Politik

Erpressung leicht gemacht Wie Deutschland dem IS hilft

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(Foto: REUTERS)

Die USA und Großbritannien zahlen kein Lösegeld, obwohl ihre Staatsbürger dann vor laufender Kamera hingerichtet werden. Stattdessen gibt es Vorwürfe gegen Deutschland und Frankreich: Sie finanzieren Terroristen und machen das Geschäft mit den Geiseln erst richtig lukrativ.

James Foley und Steven Sotloff werden nicht die letzten westlichen Geiseln gewesen sein, die von IS-Kämpfern vor laufender Kamera ermordet werden. In der Gewalt des IS befindet sich mindestens noch ein Brite, seine Tötung haben die Islamisten schon angekündigt. Dabei waren zu Beginn des Jahres noch vier Franzosen freigekommen, nachdem sie fast ein Jahr als Geiseln gehalten wurden. Den Unterschied macht die Politik ihrer Herkunftsländer. Die USA und Großbritannien lehnen es grundsätzlich ab, Lösegeld zu bezahlen. Viele andere Staaten bringen dagegen große Summen auf, um ihre Bürger zu befreien.

US-Amerikanern und Briten passt das gar nicht. Sie werfen ihren Partnern vor, das Geschäft mit dem Kidnapping erst lukrativ zu machen und damit immer weitere Menschen in Gefahr zu bringen. "Große europäische Staaten, die bereit sind, Millionen von Euro zu zahlen, haben die Preise für andere Gefangene in die Höhe getrieben", schreibt der britische "Guardian". "Dadurch sind die Kosten höher geworden als das, was sich privat verhandelnde Familien und Arbeitgeber noch leisten können."

Drei Koffer voll Geld

Es ist ziemlich klar, gegen welche "großen europäischen Staaten" sich der Vorwurf richtet: In erster Linie ist es Frankreich, aber auch Deutschland steht in der Kritik. Die "New York Times" hat vor wenigen Wochen zusammengetragen, wie viel Geld der IS, Al-Kaida und verbündete Organisationen in den letzten Jahren durch Lösegelderpressungen eingenommen haben. Die Rede ist von mindestens 125 Millionen US-Dollar seit 2008. Allein fast 60 Millionen Dollar flossen über französische Staatsbetriebe an den Al-Kaida-Ableger in Nordafrika.

Deutschland habe 2003 einen Präzedenzfall geschaffen, schreibt die "Times". Islamische Extremisten hätten in Mali 32 Europäer als Geiseln genommen. Die Bundesregierung habe daraufhin 5 Millionen Euro in drei Koffer gepackt, nach Afrika geflogen und per Auto hunderte Kilometer in die Sahra hineingebracht. Die Geiselnehmer warfen eine Decke auf den Sand und zählten das Geld nach. Der Austausch ging glatt und war laut für beide Seiten lehrreich: Weltweit gab es danach duzendfach Transaktionen dieser Art. Mittlerweile gelten sie als die Haupteinnahmequelle vieler Al-Kaida-Ableger.

Brite stirbt, Deutscher kommt frei

Offiziell streiten Deutschland und Frankreich meist ab, Lösegelder zu zahlen. Doch die Dementis sind fadenscheinig. 2009 kam es wieder zu einer Geiselnahme in Mali. Deutschland und die Schweiz zahlten, zwei Geiseln kamen frei. Der Brite Edwin Dyer wurde wahrscheinlich enthauptet.

USA und Großbritannien versuchen seit Jahren, die Entführungen zu stoppen. Dabei spielen drei Strategien eine Rolle: Erstens schicken die Amerikaner Spezialkommandos, um Geiseln zu befreien – so wie auch im Falle James Foleys. Die Operation sollte eigentlich geheim bleiben, auch nachdem sie gescheitert war. Ob es weitere solcher Aktionen gab, lässt sich schwer sagen.

Zweitens versuchen sie die Berichterstattung möglichst zu unterbinden. Der "Guardian" schreibt von einer "Wand des Schweigens", die Großbritannien um diese Fälle errichten möchte. Denn die Aufmerksamkeit im Westen sei eines der Ziele, die Geiselnehmer verfolgen. Darum gibt die Regierung nur so wenige Informationen wie möglich heraus und bittet die Medien, möglichst wenig zu berichten. Der Erfolg dieser Strategie ist allerdings mäßig.

Deutschland verstößt gegen UN-Resolution

Und drittens üben beide Länder erheblichen Druck auf andere Staaten aus, nicht auf Lösegeldforderungen einzugehen. Während der britischen G8-Präsidentschaft 2013 erreichte David Cameron eine gemeinsame Erklärung, laut der Lösegelder Terroristen stärken. Dennoch haben Frankreich, Italien, Spanien und Deutschland laut "Guardian" Wege gefunden, Geld an Terroristen weiterzuleiten. Auch eine Resolution des UN-Sicherheitsrats von Januar 2014 ruft eindringlich dazu auf, keine Terroristen mit Lösegeldern zu finanzieren. "Trotz dieser Erklärungen und obwohl private Unternehmen und Individuen harte Strafen für die Finanzierung von Terroristen zu befürchten hätten, gab es keine Sanktionen gegen europäische Regierungen", schreibt die Fachzeitschrift "Foreign Affairs". "Die weltweiten Anstrengungen gegen Terrorismusfinanzierung sind nur so stark wie das schwächste Glied in der Kette."

Auch im Angesicht der Gefahr, dass bald ein britischer Staatsbürger getötet werden könnte, hält die Regierung an ihrem Prinzip fest. "Wir verfolgen seit langem eine klare Politik, keine Lösegelder zu zahlen oder irgendwelche substanziellen Zugeständnisse an Geiselnehmer zu machen", heißt es aus dem britischen Außenministerium. Ebenso werden die Amerikaner wohl nicht so schnell von dieser Politik abrücken, obwohl der Fall von James Foley die Frage wieder aufgeworfen hat. Foleys Chef Phil Balboni von der "Global Post" äußerte sich im Radio dazu: "Ich kann verstehen, dass es sehr schwer ist, diesen bösen Menschen Geld zu geben", sagte er. "Ich würde niemanden verurteilen, der es für absolut unzulässig hält. Aber ich und [James' Eltern] John und Diane Foley, wir waren bereit, es zu tun, wenn wir das Geld hätten aufbringen können."

Quelle: ntv.de

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