Zweifel an der Flugaufsicht Warum flog MH17 über die Ukraine?
04.12.2014, 02:44 Uhr
November, im Osten der Ukraine: Inmitten anhaltender Kämpfe bergen Experten Wrackteile von Malaysia Airlines Flug MH17.
(Foto: REUTERS)
Viereinhalb Monate nach dem Abschuss von Flug MH17 erhebt ein Militärexperte Vorwürfe gegen die ukrainischen Behörden. Spielte Geld bei der Luftraumsperrung eine Rolle? In den Niederlanden verschwindet eine heikle Textstelle aus den offiziellen Berichten.
Die ukrainische Flugaufsicht hätte nach Ansicht eines Experten des Stockholmer Instituts für Friedensforschung (Sipri) den Luftraum über dem Osten des Landes schon vor dem Abschuss der Passagiermaschine MH17 am 17. Juli vollständig sperren müssen.
Erst drei Tage zuvor war eine Antonov-Militärmaschine in einer Höhe von 6500 Metern abgeschossen worden. Ein solcher Abschuss sei "nur mit schweren Flugabwehr-Raketensystemen" möglich gewesen, sagte Siemon Wezeman von SIPRI einem Team von Reportern von WDR, NDR, SZ und des niederländischen Investigativ-Netzwerks ARGOS.
Klarer Anlass für die Luftraumsperrung
Diese größeren Raketensysteme zur Flugabwehr erreichten "normalerweise ohne Probleme Höhen zwischen 10.000 und 13.000 Metern", heißt es in einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung". Die malaysische Passagiermaschine war in Höhe von rund 10.000 Metern abgeschossen worden. 298 Menschen kamen ums Leben. Man müsse sich "wirklich wundern", so Wezeman, "warum die ukrainischen Behörden den Luftraum in der Region nicht komplett gesperrt haben".
Die ukrainische Flugsicherung hatte nach dem Abschuss der Antonov lediglich eine Teilsperrung des Luftraums bis zu einer Höhe von 9750 Metern veranlasst. Den Recherchen des Investigativ-Teams zufolge könnte der Verzicht der ukrainischen Flugaufsicht auf eine vollständige Sperrung des Luftraums womöglich mit der finanziellen Situation des Landes zusammenhängen.
Hinweise im Untersuchungsbericht
In der Ukraine könnte staatliche Stellen einen Ausfall bei den Gebühren für die Überflugrechte ziviler Passagiermaschinen befürchtet haben, heißt es. Vor dem MH17-Abschuss hätten etwa 700 Passagiermaschinen jeden Tag die Ukraine überquert. Dies habe dem finanziell geschwächten Land bis zu zwei Millionen Euro für die Überflugrechte täglich eingebracht.
Der Anwalt Elmar Giemulla, der Hinterbliebene deutscher Opfer des Absturzes vertritt, hegt den Verdacht, dass die Ukraine auf diese Überfluggebühren nicht verzichten wollte. Giemulla: Wenn solche Summen "dann ausfallen für die Zeit einer Rebellion - die ja völlig undefinierbar ist - dann sind das Einnahmen erheblichster Art, die dann der jeweiligen Regierung verloren gehen", zitiert die SZ den Juristen. "Hierauf wollte die ukrainische Regierung offenbar nicht verzichten".
Keine neuen Hinweise auf die Täter
Den Recherchen zufolge wurde in einer unveröffentlichten Version des niederländischen Zwischenberichts zu den Ursachen des Absturzes auf die zeitweilige Sperrung des Luftraums durch die Ukraine nach dem Abschuss der Antonov hingewiesen. In der offiziellen Version des Zwischenberichts ist der fragliche Satz nicht mehr enthalten.
Die zuständige Behörde in den Niederlanden bestätigte die Streichung und begründete gegenüber den Journalisten schriftlich, es sei "nicht zu hundert Prozent" sicher gewesen, dass die Information in dem Satz korrekt gewesen sei. Das ukrainische Verkehrsministerium wollte sich zu den Vorwürfen zunächst nicht äußern und verwies auf einen laufenden Ministerwechsel.
Quelle: ntv.de, mmo