Politik

"Wir brauchen die Türkei" Verheugen für EU-Beitritt

Der scheidende EU-Industriekommissar Günter Verheugen hält einen Beitritt der Türkei zur Europäischen Union aus strategischen Gründen für unverzichtbar. "Wir brauchen die Türkei mehr als die Türkei uns braucht", sagte der SPD-Politiker dem Deutschlandfunk. "Sie ist strategisch von der allergrößten Bedeutung." Wenn die Türkei einen anderen Weg gehen würde als den der festen Verankerung in der westlichen Staatengemeinschaft, wäre das "ein sehr, sehr großes Risiko für uns, das wir lieber nicht eingehen sollten".

Für Verheugen hat die Türkei strategisch "allergrößte Bedeutung".

Für Verheugen hat die Türkei strategisch "allergrößte Bedeutung".

(Foto: dpa)

Wenn die Türkei hingegen als erstes großes Land der Welt mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung demonstrieren würde, dass Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit auch in einem solchen Land uneingeschränkt verwirklicht werden können, wäre das "ein ungeheurer Vorteil für uns". Dennoch gebe es für die Türkei "keine erleichterten Beitrittsbedingungen, nur weil sie strategisch für die Europäische Union so wichtig ist", sagte Verheugen.

In einer privilegierten Partnerschaft, wie sie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) anstrebt, sieht Verheugen keinen Gewinn für die Türkei: "Eine privilegierte Partnerschaft haben die Türken bereits", sagte der Vize-Kommissionspräsident. "Sie sind der Europäischen Union ja stärker verbunden als alle Anderen. Sie haben ja bereits die Zollunion. Ich wüsste nicht, was man der Türkei noch mehr geben könnte, was über das hinaus geht, was sie jetzt schon hat, aber unterhalb der Mitgliedschaft bleibt."

Tschechiens Wünsche erfüllen

Verheugen zeiget sich zudem zuversichtlich, dass die Bedingung von Tschechiens Präsident Vaclav Klaus für eine Unterzeichnung des EU-Reformvertrages erfüllt werden kann. Zu der geforderten Verankerung der Benes-Dekrete in einer Ausnahmeklausel sagte Verheugen, vergleichbare Wünsche von Polen seien erfüllt worden. Dies habe keine großen Probleme bereitet. "Es macht auch deshalb keine Probleme, weil Deutschland ja überhaupt keine Ansprüche an Tschechien stellt", sagte Verheugen. Politisch sei eine Lösung also möglich, die technische Umsetzung sei nun Sache der Staats- und Regierungschefs.

Der tschechische Präsident hatte vor der Unterzeichnung des Lissabon-Vertrages eine Ausnahmeklausel für sein Land von der EU-Grundrechtecharta gefordert. Er begründete dies mit etwaigen Rückgabeforderungen von Sudetendeutschen und Ungarn, die nach dem Zweiten Weltkrieg auf Grundlage der Benes-Dekrete enteignet und vertrieben worden waren.

Damit der Reformvertrag in Kraft treten kann, das die EU handlungsfähiger und demokratischer machen soll, fehlt nur noch die Unterschrift des tschechischen Präsidenten. Klaus muss allerdings auch noch ein Urteil des tschechischen Verfassungsgerichts abwarten, das derzeit die Verfassungsmäßigkeit des Vertrages prüft. Das Urteil wird am 27. Oktober erwartet.

Quelle: ntv.de, AFP

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