"Ohne Werte keine Zukunft" Van Rompuy will starkes Europa
20.11.2009, 07:08 UhrDer frisch gekürte EU-Präsident fordert eine starke Rolle Europas in der Welt. Die EU sei eine Gemeinschaft der Werte, die es durchzusetzen gelte, erklärt Van Rompuy. Die 27 EU-Staaten hatten sich am Abend auf den Belgier als Präsidenten und die Britin Ashton als "EU-Außenministerin" geeinigt. Allerdings zeichnet sich an Europas künftiger Spitze bereits ein Kompetenzgerangel ab.
Der künftige EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy hat Europa an seine Verantwortung erinnert und zu einer wichtigen Rolle in der Welt aufgerufen. "Ohne viele unserer Werte kann es für diese Welt keine Zukunft geben", sagte der belgische Ministerpräsident nach seiner Ernennung durch die 27 Mitgliedsstaaten. Die Europäische Union habe großen wirtschaftlichen Einfluss und vertrete eine halbe Milliarde Menschen. "Sie ist ein soziales Projekt, in dem Solidarität und Kreativität grundlegend sind. Europa ist eine Gemeinschaft der Werte."
Van Rompuy sprach sich zugleich für die Aufnahme weiterer Länder in die EU auf. "Ich hoffe auch, dass sich die Union in den kommenden zweieinhalb Jahren vergrößern wird, um Länder, die natürlich die Bedingungen erfüllen." Auf die Frage, wie er zu einem Beitritt der Türkei stehe, antwortete er bei der anschließenden Pressekonferenz: "Ich ordne meine persönliche Meinung vollständig den Ansichten des Europäischen Rats unter. Es kommt nicht darauf an, was ich denke." Seine Aufgabe sei es, zu allen Fragen, darunter auch einem Beitritt der Türkei, einen Konsens zu erreichen.
Unbekannte Persönlichkeiten

Europas Gesicht in der Welt: Die Britin Ahston wird Hohe Repräsentantin für Außenpolitik.
(Foto: dpa)
Nach wochenlangem Tauziehen hatten sich die Staats- und Regierungschefs der EU am Donnerstagabend auf die neue politische Führung verständigt. Der 62 Jahre alte Belgier Van Rompuy wird zum 1. Januar der erste ständige EU-Ratspräsident. Die bisherige EU-Handelskommissarin Catherine Ashton wird bereits zum 1. Dezember als Hohe Repräsentantin Europas erste "Außenministerin". Sie wird auch Vizepräsidentin der EU-Kommission.
Mit ihrer Kompromissentscheidung votierten die Staats- und Regierungschefs für zwei Politiker, die in weiten Teilen Europas so gut wie unbekannt sind. Die Posten werden mit dem Reformvertrag von Lissabon neu geschaffen, der nach langem Ringen am 1. Dezember in Kraft treten wird. Die EU beendet mit den Nominierungen eine acht Jahre lange Krise um ihre innere Reform. Der neue Vertrag soll die Gemeinschaft von 500 Millionen Menschen demokratischer und transparenter machen.
US-Präsident Barack Obama hat dem neuen EU-Führungsduo zu seiner Ernennung gratuliert. Die Entscheidung für den belgischen Regierungschef Van Rompuy als "ersten Vollzeit- Präsidenten" der EU werde nach Meinung Obamas die Beziehungen der USA und Europas stärken, teilte sein Sprecher Robert Gibbs in Washington mit. "Die USA haben keinen stärkeren Partner als Europa, um Sicherheit und Wohlstand weltweit voranzubringen", heißt es in der Erklärung des Weißen Hauses.
EU steht vor Kompetenzgerangel
Noch ist allerdings nicht klar, wie die neuen EU-Spitzenvertreter, zu denen sich noch Kommissionspräsident Barroso und die jeweilige, im Halbjahrestakt rotierende EU-Ratspräsidentschaft kommen, künftig miteinander auskommen werden. Luxemburgs Premierminister Jean-Claude Juncker, lange selbst als Favorit für den Spitzenposten gehandelt, übte Kritik. Die von ihm seit zwei Jahren angemahnte Debatte über die Kompetenzen des Ratspräsidenten habe es nie gegeben.
Einhellig begrüßten die Gipfelteilnehmer ihre Entscheidung. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte: "Es waren Konsensentscheidungen." Van Rompuy habe seine Fähigkeiten in einer sehr langen politischen Karriere gezeigt. Er genieße in den Benelux- Staaten "eine sehr, sehr hohe Hochachtung." Zur Labourpolitikerin Ashton sagte sie: "Sie ist für diese Aufgabe eine fähige und sehr geeignete Persönlichkeit." Auch der französische Präsident Nicolas Sarkozy nannte die Entscheidung für Van Rompuy eine "ausgezeichnete Wahl".
Der Franzose Pierre de Boissieu wurde vom EU-Gipfel als Generalsekretär des EU-Ministerrates bestätigt. Wenn er in eineinhalb Jahren ausscheidet, soll der Europaexperte im deutschen Kanzleramt, Uwe Corsepius, Nachfolger auf diesem "Strippenzieherposten" werden.

Schwedens Ratspräsident Reinfeldt präsentierte zufrieden die Einigung der 27 Staaten.
(Foto: REUTERS)
Schon vor Beginn des Gipfels hatte der britische Premier Gordon Brown, lange Zeit wegen seines Festhaltens an seinem Vorgänger Tony Blair als Quertreiber verschrieen, die Weichen gestellt. Bei einem Treffen der sozialdemokratischen Regierungschefs verzichtete er nach wochenlangem Gefeilsche darauf, den nicht mehrheitsfähigen Blair auf den Posten des Ratspräsidenten zu hieven.
"Glanzlose Besetzung"
Die Grünen im Europaparlament haben die Besetzung als "glanzlos" bezeichnet. Die Staats- und Regierungschefs hätten mit ihrer Personalentscheidung "ihren Kurs der Schwächung der europäischen Institutionen konsequent fortgesetzt", erklärte der Ko-Präsident der Grünen-Fraktion, Daniel Cohn-Bendit. Mit Van Rompuy habe Europa nun "einen blassen Ratspräsidenten" und mit Ashton "eine unauffällige Hohe Vertreterin für die Außen- und Sicherheitspolitik". Damit sei die EU "auf einem Tiefpunkt angelangt". Cohn-Bendits Kollegin an der Fraktionsspitze, Rebecca Harms, würdigte es aber als "Erfolg" der Forderungen aus dem Parlament, dass es mit Ashton nun doch eine Frau auf einen der beiden Spitzenposten geschafft habe.
Quelle: ntv.de, rts/dpa/AFP