Politik

Halbzeit der Koalitionsverhandlungen Union und SPD treten auf der Stelle

Die Kanzlerin lächelt, doch viele Fragen sind noch offen: Merkel bei den Koalitionsverhandlungen.

Die Kanzlerin lächelt, doch viele Fragen sind noch offen: Merkel bei den Koalitionsverhandlungen.

(Foto: AP)

Zur Halbzeit der Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD sind noch viele Fragen offen. So gibt es bei Steuern, Maut und Doppelpass noch keine Einigung. Klar ist allerdings bereits, dass Arbeit teurer wird. Das muss aber nicht heißen, dass Wirtschaft und Arbeitsmarkt darunter leiden, sagen Ökonomen.

Kurz vor dem SPD-Parteitag haben Sozialdemokraten und Union in zentralen Streitfragen keine wesentlichen Fortschritte erzielt. Heftig umstritten bleiben Mindestlohn, Renten, Steuern, Pkw-Maut, Doppelpass oder Bildung. Bei der Energiewende wurden in der großen Runde zwar erste Eckpunkte vereinbart - viele Details zur angestrebten Eindämmung steigender Strompreise sind aber ungeklärt. Geplante Einschnitte beim Ausbau der Windenergie könnten in SPD-regierten Nord-Ländern noch auf Widerstand stoßen. Mieter sollen künftig besser vor horrenden Mietpreisen geschützt werden.

Zur Halbzeit der Koalitionsverhandlungen übernahmen nach knapp drei Wochen die Parteispitzen stärker die Regie. Erstmals berieten sich Angela Merkel, Horst Seehofer und Sigmar Gabriel in kleiner Runde mit wenigen Vertrauten. Merkel sprach von einem guten Zwischenstand. Der Koalitionsvertrag soll am 27. November stehen. Eine Woche vorher müssen die Arbeitsgruppen fertig sein.

Kostenträchtige Beschlüsse wollen Union und SPD erst zum Ende ihrer Koalitionsverhandlungen besiegeln - soweit es die öffentlichen Kassen betrifft. Mit Beschlüssen zu fremden Lasten sind die künftigen Koalitionäre weniger bescheiden. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass unter der großen Koalition Arbeit teurer wird: Gesetzlicher Mindestlohn, voraussichtlich steigende Sozialbeiträge und Entgeltgleichheit für Frauen erhöhen die Lohnkosten. Die Wirtschaft sieht darin ein massives Risiko, während der gewerkschaftsnahe Ökonom Gustav Horn überzeugt ist: "Das hilft unserer Wirtschaft, das schadet ihr nicht."

Von der Leyen bekennt sich zu Mindestlohn

Ein gesetzlicher Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro, wie ihn die SPD fordert, würde nach Berechnungen des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) bedeuten, dass die Löhne von rund fünf Millionen Menschen steigen müssten. Der von Union und SPD erwogene Verzicht auf die Rentenbeitragssenkung 2014 und die absehbare Anhebung des Beitrages zur Pflegeversicherung lassen die Sozialbeiträge im Ergebnis steigen.

Dass es zum Mindestlohn kommt, machte CDU-Arbeitsministerin Ursula von der Leyen beim Kongress der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) klar. "Ja, dieses Land bekommt einen Mindestlohn. Und so, dass es keine weißen Flecken mehr gibt", sagte die Ministerin nach NGG-Angaben. Es komme nur darauf an, die "richtige Höhe zu finden".

Hinzu kommen Pläne der Verhandlungspartner, Leiharbeit dadurch zu verteuern, dass dem Grundsatz gleicher Bezahlung von Stammbelegschaften und Zeitarbeitern mehr Geltung verschafft wird. Aus Sicht der Wirtschaft wird ihr ein Stück Flexibilität genommen, ebenso wie mit der Abschaffung der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen, wie sie die SPD verlangt.

Gleiche Bezahlung von Frauen und Männern

"Es ist ein ungesundes Maß an unberechtigten Hoffnungen, wenn man davon ausgeht, dass alle diese Maßnahmen keine Arbeitsplätze kosten", sagte der Arbeitsmarktexperte des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Holger Schäfer. "Alle Vorzeichen, die wir setzen, sind negativ." Quantifizieren lasse sich das Ausmaß der Bedrohung für den Arbeitsmarkt aber nicht: "Wir können nicht einmal sagen, dass es schlechter wird, sondern nur, dass es sich negativer entwickelt als ohne."

Kostensteigernd wirkt auch das Vorhaben von Union und SPD, die gleiche Bezahlung von Frauen und Männern für gleiche Tätigkeiten gesetzlich durchzusetzen. Derzeit verdienen Frauen im Durchschnitt pro Stunde 22 Prozent weniger als Männer. Wenn die Statistiker berücksichtigen, dass sie vor allem in schlecht bezahlten Branchen arbeiten, seltener in Führungspositionen zu finden sind und jede zweite Frau in Teilzeit arbeitet, reduziert sich der Verdienstabstand auf sieben Prozent.

Ein Kostensprung in dieser Höhe durch das geplante Gesetz zur Entgeltgleichheit ist aber kaum zu erwarten. Zunächst sollen nur alle etwa 2000 mitbestimmungspflichtigen Unternehmen gezwungen werden, mit Entgeltberichten intern mehr Transparenz zu schaffen. Dennoch schimpft der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Eric Schweitzer: "Die Pläne zur Entgeltgleichheit sind ein Misstrauensvotum gegen die Unternehmen." Sie würden mit "pauschalen Urteilen und Bürokratie" konfrontiert. Am Ende seien nur zwei Prozent des Lohnunterschiedes nicht durch Gründe wie die häufiger unterbrochene Erwerbsbiografie von Frauen erklärbar.

Positiv sieht dagegen der Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Gustav Horn, die Vorhaben von Union und SPD. Es stimme, dass kurzfristig die Arbeit teurer werde. Das sei aber kein Schaden: "Wir haben im Moment kein Kostenproblem in unserer Volkswirtschaft, sondern ein Nachfrageproblem", sagte Horn zu Reuters. Ein Mindestlohn werde die Nachfrage konsumintensiver Einkommensschichten erhöhen. "Und das hilft unserer Wirtschaft, weil damit die Binnennachfrage gesteigert wird." Für die Entgeltgleichheit gelte mit Blick auf das Fachkräfteproblem: "Wenn wir Frauen stärker für den Arbeitsmarkt mobilisieren wollen, müssen wir sie auch anständig bezahlen."

Quelle: ntv.de, rts/dpa

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