Politik

Nach Anti-Islam-Film Verfassungsschutz fürchtet Gewalt

Unter anderem in Freiburg ist am Wochenende eine Demonstration geplant.

Unter anderem in Freiburg ist am Wochenende eine Demonstration geplant.

(Foto: dpa)

In höchster Anspannung harrt der Westen der Freitagsgebete in der islamischen Welt. Der Verfassungsschutz beobachtet die Entwicklung in Deutschland nach der Veröffentlichung des islamfeindlichen Schmähvideos aufmerksam. Vor allem das Emotionalisierungspotenzial der Salafisten sei groß, sagt Verfassungsschutzpräsident Maaßen.

In Pakistan brannten erneut US-Flaggen.

In Pakistan brannten erneut US-Flaggen.

(Foto: AP)

Angesichts der gewaltsamen Proteste gegen einen Anti-Islam-Film hat sich der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, besorgt gezeigt. Derzeit bestehe für Deutschland keine konkrete Gefahr, "eine abstrakte Gefahr schon", sagte Maaßen der Deutschen Welle. Das Emotionalisierungspotenzial bei Salafisten sei "sehr groß". Wenn der Film in Deutschland öffentlich gezeigt würde oder Mohammed-Karikaturen in deutschen Zeitungen zu sehen wären, seien konkrete Gewaltakte auch in Deutschland oder gegen deutsche Interessen im Ausland "nicht auszuschließen".

Derzeit seien deutsche Diplomaten und Entwicklungspolitiker gefordert, positiv auf die Entwicklung Einfluss zu nehmen, betonte Maaßen. Ziel müsse es sein, dass die Situation in den Staaten des sogenannten arabischen Frühlings nicht außer Kontrolle gerate.

Zugleich sieht der Verfassungsschutz-Präsident einen direkten Zusammenhang zwischen islamfeindlichen Tendenzen und den Aktivitäten salafistischer Gruppen in Deutschland. Selbst wenn Rechtspopulisten oder Rechtsextremisten im Grunde nur das Recht auf Meinungsfreiheit für sich in Anspruch nähmen, provozierten sie Salafisten, die dann auch bereit seien, Gewaltakte zu begehen.

Er verwies auf die Kampagne der rechtsgerichteten Partei Pro NRW im Zusammenhang mit der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen im Mai 2012. Nach der provozierenden Zurschaustellung von Mohammed-Karikaturen vor Moscheen hätten Salafisten auf offener Straße Gewaltakte begangen und auch Polizisten schwer verletzt, sagte Maaßen.

"Pro Deutschland" hält an Vorführung fest

Inzwischen kündigte die rechtspopulistische Splitterpartei "Pro Deutschland" an, sie wolle das islamfeindliche Video notfalls auch in Büroräumen in Berlin zeigen. Falls sich kein Kino für eine Aufführung des kompletten Films finden sollte, habe man bereits verschiedene Angebote, sagte Bundesgeschäftsführer Lars Seidensticker und bestätigte damit einen Bericht der "Welt". Pro Deutschland wolle zu der Aufführung auch Vertreter von islamischen Verbänden für eine Diskussion einladen.

Berlins Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD) hatte alle Kinobetreiber zu einem Boykott aufgerufen. Ein Verbot der öffentlichen Vorführung wird derzeit geprüft. "Pro Deutschland" hatte bereits Ausschnitte des Films auf ihrer Webseite gezeigt. Wenn es weiteren Bedarf gebe, werde man den Film auch in anderen Städten zeigen - etwa in Hamburg, Hannover oder München, kündigte Seidensticker an. "Vielleicht machen wir sogar eine Tour."

Plakataktion wird verschoben

Wegen der aufgeheizten Stimmung verschiebt das Bundesinnenministerium , die unter muslimischen Verbänden für Unmut gesorgt hatte. Grund sei eine aktuelle Bewertung der Gefährdungslage durch das Bundeskriminalamt, erklärte das Ministerium in Berlin.

Muslimische Verbände hatten sich kritisch über die Plakat-Kampagne unter dem Titel "Vermisst" geäußert, die Eltern, Bekannte und Freunde dazu aufruft, sich an die Beratungsstelle Radikalisierung zu wenden, wenn sie extremistische Bestrebungen bei jungen Muslimen feststellen. Auf den Postern waren unter der Überschrift "Vermisst" Porträts junger Muslime zu sehen. Bis auf die Plakat-Aktion solle die Öffentlichkeitskampagne wie geplant fortgesetzt werden, erklärte das Ministerium.

Befürchtungen vor Freitags-Gebeten

In der islamischen Welt hat das Video massive Proteste und eine Welle der Gewalt ausgelöst, in Libyen wurden als Reaktion auf den Film der US-Botschafter und drei weitere Amerikaner umgebracht. Bei gewaltsamen Protesten und Angriffen in muslimischen Ländern sind bislang mehr als 30 Menschen getötet worden. Der Film "Unschuld der Muslime" stellt den islamischen Propheten Mohammed unter anderem als vertrottelten, lüsternen Bösewicht, als schwul und als Kinderschänder dar. Allein die Darstellung des Propheten als Mensch ist für strenggläubige Muslime anstößig. Die Proteste in mehreren muslimischen Ländern richten sich inzwischen auch gegen die umstrittenen Mohammed-Karikaturen, die von der französischen Satire-Zeitung "Charlie Hebdo" am Mittwoch veröffentlicht worden waren.

In deutschen Städten wollen am Wochenende Tausende Muslime gegen das umstrittene Islam-Video auf die Straße gehen. Am Freitag werden in Freiburg rund 800 Menschen erwartet, in Karlsruhe wollen am Samstag etwa 1000 Muslime demonstrieren. Auch in Nordrhein-Westfalen sind in den kommenden Tagen Proteste angemeldet. Am Freitag will ein Verein unter dem Motto "Gegen den religionsbeleidigenden Film im Internet" in der Münsteraner Innenstadt demonstrieren. Am Samstag steht eine Demonstration in Dortmund unter dem Motto "Gegen die Beleidigung des Propheten".

In Niedersachsen sind wegen des Films zwei Kundgebungen in Hannover und Cuxhaven geplant, in Hannover gibt es am Sonntag dann eine weitere Demonstration. Nach Angaben des Innenministeriums in Niedersachsen gilt trotz der Proteste keine höhere Sicherheitsstufe im Land.

Quelle: ntv.de, dpa/AFP

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