Stunde(n) der Wahrheit Union und SPD suchen den Koalitionskompromiss
07.02.2018, 05:46 Uhr
Die Uhr tickt, seit fast 20 Stunden ziehen sich die Verhandlungen: CDU, CSU und SPD ringen weiterhin um ihren Koalitionsvertrag. Es gibt Annäherungen bei manchen Punkten, aber offenbar auch verhärtete Fronten.
CDU, CSU und SPD ringen am Morgen noch um Details und Ressortzuschnitte einer künftigen großen Koalition. Auch nach mehr als 19-stündigen Beratungen in wechselnden Runden dauerten die Verhandlungen an. "Der Fortschritt ist eine Schnecke", beschrieb SPD-Vizechef Ralf Stegner im Verlauf des Abends den Fortgang der Gespräche. Trotz einiger Annäherungen blieben die Gesundheits- und die Arbeitsmarktpolitik die zentralen Streitpunkte. Dazu wurde auch um die Ressortverteilung unter den möglichen künftigen Koalitionären gefeilscht.
Nach Informationen aus Teilnehmerkreisen gab es in der Gesundheitspolitik weitere Annäherungen. Die SPD will weg von der "Zwei-Klassen-Medizin" von privat und gesetzlich Versicherten und hat dafür unter anderem eine Angleichung der Ärztehonorare für beide Versicherungsgruppen oder eine Öffnung der gesetzlichen Krankenversicherung für Beamte im Auge. Bei der Arbeitsmarktpolitik ging es vor allem um eine deutliche Einschränkung befristeter Arbeitsverhältnisse.
Trotz der anhaltenden Differenzen betonten alle Seiten ihren festen Willen, die Gespräche spätestens am Mittwochmorgen abzuschließen. Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel mahnte Kompromissbereitschaft an: "Jeder von uns wird schmerzhafte Kompromisse noch machen müssen." SPD-Chef Martin Schulz sprach vom "Tag der Entscheidung". CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt betonte: "Eingraben geht jetzt nicht mehr. Die Stunde der Wahrheit naht."
Arbeitszeit und Aufrüstung
Die finale Verhandlungsrunde hatte am Dienstagmorgen gegen 10 Uhr im Konrad-Adenauer-Haus der CDU begonnen. Eine erneute Verlängerung bis in den Mittwoch hinein war ursprünglich nicht geplant. Den Abschluss der Gespräche soll die rund 90-köpfige große Runde der Verhandler von CDU, CSU und SPD bilden. Wann diese zusammentreten kann, war unklar.
In der Außenpolitik ging es um Rüstungsexporte sowie die Ausgaben für die Bundeswehr und die Entwicklungshilfe. Die Union will sich bei den Verteidigungsausgaben dem Nato-Ziel von 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts nähern (derzeit 1,2 Prozent). Für die SPD hat dagegen Priorität, 0,7 Prozent in die Entwicklungshilfe zu stecken (2016: 0,52 Prozent).
Nach einem der dpa vorliegenden Entwurf für den Koalitionsvertrag waren auch noch andere Punkte in der Endphase der Verhandlungen strittig. Dabei ging es unter anderem darum, ob Unternehmen Abstriche bei den Arbeitszeitregeln erlaubt werden sollen, wenn sie tarifvertraglichen Bestimmungen unterliegen.
Kritik an möglicher Koalitionspolitik
Kritik an den bisher bekannt gewordenen Verhandlungsergebnissen kam von den Grünen. Ihr Vorsitzender Robert Habeck kritisierte in der Mediengruppe "Straubinger Tagblatt/Landshuter Zeitung", Union und SPD wollten im wesentlichen die Politik der vergangenen Jahre fortsetzen, "nur nehmen sie ein bisschen mehr Geld in die Hand". Das reiche einfach nicht.
Mittelstandspräsident Mario Ohoven kritisierte: "Schwarz-Rot hat sich mit viel Geld den Koalitionsfrieden erkauft. Damit folgt auf den wirtschaftspolitischen Stillstand der letzten Jahre schwarz-roter Rückschritt." Der Mittelstand werde kaum entlastet, Deutschland nicht fit für die Zukunft gemacht. "Fazit: Die Abkürzung GroKo steht für große Kosten, wenig Zukunft und viel Vergangenheit."
Bei der SPD müssen die mehr als 440.000 Mitglieder noch über den Koalitionsvertrag und die Regierungsbildung abstimmen. Das Verfahren wird etwa drei Wochen dauern und soll am 4. März abgeschlossen werden. Bei CDU und CSU entscheiden lediglich die Parteigremien in Vorstand und Präsidium. Eine Zustimmung gilt als sicher.
Quelle: ntv.de, bad/dpa/rts