Dieter Janecek im Interview "Wir müssen die digitalen Rückstände mit Hochdruck angehen"
20.09.2021, 17:57 Uhr
Dieter Janecek
(Foto: picture alliance/dpa)
Vor zwei Jahren kam der Globale Wettbewerbsbericht des Weltwirtschaftsforums zu dem Schluss, dass Deutschlands größte Schwäche in der Einführung von Informationstechnologien liegt, und noch im Februar 2021 schrieb der wissenschaftliche Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums in einem Bericht zu den Lehren aus der Corona-Krise, die Pandemie habe "den Rückstand Deutschlands bei der digitalen Transformation in vielen Bereichen schonungslos offengelegt". Drei Fragen an Dieter Janecek, Sprecher für Industriepolitik und Digitalwirtschaft der Grünen-Fraktion sowie Obmann im Ausschuss für Wirtschaft und Energie sowie im Ausschuss Digitale Agenda.
ntv.de: Woran hat es gelegen, was hat diesen Rückstand verursacht?
Dieter Janecek: Da spielen verschiedene Faktoren eine Rolle: organisatorisches Durcheinander und fehlende Koordination innerhalb der Bundesregierung. Organisationsstrukturen innerhalb von Ministerien und Verwaltungen, die agiles, projektorientiertes Arbeiten eher hindern als fördern. Mangelnde Feedback- und Fehlerkultur und mangelnder Mut, Dinge einfach auch mal auszuprobieren. Fehlende IT-Fachkräfte in der Verwaltung. Dazu kommt die Zähigkeit des deutschen Föderalismus, gerade bei der Digitalisierung in Verwaltung und im Bildungsbereich.
Was muss passieren, damit Deutschland seinen Rückstand aufholt?
Für eine handlungsfähige Digitalpolitik ist zu allererst eine klare Koordinierung und Priorisierung nötig. Alle Digitalstrategien der Bundesregierung bisher waren eher eine Zusammenfassung von mehreren Dutzend Einzelmaßnahmen, die sowieso schon geplant waren. Ohne klare und ambitionierte Zielsetzung und ohne klaren Fokus werden wir uns aber weiter nur verzetteln. Wenn wir eines aus den Krisen der letzten anderthalb Jahre mitnehmen sollen, dann dass wir jetzt mit Hochdruck die Rückstände in der digitalen Bildung, der digitalen Verwaltung, im Gesundheitswesen und im Bereich Katastrophen-Warnsystemen angehen müssen.
Fordern Sie die Einführung eines Digitalisierungsministeriums?
Wir werden den Rückstand bei der politischen Gestaltung der Digitalisierung sicher nicht dadurch aufholen, dass wir ein neues Türschild für ein Ministerium aufhängen und dazu ein paar Abteilungen aus dem Wirtschafts-, Innen- oder Forschungsministerium in ein neues Haus packen. Ein Digitalministerium kann der Digitalisierung einen Schub verleihen, aber nur dann, wenn es auch gelingt, eine grundlegend neue Arbeitsweise zu ermöglichen, mit projektorientiertem Arbeiten und interdisziplinär besetzten Teams, die auch attraktiv für IT-Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft sind.
Quelle: ntv.de, hvo