Journalisten mit Konsequenzen gedroht Wulff ist Wiederholungstäter
03.01.2012, 14:45 Uhr
Bundespräsident Wulff: Wieder kommen Details scheibchenweise ans Licht.
(Foto: dapd)
Wenn Bundespräsident Wulff die Berichterstattung über sich nicht gefällt, nimmt er die Dinge gern selbst in die Hand. Seine Telefon-Intervention bei der "Bild"-Zeitung war dabei offenbar nicht der erste Fall, in dem er Journalisten unter Druck setzte. Die "Welt" machte im vergangenen Sommer bereits eine ähnliche Erfahrung. Für die SPD ist nach den neuen Enthüllungen die Schonfrist für Wulff endgültig abgelaufen.
Bei dem Versuch von Bundespräsident Christian Wulff, auf die Berichterstattung der "Bild"-Zeitung über seinen Eigenheimkredit Einfluss zu nehmen, handelt es sich offenbar nicht um einen Einzelfall. Inzwischen wird ein weiterer Fall bekannt, bei dem Wulff einem Journalisten gedroht haben soll. Am Montag war bekannt geworden, dass Wulff sich persönlich bei "Bild"-Chef Kai Diekmann, dem Springer-Vorstandsvorsitzenden Mathias Döpfner und Mehrheitsaktionärin Friede Springer die Berichterstattung über seine Kreditaffäre verbeten hat.
Oliver Michalsky, stellvertretender Chefredakteur der Welt-Gruppe, berichtete nun via Facebook und Google+ von einem Vorfall im vergangenen Sommer: "Wegen dieses Artikels übrigens wurde 2011 ein Kollege ins Schloss Bellevue komplimentiert, wo der Bundespräsident persönlich mit unangenehmen Konsequenzen im Fall einer Veröffentlichung drohte."
Geschichte über die Halbschwester
Bei dem Artikel handelt es sich um eine Reportage über Christian Wulffs Halbschwester Bettina Mertschat-Wulff. Sie wurde am 26. Juni 2011 trotz der Wulff-Anrufe veröffentlicht. Christian Wulff und Mertschat-Wulff haben denselben Vater, aber verschiedene Mütter. Rudolf und Dagmar Wulff, die Eltern des Bundespräsidenten, ließen sich nach wenigen Jahren scheiden. Rudolf Wulff bekam mit Marlene Mertschat, einer Serviererin in seiner "Union-Klause", die halb so alt ist wie er, noch ein Kind - Bettina Mertschat-Wulff. Mertschat-Wulff kam unehelich zur Welt und wusste viele Jahre lang nicht, wer ihr Vater ist.
Wulff selbst hat seine Halbschwester in keiner Biographie erwähnt. Michalsky vermutet, dass ihm die privaten Enthüllungen unangenehm waren. "Um eine Veröffentlichung zu verhindern, intervenierte das Bundespräsidialamt massiv – nicht nur beim Chefredakteur, sondern auch an höchsten Verlagsstellen. Einer der Autoren wurde in dieser Sache ins Schloss Bellevue gebeten, wo der Bundespräsident persönlich mit unangenehmen und öffentlichkeitswirksamen Konsequenzen im Fall einer Veröffentlichung drohte."
Anfangsverdacht der Nötigung
Inzwischen prüft die Berliner Staatsanwaltschaft, ob wegen des Droh-Anrufs von Wulff auf der Mailbox des "Bild"-Chefredakteurs Diekmann ein Anfangsverdacht der Nötigung besteht. "Wir haben eine Anzeige wegen Nötigung im Zusammenhang mit der Mailbox-Aufsprache erhalten", sagte Oberstaatsanwalt Martin Steltner der "Berliner Zeitung". Nunmehr "prüfen wir den Anfangsverdacht", sagte der Oberstaatsanwalt.
Die Anzeige komme jedoch nicht von einem der Beteiligten, sondern von einer dritten Person und sei am Dienstag per E-Mail eingegangen, sagte Steltner. Außerdem seien noch drei weitere Anzeigen wegen der Finanzierung des Privathauses des Bundespräsidenten eingegangen. Diese seien an die Staatsanwaltschaft Hannover abgegeben worden.
Schonfrist zu Ende
Die SPD legte Wulff inzwischen indirekt nahe, sein Amt bis zur Aufklärung der Kreditaffäre ruhen zu lassen. Solange unklar sei, ob der ehemalige niedersächsische Ministerpräsident bei der Finanzierung seines Privathauses gegen das Ministergesetz verstoßen habe, "kann er sein Amt nicht mehr unbefangen ausüben", erklärte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, in Berlin. "Die politische Schonfrist geht zu Ende", sagte er weiter. Wulff habe drei Wochen Zeit gehabt, die Vorwürfe zu entkräften. Das sei ihm nicht gelungen.
Oppermann forderte Wulff auf, beim Staatsgerichtshof Niedersachsen die Feststellung beantragen, ob sein Verhalten in Niedersachsen gegen das Gesetz verstoßen habe. "Die Wahl zum Bundespräsidenten ist keine Generalamnestie für vorangegangene Verstöße gegen Gesetze und kein Freibrief für weiteres Handeln", sagte Oppermann.
Scharf kritisierte Oppermann die versuchte Verhinderung der Veröffentlichung eines Berichts der "Bild"-Zeitung über die Kreditaffäre. "Es ist absolut unangemessen, wenn der Bundespräsident versucht, eine freie Berichterstattung zu verhindern." Kein Bundespräsident stehe über Recht und Gesetz.
Schwarz-gelber Rückhalt schmilzt
Aus der Unions-Fraktion hieß es, es sei die ureigenste Sache Wulffs, selbst für Klarheit zu sorgen. Von anderer Seite war von großem Unverständnis in der Fraktion über die Vorkommnisse und das Krisenmanagement die Rede. Die neben Wulff als Kandidatin für das Staatsamt gehandelte Arbeitsministerin Ursula von der Leyen sagte, sie wolle Wulffs Krisenmanagement nicht kommentieren. Aus der Unions-Fraktion hieß es, man wisse im Moment nicht mehr, wie man Wulff verteidigen solle. Die Argumente für eine Verteidigung seien abhanden gekommen. Das "laute Schweigen" sei auch aussagekräftig, hieß es. Unions-Fraktionschef Volker Kauder, der Parlamentarische Geschäftsführer Peter Altmaier wie auch FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle lehnten eine Stellungnahme ab.
CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt äußerte die Erwartung, dass Wulff "zu all den Vorkommnissen Stellung nehmen wird und das Ganze aufklären wird". Das könne nur er persönlich, sagte sie Reuters TV. FDP-Vizechef Holger Zastrow sagte im MDR, er erwarte noch in dieser Woche eine Erklärung von Wulff. Er stehe hier in der Pflicht. Wenn er als Bundespräsident persönlich zum Hörer gegriffen habe, um einem Chefredakteur auf die Mailbox zu sprechen, sei dies nicht die Größe, die er von einem Bundespräsidenten erwarte.
Auch in der niedersächsischen CDU wurde Kritik an Wulff laut. "Viele Parteifreunde haben bei mir angerufen. Alle äußerten sich negativ zu Wulffs Verhalten", sagte der Vizechef der Landtagsfraktion, Karl-Heinz Klare, der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung". "Die Leute wollen totale Aufklärung, sonst wird das Amt des Bundespräsidenten beschädigt."
Grüne: Glaubwürdigkeit schwer beschädigt
Grünen-Fraktionsvize Fritz Kuhn sagte im Deutschlandfunk mit Blick auf Wulffs versuchte Einflussnahme, der Bundespräsident habe ein "eigentümliches Verständnis von Pressefreiheit". In der Summe der Vorgänge um den Privatkredit und die Berichterstattung komme er persönlich zu der Überzeugung, dass Wulff "den Anforderungen des Amtes nicht gewachsen ist", sagte Kuhn. Seine Glaubwürdigkeit sei schwer beschädigt.
Wulff müsse sich "die Frage stellen, ob er dies der Bundesrepublik Deutschland weiter antun will, in der schweren Situation in der wir sind", sagte Kuhn weiter. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) müsse "aus der Deckung herauskommen", schließlich habe sie Wulff als Kandidaten ausgesucht.
Urlaub auch für Glaeseker
Inzwischen muss auch Wulffs früherer Sprecher mit einem Interesse der Justiz an seinen privaten Urlaubsaufenthalten rechnen. Wie die "Neue Presse" aus Hannover unter Berufung auf Ermittlungskreise berichtete, prüft die Staatsanwaltschaft Hannover, ob gegen Olaf Glaeseker ein Anfangsverdacht wegen Vorteilsnahme vorliege.
Glaeseker soll demnach ab dem Jahr 2008 mit seiner Frau Vera dreimal in Auslandsquartieren des Unternehmers Manfred Schmidt gratis Urlaub gemacht haben - darunter in Barcelona und in Südfrankreich. Glaeseker war zu diesem Zeitpunkt Niedersachsens Regierungssprecher im Rang eines Staatssekretärs.
Wulff will Sternensinger empfangen
Das Bundespräsidialamt wollte sich erneut nicht zu den Vorwürfen äußern. Stattdessen kündigte die Pressestelle als ersten offiziellen Termin Wulffs den Empfang der Sternsinger für Freitag an. Auch in der kommenden Woche sind mehrere Termine vorgesehen, darunter die traditionellen Neujahrsempfänge.
Quelle: ntv.de, sba/AFP/rts