Politik

Warnung vor "dem Unheil" Warum macht die Kanzlerin uns Angst?

Fürchtet das "Unheil" - Angela Merkel.

Fürchtet das "Unheil" - Angela Merkel.

(Foto: dpa)

Ungewöhnliche Wortwahl für die Kanzlerin: Mit ihrer Warnung vor "dem Unheil" sorgt Angela Merkel für Schlagzeilen. Der Einsatz der drastischen Formulierung hat Strategie.

So ernst und frustriert klang Angela Merkel lange nicht. Nach der Runde mit den 16 Länderministerpräsidenten hieß es, die Kanzlerin habe vor "dem Unheil" gewarnt, dass über Deutschland kommen werde, wenn nicht mit schärferen Regeln gegen die rasante Ausbreitung des Coronavirus eingeschritten werde. Etliche der Länderchefs wollten ihrer harten Linie trotzdem nicht folgen, weshalb Merkel hinterher ihrer Unzufriedenheit ungewöhnlich deutlich Luft machte.

Sie dürfte vielen Bürgern einen gehörigen Schrecken eingejagt haben - und zwar mit Absicht. Nach dem Motto: Wenn selbst die sonst so abgebrühte Kanzlerin von "Unheil" spricht und frustriert eine Krisensitzung verlässt - dann muss wirklich Gefahr im Verzug sein. Noch dazu lässt Merkel ihren Kanzleramtschef Helge Braun seitdem in Interviews weiter dramatische Warnungen verbreiten.

Ernste Appelle schlagen nicht mehr durch

Von "überflüssige Panikmache" bis "endlich mal Klartext" reicht das Echo darauf. Aber wie immer man zu dem Manöver steht - warum macht Angela Merkel das? Einige Gründe gibt es:

Merkel konnte sich mit ihrer härteren Linie nicht gegen eine Gruppe von Ministerpräsidenten durchsetzen. Die düsteren Warnungen der überaus beliebten Kanzlerin erhöhen nun den Druck auf diese Gruppe und bringen sie in die politische Defensive: Die Ministerpräsidenten müssen allen Merkel-Anhängern erklären, warum sie der Kanzlerin in die Parade gefahren sind.

Mit der für ihre Verhältnisse ungewöhnlich dramatischen Wortwahl dürfte Merkel viele Bürger direkt erreichen und bei ihnen mehr Regeltreue und Vorsicht bewirken. Sie umläuft gleichsam die Ministerpräsidenten und könnte ein Verhalten der Bürger erreichen, das schärferen Regeln durchaus entspricht - obwohl die gar nicht beschlossen wurden.

Die öffentlich gemachten Warnungen dienen natürlich auch dazu, die Verantwortung für die Entwicklung der nächsten zehn Tage von Merkel fernzuhalten und sie jenen Ministerpräsidenten zuzuschieben, die schärfere Regeln verhindert haben. Sollten die Infektionszahlen weiterhin so sprunghaft steigen wie in den letzten Tagen, wird die Kanzlerin immerhin sagen können: Ich habe ja von Anfang an gewarnt, hättet Ihr bloß auf mich gehört. Auch das stärkt ihre politische Position für die nächsten Verhandlungen.

Einen zweiten Lockdown wollen alle vermeiden, das darf man auch den Ministerpräsidenten abnehmen. Auch sind der Kanzlerin in den letzten Monaten durchaus Fehler unterlaufen, sie musste mehrfach (etwa bei der Maskenpflicht) ihren Kurs korrigieren. Sie ist mit ihrer harten Linie also gewiss nicht über jede Kritik erhaben. Aber sie hat sich festgelegt: Aus Angst vor dem Lockdown will sie den Bürgern Angst vor dem Lockdown machen - damit sie sich freiwillig so verhalten, dass es keinen geben muss. Offenbar traut Angela Merkel ernsten Appellen nicht mehr die nötige Durchschlagskraft zu. Auch das ist ein Zeichen, wie alarmiert sie ist.

Quelle: ntv.de

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