Grüner Verschwörungsfreund Wer Trump und Biden verachtet, unterstützt Robert F. Kennedy
10.04.2024, 19:27 Uhr Artikel anhören
Robert F. Kennedy mischt das Zweiparteiensystem auf.
(Foto: IMAGO/ZUMA Wire)
Seit 30 Jahren war kein unabhängiger Präsidentschaftskandidat mehr so populär wie Robert F. Kennedy Junior. Der frühere Umweltaktivist spricht sowohl Demokraten als auch Republikaner an - und könnte am Ende trotzdem Joe Biden oder Donald Trump zum Sieg verhelfen.
Wenn der Mann mit dem berühmten Nachnamen spricht, wird es leicht unangenehm. Robert F. Kennedys Stimme klingt angestrengt und unvollständig, so als würde sie jeden Moment wegbrechen. "Leute, die mir zuhören müssen, tun mir leid", sagt RFK Junior, wie er in US-Medien meist nur genannt wird. "Wenn ich besser klingen könnte, würde ich es tun." Kennedy hat krampfhafte Dysfonie; seine Stimmbänder machen mehr oder weniger, was sie wollen. Doch die US-Amerikaner hören nicht weg. Im Gegenteil.
Kennedy ist US-Präsidentschaftskandidat und seit seiner Ankündigung vor einem Jahr bekommt er langsam, aber sicher mehr Aufmerksamkeit. Seine Unabhängigkeit - und mutmaßlich sein bekannter Nachname - machen ihn offenbar attraktiv. Anhänger nennen ihn "Bobby". Eigentlich könnte er aufgeben, denn Drittkandidaten haben in den USA keine Chance auf einen Wahlsieg. Doch er ist der populärste Parteiunabhängige seit drei Jahrzehnten: Kennedy zieht ungewöhnlich viele Wähler an. In mancher landesweiten Umfrage hat er sich der 20-Prozent-Marke angenähert. Im Schnitt liegt er bei 8,5 Prozent.
Ansichten nicht so wichtig
Der Sohn des 1968 ermordeten Justizministers und Senators Robert F. Kennedy, sowie Neffe von US-Präsident John F. Kennedy, der fünf Jahre zuvor erschossen wurde, trifft einen besonderen Ton. Der 70-Jährige aus der Familie von Demokraten hat jahrzehntelange Erfahrung als Umweltaktivist und Anwalt, ist elitenkritisch und rebellisch, grün und liberal, manchmal rechts blinkend, überholt aber nicht. Doch RFK passt in die thematischen Räume zwischen dem zuweilen frei drehenden Donald Trump und US-Präsident Joe Biden.
Kennedys politische Positionen sind dabei laut Meinungsforschern derzeit nicht so wichtig, ihm reichen zwei Eigenschaften: Er ist weder Biden noch Trump. Die Mehrheit der US-Amerikaner möchte nicht weitere vier Jahre mit dem Präsidenten, aber auch keine erneute Amtszeit seines Herausforderers der Republikaner. Wer beide ablehnt oder sogar verachtet, könnte sich im November für Kennedy entscheiden.
Er hat auch Positionen, mit denen er bei den Demokraten derzeit kaum unterkommen könnte: Kennedy ist Impfgegner und hält öffentliche Gesundheitspolitik für falsch, weil er eigener Aussage zufolge die Macht der Pharmakonzerne einschränken will. Er kritisiert die militärische Unterstützung der Ukraine. Biden wirft er vor, ihn während der Covid-Pandemie gezielt "zensiert" zu haben.
Zugleich hat er ein Programm, was ihn für einige Konservative unwählbar machen dürfte: Er tritt für deutlich mehr Umweltschutz ein, will den landesweiten Mindestlohn auf 15 Dollar erhöhen, die öffentliche Kinderbetreuung ausbauen, Gewerkschaftsrechte stärken und den Lobbyismus großer Konzerne in Washington einschränken.
Die Kosten für den Kauf eines Eigenheims will er drücken - sie haben sich in den vergangenen vier Jahren fast verdoppelt. Zur Gegenfinanzierung möchte er etwa die Militärausgaben eindampfen. Zudem tritt er für mehr Bürgerrechte ein, will etwa den Datenschutz verbessern, die Überwachung verringern und den "Drogenkrieg" beenden. Die Südgrenze zu Mexiko will er undurchlässiger für Einwanderer machen.
Hohe Hürden, aber in Sichtweite
Sollte Kennedy es schaffen, in fünf landesweiten Umfragen auf mindestens 15 Prozent Zustimmung zu kommen, könnte er im September oder Oktober sogar zu möglichen Fernsehdebatten eingeladen werden. Aus einem Duell zwischen Biden und Trump würde ein Triell. Das haben die USA noch nie erlebt. Die zweite Bedingung dafür ist, dass er in genügend Bundesstaaten für die Wahl zugelassen wird, um rechnerisch gewinnen zu können. In vielen Bundesstaaten ist dafür ein Vizepräsidentschaftskandidat nötig - das ist bei RFK die wohlhabende kalifornische Anwältin Nicole Shanahan.
Kennedy spricht mit seinen Positionen den Durchschnittsbürger an, während Biden und Trump tendenziell ihre eigene Klientel bedienen. Seine Wähler kommen zu fast gleichen Anteilen von Demokraten und Republikanern. Dazu kommen unabhängige Wähler. Gefährlich könnte er Biden und Trump insbesondere in den umkämpften Bundesstaaten werden, wo schon kleinste Unterschiede über Sieg und Niederlage entscheiden. Bei den Präsidentschaftswahlen gilt in fast allen Bundesstaaten das "winner takes it all"-Prinzip: Der Erfolg kann noch so knapp sein, sämtliche Wahlleute dieses Bundesstaates fallen an den Sieger.
Angesichts seiner politischen Positionen und Herkunft sind vorwiegend die Demokraten besorgt, dass Kennedys Wahlkampf am Ende Biden die Präsidentschaft kosten und Trump ins Weiße Haus hieven könnte. "Wir wissen, dass die nächste Präsidentschaft hier im Bundesstaat von ein paar Tausend Stimmen entschieden werden wird", sagte etwa die für die Wahl zuständige Ministerin im Bundesstaat Michigan. "Es gibt absolut keinen Weg für Kennedy zur Präsidentschaft, und er weiß es."
RFK hingegen betont, seine Popularität zeige, dass die US-Amerikaner unzufrieden mit dem Zweiparteiensystem seien. "Präsident Biden braucht meine Hilfe nicht, um die Wahl zu verlieren", behauptete Kennedy im Februar. Auch wenn das stimmen sollte: Er könnte sie wahrscheinlicher machen.
Quelle: ntv.de