu inszenieren. Aber er wird dabei nicht von unliebsamen Fragen verschont. Ein Mann im Studio beschwert sich darüber, dass die Blumen und Ikonen in Gedenken an den ermordeten Oppositionellen Boris Nemzow immer wieder von der Straße geräumt werden. Ein Unternehmer von der Krim sagt, dass es für Lkw kaum möglich sei, auf die Krim zu kommen. Die Arbeiter auf dem Weltraumbahnhof berichten, sie hätten seit Monaten keinen Lohn bekommen. Putin will sich um alles kümmern. Manchmal macht er sich Notizen. Von Reformen spricht er nicht. Das Land steht in Flammen, und Putin weiß, dass er das nicht verbergen kann. Damit sind schon die Führer der Sowjetunion gescheitert. Seine Strategie: Ruhe bewahren. Brennen lassen. Eine Alternative zu Putin sehen die Russen ohnehin nicht.

Freundliche Fragen gibt es natürlich auch. Per Videobotschaft berichtet ein Vierjähriger mit Fliege, dass er schon immer Präsident werden wollte. Nun würde er gerne wissen, wie viele Stunden am Tag Putin schlafen kann. Denn er, der Junge, schlafe sehr gerne. "Wenn du genug dafür tust", sagt der Präsident, "dann schaffst du es sicher". Und viel zu schlafen sei gut. "Dann wirst du ein gesunder Präsident."

Quelle: ntv.de

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