Politik

Wenn Forscher auf Pegida treffen "Unsere Mitarbeiterinnen hatten Angst"

An der Pegida-Demo in Dresden am 12. Januar nahmen mehr als 20.000 Menschen teil.

An der Pegida-Demo in Dresden am 12. Januar nahmen mehr als 20.000 Menschen teil.

(Foto: REUTERS)

Ob Parteien oder Medien - viele Anhänger von Pegida lehnen Institutionen ab. Auch die Wissenschaft hat es deshalb schwer, einen Zugang zu der Bewegung zu bekommen. Dieter Rucht und sein Team haben trotzdem einen Versuch unternommen.

n-tv.de: Welchen Eindruck hatten Sie von Pegida, bevor Sie sich wissenschaftlich mit der Bewegung beschäftigt haben?

Dieter Rucht: Mir war klar, dass dort Rassisten und Hooligans mitmarschieren. Aber mein bisheriger Eindruck war auch: Ein guter Teil der Leute dort sind interessierte, sympathisierende Bürger, die man nicht eindeutig in die rechte Ecke stellen kann.

Hat sich diese Sicht durch Ihre wissenschaftliche Arbeit verändert?

Mein Bild war davor harmloser. Ich war wohlwollender. Durch die Vielfalt der Eindrücke, die ich mittlerweile sammeln konnte, und ergänzt um die Zahlen, die wir durch unsere Studie gewonnen haben, bin ich zu einem weitaus skeptischeren Bild gekommen.

Ergebnisse der Studie

Dieter Ruch ist Vorsitzender des Vereins Protest- und Bewegungsforschung, der die Studie zu Pegida durchgeführt hat. Der Verein bekommt Unterstützung durch das Wissenschaftszentrum Berlin. Die Technische Universität Berlin stellt zudem Räume und Infrastruktur. Für die Umfrage kamen Mittel von der Otto-Brenner-Stiftung und der Friedrich-Ebert-Stiftung hinzu. Sie gaben die Studie aber nicht in Auftrag und hatten nach Angaben des Vereins auch keinen Einfluss auf das Studien-Design.

Repräsentativ ist die Untersuchung nicht, unter anderem, da ein Großteil der Befragten sich weigerte, daran teilzunehmen. Die Ergebnisse gelten deshalb nur für einen kleinen Teil der Menschen, die am 12. Januar 2015 an der Demonstration in Dresden teilgenommen haben.

Die wichtigsten Ergebnisse:

  • Es handelt sich um eine männerdominierte Gruppe
  • Das Bildungsniveau ist relativ hoch
  • Sie haben kein Vertrauen in Institutionen wie Bundesregierung, Parteien oder Medien
  • 89 Prozent von ihnen würden die AfD wählen
  • Sie verbreiten teils rechtspopulistische und rechtsextreme Haltungen

Von was für Eindrücken sprechen Sie?

Wir waren mit 55 Leuten dort, darunter auch studentische Hilfskräfte, die wir auf diesen Einsatz vorbereitet hatten. Wir stießen überwiegend auf Ablehnung, zum Teil auf Aggression. Vor allem für die weiblichen Mitglieder unserer Gruppe war die Situation schwierig.

Haben Sie sich bedroht gefühlt?

In Einzelfällen ja. Wir hatten zwei junge Frauen dabei, die ein wenig südländisch aussehen. Diese Mitarbeiterinnen hatten im Grunde Angst.

Was war der konkrete Auslöser?

Das Auftreten einiger Leute dort. Sie waren ruppig, schroff und abweisend. Die beiden Mitglieder unserer Gruppe fühlten sich verbal weggestoßen, sie fühlten sich fremd und schwach. Besonders, wenn sie auf junge, machohaften Männergruppen trafen, die sehr raumgreifend auftraten.

Beim Blick auf Ihre Studienergebnisse verwundert das kaum. Was sind die auffälligsten Ergebnisse?

Eines muss ich klarstellen. Ich mache keine Aussagen über die Gesamtheit aller Pegida-Leute, unsere Studie ist nicht repräsentativ …

Lassen Sie uns darauf später im Detail eingehen. Was sind für Sie die zentralen Ergebnisse, die für einen Teil der Pegida-Bewegung Gültigkeit haben?

80 Prozent unserer Befragten sind Männer. Es handelt sich eher um ältere Leute, Teilnehmer unter 25 sind selten. Die befragten Teilnehmer kommen überwiegend aus Dresden. Wir wissen auch, dass sie relativ gut gebildet sind. Von diesen Leuten würden 89 Prozent die AfD wählen, wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre.

Sie stießen, das legen Ihre Zahlen zumindest nahe, auch vermehrt auf rechtsextreme und ausländerfeindlich gesinnte Menschen.

Die Leute vertreten zu erheblichem Anteil solche Positionen. Auffällig ist, dass sie auf politisch brisante Fragen oft Antworten liefern, die in die Kategorie teils/teils fallen. Dies entspricht dem Muster "Ja, aber...". Zum Beispiel: "Ich hab ja gar nichts gegen Ausländer, aber...".

Und was nach dem "Aber" kommt, steht dann im Widerspruch zum Vorsatz?

Ja.

Sie haben es bereits angedeutet, Ihre Studie ist nicht repräsentativ. Nur 123 Männer und Frauen nahmen an Ihrer Umfrage teil, eine Stichprobe, die für mehr als 20.000 Teilnehmer der Demonstration sehr klein ist.

Das stimmt, aber eine kleine Stichprobe ist nicht per se ein Problem. Es gibt auch Umfragen auf der Basis von 500 Befragten, die repräsentativ für 65 Millionen erwachsene Bundesbürger stehen. Gemessen daran haben wir eine große Stichprobe. Das Problem ist: Die Grundgesamtheit der Pegida-Leute ist unbekannt. Und wenn man diese nicht kennt, kann man auch keine verkleinerte Abbildung der gesamten Bewegung auswählen.

Hinzu kommt, dass viele Teilnehmer sich geweigert haben, an der Umfrage teilzunehmen.

Wir haben ungefähr 1800 Leute angesprochen. Von denen haben sich am Ende nur 670 bereiterklärt, unseren Handzettel anzunehmen. Und davon haben wiederum nur 123 an unserer Online-Umfrage teilgenommen. Wir wissen nichts über diejenigen, die keinen Zettel genommen haben. Und wir wissen auch nichts über jene, die zwar einen Zettel genommen haben, aber nicht bei der Befragung mitgemacht haben.

Wie aussagekräftig ist die Studie?

Die Studie sagt vieles über 123 Leute aus, die bei dieser Demonstration dabei waren. Vermuten kann man, dass es sich dabei um das moderatere und offenere Publikum von Pegida handelt.

Liefert man mit einer Studie, die eine so begrenzte Aussagekraft hat, nicht reichlich Stoff für Kritik? Pegida-Anhänger wettern bekanntlich gern über die "Lügenpresse" und halten Studien für gefälschte Umfragen im Staatsauftrag.

Wenn wir selber sagen, dass diese Studie nicht repräsentativ ist, kann uns keiner einen Vorwurf machen. Schon jetzt gibt es im Netz aber heftige Kritik.

Wie äußert die sich?

Es gibt viele, die offensichtlich gar nicht wissen, was wir gemacht haben. Die behaupten zum Beispiel: Online-Umfragen seien per se Quatsch, weil da jeder reinschreiben könne, was er wolle. Das war bei unserem Vorgehen aber gerade nicht möglich.

Planen Sie weitere Studien im Umfeld von Pegida?

Vorerst nicht, wir sind alle ein bisschen erschöpft. Das ist ja nicht nur ein logistischer Kraftakt, man muss solche Studien schließlich auch finanzieren.

Mit Dieter Rucht sprach Issio Ehrich

Quelle: ntv.de

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