Jens Zimmermann im Interview "Wir haben die Weichen für einen schnellen Ausbau gestellt"
20.09.2021, 17:57 Uhr
Jens Zimmermann
(Foto: picture alliance / Flashpic)
Vor zwei Jahren kam der Globale Wettbewerbsbericht des Weltwirtschaftsforums zu dem Schluss, dass Deutschlands größte Schwäche in der Einführung von Informationstechnologien liegt, und noch im Februar 2021 schrieb der wissenschaftliche Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums in einem Bericht zu den Lehren aus der Corona-Krise, die Pandemie habe "den Rückstand Deutschlands bei der digitalen Transformation in vielen Bereichen schonungslos offengelegt". Drei Fragen an Jens Zimmermann, digitalpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion und Obmann im Ausschuss Digitale Agenda.
ntv.de: Woran hat es gelegen, was hat diesen Rückstand verursacht?
Jens Zimmermann: Ein schneller, sicherer und bezahlbarer Internetzugang ist im 21. Jahrhundert unverzichtbar. Die Pandemie hat die Defizite auch beim digitalen Infrastrukturausbau schonungslos offengelegt. Das zuständige Verkehrsministerium unter Scheuer hat den digitalen Infrastrukturausbau lange verschleppt. Dennoch haben wir in dieser Legislaturperiode 12 Milliarden Euro investiert und wichtige Weichenstellungen und Zwischenschritte beim Aufbau von Gigabitnetzen erreichen können. Mit der Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft sollen neben den bestehenden Ausbauauflagen für die Netzbetreiber zudem bis zu 5000 noch bestehende Funklöcher geschlossen und ein flächendeckendes und sicheres Mobilfunknetz geschaffen werden.
Was muss passieren, damit Deutschland seinen Rückstand aufholt?
Wir haben in dieser Legislaturperiode die Weichen für einen schnellen Ausbau gestellt. Wir wollen eine Versorgung aller Haushalte und Unternehmen mit einer Bandbreite von mindestens einem Gigabit pro Sekunde garantieren - durch die konsequente Fortsetzung der Ausbauförderung und durch konkrete, gesetzlich festgelegte Ausbau- und Versorgungsverpflichtungen und entsprechende Zwischenziele. Hier stehen auch die Netzbetreiber in der Verantwortung.
Fordern Sie die Einführung eines Digitalisierungsministeriums?
Ich glaube, wir brauchen vor allem eine stärkere Koordination der Digitalpolitik und mehr Raum für interdisziplinäre und ressortübergreifende digitalpolitische Projekte. Eine Lösung dafür kann ein Digitalministerium sein, aber ich glaube, es braucht vor allem eine bessere digitalpolitische Koordination. Die Union hat ihrer Staatsministerin Bär zu oft die Kompetenzen beschnitten. Es braucht mehr Einsatz für die Digitalpolitik, als wir dort gesehen haben. Das kann grundsätzlich durch eine bessere Koordination im Bundeskanzleramt funktionieren, aber auch durch ein eigenständiges, agiles Ministerium.
Unstrittig ist, dass wir neue und funktionsfähige Strukturen zur digitalpolitischen Koordinierung brauchen, die der neuen Komplexität gerecht werden. Wir wollen daher die institutionellen Rahmenbedingungen verändern und wesentliche Bereiche der Digitalpolitik miteinander verknüpfen, ohne sie aus ihrem jeweiligen Fachkontext herauszulösen. Wesentlicher Erfolgsfaktor einer zukünftigen kohärenten Digitalpolitik ist eine veränderte Organisationskultur. Statt wie bislang üblich strikt am Ressortprinzip orientiert, muss Digitalpolitik in Zukunft vor allem agil und projektorientiert in Zusammenarbeit mit anderen Ministerien aber auch mit dem Parlament. der EU, den Zuständigen anderer EU-Mitgliedstaaten und der Bundesländer sowie der Zivilgesellschaft organisiert werden, um demokratisch legitimierte, konkrete Vorhaben gemeinsam umsetzen. Dafür muss es zumindest gemeinsame Federführung mit den jeweiligen Fachressorts geben.
Quelle: ntv.de, hvo