Gegen "Rechtspopulisten Seehofer" Wulff soll in Türkei Zeichen setzen
18.10.2010, 07:43 Uhr
Bundespräsident Wulff reist für fünf Tage in die Türkei.
(Foto: dpa)
Bundespräsident Wulff bricht heute zu einem fünftägigen Staatsbesuch in die Türkei auf, die Erwartungen sind hoch. Grünen-Chef Özdemir fordert, dass Wulff sich deutlich von "Rechtspopulisten wie Seehofer und Sarrazin" distanziere. Er solle den Türken deutlich machen, dass sie in Deutschland willkommen sind, heißt es aus der SPD.
Der Grünen-Chef Cem Özdemir hat Bundespräsident Christian Wulff aufgefordert, sich bei seinem Staatsbesuch in der Türkei von "Rechtspopulisten" wie CSU-Chef Horst Seehofer zu distanzieren. Dem "Hamburger Abendblatt" sagte Özdemir: "Christian Wulff hat für sein Bekenntnis zur Einbürgerung von Menschen mit muslimischem Hintergrund zu Recht viel Anerkennung in der Türkei erfahren." Auch die aktuellen Äußerungen des türkischen Präsidenten Abdullah Gül und des türkischen Europaministers Egemen Bagis seien gute Beiträge für einen konstruktiven deutsch-türkischen Dialog zur Integration gewesen.
Der Bundespräsident habe nun die Gelegenheit, diesen Dialog zu vertiefen, betonte Özdemir. "Gleichzeitig gehen wir davon aus, dass Christian Wulff deutlich macht: Die Integrationsdebatte in Deutschland wird nicht von den Rechtspopulisten Seehofer und Sarrazin dominiert, sondern von einem parteiübergreifenden Interesse an einer rationalen Debatte um die beste Integrationspolitik."
"Panik unangebracht"

Grünen-Chef Özdemir erwartet vom Türkeibesuch positive Signale für die deutsche Integrationsdebatte.
(Foto: dpa)
Seehofer hatte in einer Rede vor der Jungen Union in Potsdam gesagt: "Wir als Union treten für die deutsche Leitkultur und gegen Multikulti ein. Multikulti ist tot." In einem vom Magazin "Focus" veröffentlichten Sieben-Punkte-Plan beharrte der bayerische Ministerpräsident darauf, dass "Deutschland kein Zuwanderungsland" sei. Auch ein prognostizierter Fachkräftemangel könne "kein Freibrief für ungesteuerte Zuwanderung sein".
Der integrationspolitische Sprecher der SPD, Rüdiger Veit, sagte der Zeitung: "Angesichts der unverständlichen Äußerungen von Horst Seehofer sollte Wulff den Türken sagen, dass sie hier in Deutschland willkommen sind." Die derzeitige Integrationsdebatte werde nicht auf Basis von Fakten geführt, kritisierte Veit: "Eine Panik vor einem Zuviel an Zuwanderung ist unangebracht, wenn man sieht, dass die Zahl der Türken, die von Deutschland in ihre türkische Heimat zurückgegangen ist, im letzten Jahr um 9000 Personen höher lag als die Zahl der Türken, die nach Deutschland gekommen sind."
Historischer Staatsbesuch
Bundespräsident Wulff startet heute zu einem fünftägigen Staatsbesuch in die Türkei. Die Reise war noch von seinem Vorgänger Horst Köhler geplant worden. Am Dienstag wird Wulff mit Staatspräsident Gül und Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan zusammenkommen. Als erstes deutsches Staatsoberhaupt wird er anschließend vor dem Parlament in Ankara sprechen.
Vor zehn Jahren war zuletzt der damalige Bundespräsident Johannes Rau in der Türkei gewesen. Die Reise von Wulff steht unter dem Eindruck der heftigen Islam-Debatte in Deutschland und der Kritik an mangelndem Integrationswillen auch türkischer Migranten. Gül und Erdogan haben im Vorfeld des Wulff-Besuchs ihre Landsleute in Deutschland zu verstärkter Integrationsbereitschaft aufgerufen.
Quelle: ntv.de, dpa/rts/AFP