Rosenkrieg ums Rote Rathaus Wowereit jagt sich selbst vom Hof
26.08.2014, 17:51 Uhr
Hat die Machtkämpfe in seiner Partei satt: Klaus Wowereit.
(Foto: picture alliance / dpa)
Berlin und Klaus Wowereit: Nach 13 Jahren endet eine Ära. Im Dezember macht der Sozialdemokrat Platz für einen Nachfolger. Seine Rücktrittserklärung nutzt Wowereit zur knallharten Abrechnung. Am Schluss wird er emotional.
An dem Tag, an dem er eigentlich seinen Rücktritt erklären will, macht Klaus Wowereit erst einmal "Business as usual". Gut gelaunt, wie man ihn zuletzt immer seltener erlebt hat, betritt er den Raum 319 im Berliner Roten Rathaus. Dann spricht Wowereit über die Bewerbung für die Ausrichtung der Olympischen Spiele. Er wolle die Berliner an der Entscheidung mit einem Votum beteiligen. Olympia sei eine Chance für die Zukunft Berlins.
Was nach einem Job-Bekenntnis klingt, ist keins. Wowereit selbst hat nämlich beschlossen, in Zukunft in der Berliner Politik keine Rolle mehr zu spielen. Zum 11. Dezember will er sein Amt zur Verfügung stellen, dann soll ein Nachfolger übernehmen. Wowereit tritt ab, macht nach 13 Jahren vorzeitig und mitten in der Legislaturperiode Schluss. Auch wenn bei einigen Mitarbeitern im Raum Tränen fließen, auch wenn die Nachricht die Republik zunächst ins Staunen versetzt - eine Überraschung ist sie nicht. Wowereit hat es schlicht satt.
Zermürbende Grabenkämpfe
Warum tritt der 60-Jährige ab? Mehrfach gibt er an diesem Dienstag vor, dazu nichts sagen zu wollen. Nur politische Floskeln: Seine Entscheidung sei über Monate gereift, er gehe freiwillig. Dennoch verrät der Polit-Profi mehr oder weniger direkt doch einiges - über den zermürbenden Job des Regierenden Bürgermeisters und die seit vielen Monaten schwelenden Grabenkämpfe um seine Nachfolge in seiner eigenen Partei.
In der SPD dürfte man es ungern hören, worüber sich Wowereit gleich als Erstes auslässt. "Es gab in letzter Zeit ziemlich viele Spekulationen über die Frage von Amtszeiten des Regierenden Bürgermeisters. Ich muss auch eingestehen, dass diese Diskussion auch aus den Reihen meiner eigenen Partei mitbefördert worden sind." Zwei Jahre vor Ende der Legislaturperiode habe dies wenig Nutzen für seine Partei, aber großen Schaden für die Regierungsarbeit. Wowereits Ärger über diesen Rosenkrieg ist offenbar nicht nur groß, sondern auch der Hauptgrund für seinen Rücktritt. "Vor diesem Hintergrund" habe er entschieden, sein Amt zur Verfügung zu stellen. Zum Opfer mag sich Wowereit trotzdem nicht machen. "Wer mich kennt, weiß, dass es nicht so leicht ist, mich vom Hof zu vertreiben", sagt er.
Das Rennen um seine Nachfolge läuft tatsächlich schon lange bevor Wowereit seine Rücktrittserklärung verfasst hat. Vor allem Landeschef Jan Stöß und der Fraktionsvorsitzende Raed Saleh brachten sich in Stellung. Auch die Namen der Arbeitssenatorin Dilek Kolat und des parteilosen Finanzsenators Ulrich Nußbaum fielen immer wieder. Die Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus finden zwar erst im Herbst 2016 statt, aber in der Partei grassiert die Sorge, das Umfragetief von derzeit 21 Prozent nicht mehr rechtzeitig verlassen zu können.
"Dann sind wir Weltmeister geworden"
Wowereits Sympathien sind inzwischen offenbar klar verteilt. Zu dem Parteilinken Stöß, der seinen Vertrauten Michael Müller 2012 vom Landesvorsitz verdrängte, hat er seit jeher ein kühles Verhältnis. Das zeigt sich auch an diesem 26. August. Nicht ein einziges Mal geht Stöß' Name über Wowereits Lippen. Ausgerechnet dessen Widersacher hebt er aber deutlich hervor. Er danke Saleh für seine Loyalität, sagt Wowereit. "Sonst wäre die erfolgreiche Arbeit nicht möglich gewesen." Ein deutlicher Seitenhieb auf Stöß. Derweil verkündete Saleh nur zwei Stunden nach Wowereits Auftritt seine Ambitionen. "Ich möchte Regierender Bürgermeister Berlins werden", sagte er.
Wahrscheinlich ist, dass mindestens Saleh und Stöß in einem Mitgliederentscheid gegeneinander kandidieren. SPD-Chef Sigmar Gabriel versuchte offenbar auch, EU-Parlamentspräsident Martin Schulz zu begeistern, doch der sagte ab und begründete dies mit der Zerstrittenheit des Landesverbandes. Wowereit selbst hält einen Berliner Kandidaten für wahrscheinlich. "Importe" aus anderen Bundesländern seien zuletzt nicht so erfolgreich gewesen.
"Ich liebe diese Stadt"
Bliebe noch die Frage: Warum ausgerechnet jetzt? Wowereit gibt dafür eine lapidare Erklärung. Eigentlich habe er es im Juli machen wollen, sagt er grinsend, "aber dann sind wir Weltmeister geworden". Tatsächlich ist sein Timing in einer Hinsicht auffällig. Bei der Senatssitzung am 11. Dezember soll sein Nachfolger ihn ablösen. Tags darauf will Flughafen-Manager Hartmut Mehdorn den BER-Eröffnungstermin verkünden. Wowereit wird dort nicht anwesend sein, mit seinem Regierungsamt legt er auch sein Aufsichtsrat-Mandat nieder. Die lästige Baustelle in Schönefeld ist er dann endlich los.
Darüber dürfte er alles andere als unglücklich sein. "Die nicht zeitgemäße Eröffnung" sei seine größte politische Niederlage, bekennt er. "Ich bedaure es unendlich, dies nicht korrigieren zu können und wünsche dem Projekt eine baldige Fertigstellung." Tatsächlich ist Wowereits politischer Niedergang eng mit dem Schicksal des Hauptstadtflughafens verbunden. Seit es beim BER hakt, stürzte das Image des einst so beliebten Sozialdemokraten in den Keller. Seitdem halten sich die Gerüchte, er sei amtsmüde.
Ist er das? "Regierender Bürgermeister von Berlin zu sein, ist eine der größten Herausforderungen in der deutschen Politik", sagt Wowereit. "Ein schönes, aber aufzehrendes Amt." Über seine Pläne für die Zeit danach will er noch nicht sprechen. Vielleicht ein Buch, nicht jetzt sofort, aber irgendwann, "wer weiß", sagt er abgeklärt kühl. Wie schwer ihm das Loslassen fällt, wie emotional das für diesen Klaus Wowereit wirklich ist, zeigt sich ganz am Ende seiner Erklärung. Für Berlin werde er weiterhin da sein, verspricht er da. "Ich liebe diese Stadt, wie sie ist, mit ihren Widersprüchen, mit ihrer Rauheit und Schönheit. Das wird auch so bleiben", sagt er und ist froh, dass er nichts mehr sagen muss.
Quelle: ntv.de