Gutachten bringt mehr Klarheit Wie kriminell sind Ausländer?
06.07.2016, 14:45 Uhr
(Foto: picture alliance / dpa)
Fast vier von zehn Straftaten in Deutschland werden von Ausländern begangen, sagt die Statistik. Woran liegt das?
Es klingt nach einer sehr hohen Zahl: Von 100 in Deutschland begangenen Straftaten gehen 39 auf das Konto eines Ausländers. Dabei sind nur elf Prozent der hier lebenden Menschen keine Deutschen. Man könnte anhand dieser Statistik also meinen, dass Ausländer hierzulande fast viermal so oft straffällig werden wie Inländer. Doch das wäre – wie das mit Statistiken so ist – zu einfach.
Der Kriminologe Christian Walburg hat ein Gutachten (hier als pdf) vorgelegt, das den Zusammenhang zwischen Staatsangehörigkeit beziehungsweise Migrationshintergrund und Kriminalität genauer untersucht. Dabei geht es auch um die Frage, ob durch die vielen Flüchtlinge neue Kriminalitätsprobleme entstehen.
Zunächst stellt Walburg klar, dass es viele Straftaten gibt, die Inländer gar nicht begehen können. So wurden 2015 rund 350.000 "ausländerrechtliche Verstöße" von der Polizei festgestellt. Dazu gehören etwa illegale Grenzübertritte. Offiziell ist das eine Straftat, praktisch bleibt einem potenziellen Asylbewerber, unabhängig davon, ob er vor Krieg oder Armut flieht, keine andere Möglichkeit, nach Deutschland zu kommen.
Bereinigt man die Statistik entsprechend, sind es noch 27 von 100 Straftaten, die von Ausländern begangen werden. Im Verhältnis werden sie also weit mehr als doppelt so oft straffällig wie Deutsche.
Kriminalität ist ungleich verteilt
Doch auch diese Aussage ist problematisch. Denn Kriminalität ist sowohl unter Deutschen wie auch unter Ausländern ungleichmäßig verteilt: Männer werden häufiger bei Straftaten entdeckt als Frauen, junge Menschen häufiger als ältere Menschen, Arme häufiger als Reiche, Großstadtbewohner häufiger als die Landbevölkerung. Unter Ausländern gibt es aber besonders viele arme und junge Männer und sie leben häufiger in Großstädten, das weiß man. Dass es unter Ausländern besonders viele Straftäter gibt, ist also naheliegend.
Was man nicht weiß, ist, wie viele Männer es genau unter den Ausländern gibt, wie alt sie genau sind, wie viel Geld sie genau haben und wo sie genau leben. Die ausländische Bevölkerung wird einfach zu schlecht statistisch erfasst. Es ist darum auch unmöglich, einen fairen Vergleich anzustellen, bei dem Gruppen gleichen Wohlstandes, gleichen Alters, gleichen Geschlechts und gleichen Wohnorts aber unterschiedlicher Herkunft miteinander verglichen werden.
So wenig sich aus den Zahlen über straffällige Ausländer herauslesen lässt, so unklar sind auch die Ergebnisse in Bezug auf straffällige Flüchtlinge. Das Bundesinnenministerium stellte im November 2015 dennoch die These auf, dass "Flüchtlinge im Durchschnitt genauso wenig oder oft straffällig werden wie Vergleichsgruppen der hiesigen Bevölkerung". Die Daten, aufgrund derer das Ministerium zu dieser Aussage kommt, sind bislang nicht öffentlich.
Wer keine Bleibeperspektive hat, wird eher straffällig
Walburg schreibt in seinem Gutachten, dass von den Asylsuchenden nur ein kleiner Teil wegen Straftaten registriert wird. Dabei dominierten Delikte wie Ladendiebstahl und Schwarzfahren. Menschen mit guter Bleibeperspektive, also etwa aus Syrien, Irak oder Afghanistan, fallen relativ selten auf. Häufiger kriminell sind Menschen, denen der Zugang zu Integrations- und Sprachkursen verwehrt wird, weil sie voraussichtlich kein Anrecht auf Asyl haben.
Feststellen lässt sich aufgrund der Polizeistatistik, was die Delikte sind, die von Ausländern begangen werden. Eher selten geht es dabei um Sachbeschädigung und Beleidigung, eher häufig begehen sie Raub und räuberische Erpressung, Ladendiebstahl und Urkundenfälschung. Besonders hoch ist der Ausländeranteil bei Taschendiebstählen: Drei von vier Tatverdächtigen sind Ausländer.
Typischerweise fallen hierbei viele Ausländer auf, die gar nicht in Deutschland wohnen. Es handelt sich oft um Banden, die eigens nach Deutschland kommen, um diese Straftaten zu begehen. Darin zeigt sich eine weitere Schwäche der Polizeistatistik: Es tauchen zwar im Ausland lebende Menschen darin auf, die in Deutschland kriminell werden, aber keine in Deutschland lebenden Menschen, die im Ausland kriminell werden. Das erhöht automatisch den Anteil der Ausländer in der Gesamtheit.
Weitere statistische Probleme zeigen sich, wenn man versucht, die Kölner Silvesternacht in der Statistik zu berücksichtigen. Hier gab es viele angezeigte Taten, aber nur wenige ermittelte Tatverdächtige. Darum werden die wenigsten Täter je in der Statistik auftauchen. Lösen ließe sich dieses Problem mit einer Opferstatistik, in der Taten auch dann aufgeführt werden, wenn der Täter unbekannt ist. Eine solche Statistik wurde zum Beispiel in den 1980er-Jahren in Kanada eingeführt. In den Zahlen tauchten auf einmal 30 Prozent mehr Fälle von häuslicher Gewalt auf.
Kurzum: Das Gutachten von Christian Walburg bringt mehr Klarheit. Eine klare Antwort bringt es nicht.
Quelle: ntv.de