Ruhani verliert gegen Hardliner Viele Iraner boykottieren die Wahl
22.02.2020, 18:27 Uhr
Irans Präsident Ruhani gibt seine Stimme ab. Nach ersten Hochrechnungen liegt sein Reformerlager bei der Parlamentswahl weit zurück.
(Foto: picture alliance/dpa)
Im Iran wird ein neues Parlament gewählt, doch fast alle Kandidaten sind Hardliner. Entsprechend sagen erste Hochrechnungen dem Reformerlager um Präsident Ruhani eine Niederlage voraus. Doch die Wähler haben dem Regime trotzdem einen Denkzettel verpasst: Sie gingen nicht zur Wahl.
Bei der Parlamentswahl im Iran liegen die Konservativen ersten Auszählungen zufolge in Führung. Laut einer von der Nachrichtenagentur Fars veröffentlichten inoffiziellen Auszählung standen die Gewinner von 183 der insgesamt 290 Parlamentssitze bereits fest. Demnach gehen 135 Sitze an konservative Kandidaten, 20 an Reformer und 28 an unabhängige Kandidaten. Im Wahlkreis Teheran, der 30 Abgeordnete stellt, hatten konservative und ultrakonservative Kandidaten laut der nationalen Wahlkommission einen deutlichen Vorsprung vor moderaten Bewerbern.
Bis Samstagnachmittag waren laut Wahlkommission 71 der landesweit 208 Wahlkreise ausgezählt. Dort zeichne sich ein klarer Vorsprung der Konservativen ab, sagte Wahlkommissionssprecher Esmail Mussawi. Die meisten Stimmen entfielen demnach auf den früheren Polizeichef und Revolutionswächter Mohammed Bagher Ghalibaf. Die Endergebnisse für Teheran wie auch für den Rest des Landes sollten nach Angaben des Sprechers spätestens am Sonntagmorgen vorliegen.
Viele der ursprünglich rund 16.000 Kandidaten waren durch den konservativen Wächterrat bereits im Vorfeld von der Wahl ausgeschlossen worden. Besonders die Reformer um Präsident Ruhani hatten bei der Wahl extrem schlechte Karten: Fast 75 Prozent ihrer Kandidaten lehnte der Wächterrat ab, der nach der Verfassung über die ideologische Standfestigkeit der Kandidaten wacht. Der Wächterrat ist kein demokratisch gewähltes Gremium und seine Kriterien sind höchst umstritten. Die Reformer hoffen, dass sie zumindest 50 der 290 Parlamentssitze gewinnen können, um nicht ganz von der Gesetzgebung abgeschnitten zu werden.
Trumps harter Kurs schwächte Reformer
Neben dem Wächterrat verschaffte auch die Politik von US-Präsident Donald Trump den Hardlinern Rückenwind. Trumps einseitiger Ausstieg aus dem Wiener Atomabkommen und seine drakonischen Wirtschaftssanktionen schwächten Ruhani und das gesamte Reformlager. Für die Konservativen und insbesondere die Hardliner, die gleich Trump von Anfang an gegen das Atomabkommen und eine Annäherung des Irans an den Westen waren, wurde der US-Präsident nach Ansicht von Beobachtern so zu einer Art Verbündeten.
Kritisch könnte für die gesamte politische Führung jedoch die Wahlbeteiligung werden. Das Regime hatte sich für die Wahlbeteiligung eine Messlatte zwischen 55 und 60 Prozent gesetzt. Nur eine hohe Beteiligung kann als Beleg für die Unterstützung des Volkes für das islamische Regime gewertet werden. Obwohl noch keine amtlichen Zahlen vorliegen, sprechen informierte Quellen von einer Wahlbeteiligung von landesweit 42 Prozent und in Teheran sogar nur 27 Prozent.
Um schon in der ersten Runde ins Parlament zu kommen, benötigen die Kandidaten mindestens 20 Prozent der abgegebenen Stimmen in ihren Wahlbezirken. Sonst müssen sie an einer Stichwahl teilnehmen, die für Mitte April geplant ist. Da wird auch eine einfache Mehrheit ausreichen. Das neue Parlament nimmt seine Arbeit Ende Mai auf.
Quelle: ntv.de, mau/AFP/dpa